Pilar
geschrieben von Franzi
Aufgrund eines Missverständnisses startete heute Morgen um 7 Uhr die erste Vogelbesichtigungstour unseres Lebens. Eigentlich hatten wir gelesen, dass man die Stadt sehr gut zu Fuß erkunden könne, indem man einer Straße folgt, die mit Vogelstatuen gesäumt ist. Im Hostel sollte es einen entsprechenden Flyer geben. Als Timo sich danach erkundigte, wurde uns mitgeteilt, dass es wohl keine schriftlichen Infos gäbe, uns aber jemand sehr gerne ausführlich mündlich Auskunft geben könne. Wir nahmen dankend an.
Aufgrund der guten Englisch-Kenntnisse beider Parteien war unsere Verwunderung um so höher, als wir feststellten, dass wir soeben einer privaten Vogelexpedition mit einem semiprofessionellen Ornithologen zugestimmt hatten. Der Preis war mit 5,50€ pro Stunde aber derart überschaubar, dass wir beschlossen, die ausgeprägte Fauna des kleinen Ortes besser kennenzulernen und nicht nur deren steinerne Ebenbilder zu bestaunen.
So holte uns Christian zur angenehm kühlen Morgenstunde ab. Er hat einen Abschluss in Biologie, mit dem er an Schulen unterrichten kann und wartet aktuell auf einen weiterführenden Studienplatz, um später auch an Universitäten lehren zu können. Vögel sind sein großes Hobby und er hat es sich zur Aufgabe gemacht, die schlechte Dokumentation paraguayanischer Vögel und Schmetterlinge aufzubessern. So fotografiert er alle neuen Sichtungen, sofern möglich, und schreibt seine Beobachtungen sorgfältig auf. Er hat schon diverse Arten entdeckt, die in dieser Region angeblich nicht vorkommen sollten, was ihn mit ansteckender Begeisterung erfüllt. Leider fehlt ihm manchmal ausreichend professionelles Equipment, um die Tiere zu fotografieren, sodass ihm teilweise der Beweis für das Vorkommen bestimmter Arten fehlt, obwohl er sie schon einige Male sichten konnte.
Gemeinsam machten wir uns also auf den Weg und ausgestattet mit hervorragenden Ferngläser unseres Hostels konnten wir einige interessante Tiere beobachten, wenn auch wohl keine sehr seltenen. Besonders beeindruckt war Christian, als wir ihm ein Foto von einer speziellen Tucan-Art zeigten, das wir letzte Woche aufgenommen hatten. Doch seine Begeisterung verpuffte so schnell wie sie gekommen war, als wir daraufhinwiesen, dass die Aufnahme in einem Zoo gemacht wurde.
Christian konnte über Vögel hinaus auch einiges über die Flora und Fauna von Pilar allgemein erzählen und bestach dabei durch sehr gutes Englisch. Er konnte mehr Fachwörter und Tierarten auf Englisch benennen, als wir verstehen. Zur visuellen Unterstützung hatte er ein super fixes Smartphone, sowie ein gut illustriertes Buch dabei, sodass wir uns insgesamt sehr gut verständigen konnten.
Am spannensten und auch am erschreckensten fanden wir den Bericht über eine hier vorkommende Wespe, die ihre Eier in einer lebenden Tarantel ablegt. Die Larve schlüpft dann im inneren der Tarantel und frisst sie von innen heraus auf, bis die Tarantel plötzlich stirbt. Verrückt, was sich die Natur manchmal ausdenkt!
Nur spannend und überhaupt nicht beängstigend war dagegen das beeindruckende tiefdröhnende Gebrüll eines männlichen Affen auf der gegenüberliegenden Flussseite. Später konnten wir auch noch ein paar der Tiere weit oben in den Bäumen entdecken. Allerdings frage ich mich, wie die extrem faulen Affen, die sich laut Christian nur zum Essen bewegen, ein derart weit hörbares Gebrüll ausstoßen konnten.
Nach knapp zwei Stunden endete die Tour mit einer Guave, die uns Christian zum Probieren von einem Baum pflückte. Die Frucht war uns allerdings viel zu sauer und enthielt für unseren Geschmack viel zu viele Kerne.
Als wir am Ende wie abgemacht die 11€ bezahlen wollten, wirkte Christian sehr überrascht. Er war eigentlich schon zur Tür des Hostels hinaus und wunderte sich offenkundig, dass wir ihn tatsächlich bezahlen wollten. Er winkte ab und meinte, die Tour habe ihm großen Spaß gemacht. Da auch wir großen Spaß hatten und Christian in seinen Projekten unterstützen möchten, bestanden wir darauf, dass er das Geld annahm. Sichtlich erfreut nahm er uns den Schein ab und gab uns ein paar kleinere als Wechsel heraus. Erst nachdem er davongeeilt war, bemerkten wir, dass er uns tatsächlich zu viel wiedergegeben hatte. Ein wirklicher sehr netter und enthusiastischer junger Mann, der uns in guter Erinnerung bleiben wird!
Kommentar schreiben