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Von Kaimanen und Wasserschweinen

Colonia Carlos Pellegrini

geschrieben von Franzi

Nachdem ich am gestrigen Tag wirklich nur knapp einem Sonnenstich entgehen konnte, hatten wir nun gelernt, wie das Leben hier funktioniert. So klingelte um 5.45 Uhr der Wecker, damit wir die kühlen Morgenstunden ausgiebig nutzen konnten.
Wir zogen uns rasch an und mit viel Wasser und einer Banane in der Hand machten wir uns auf den Weg zu dem „Reisebüro“, wo wir eine Bootstour durch den Nationalpark gebucht hatten. Wir warteten eine ganze Weile auf die restlichen Teilnehmer. Um 7.15 Uhr stiegen wir endlich alle in ein kleines Motorboot, mit dem wir unter der Brücke hindurch düsten, die den Park mit dem Dorf verbindet. Schon beim Einsteigen waren viele Tiere zu beobachten. Zwischen zahlreichen Vögeln auch die ersten Wasserschweine und Kaimane des Tages. Unsere Befürchtung, die Tiere würden von dem lauten Motor vertrieben, erwies sich glücklicherweise als unbegründet. Überall am Ufer konnte man erwachende Wasserschweine, die auch Capybaras genannt werden, entdecken. Die verschlafenen Riesennager dösten im flachen Wasser und begannen allmählich mit ihrer liebsten Tagesbeschäftigung: dem Futtern.


Auch Kaimane gab es viele. Häufig hielten sie sich in unmittelbarer Umgebung zu den Wasserschweinen auf. Auf meine Frage hin, ob sie sie auch angriffen, winkte der Guide ab. „Nein“, meinte er Kopfschüttelnd. „Gefressen werden nur die Capybara Babys.“ 😳
Dennoch entdeckten wir ein Tier, das aufgrund eines sich nähernden Kaimans für diese gemütlichen Wesen doch extrem schnell die Flussseite wechselte.


Aber auch die Kaimane scheinen Feinde zu haben. Und offensichtlich haben wir hier etwas gemein. Es geht nämlich um die Piranhas. Die Beziehung zwischen den beiden Gattungen scheint von blutigen Begegnungen geprägt. Früher, bevor der Nationalpark gegründet wurde, habe es noch viel mehr Piranhas gegeben, erfuhren wir. Seither sind die Lebensbedingungen für die Kaimane aber sehr verbessert worden, weswegen immer mehr Artgenossen sich hier ansiedeln würden. Die Kaimane fressen die Piranhas, weswegen ihr Bestand deutlich zurückgegangen sei. Laut dem Guide bestünde nun wieder ein gesünderes Gleichgewicht zwischen den Arten.
Aber auch die Piranhas beißen gerne zu. Zwar können sie keinen ganzen Kaiman verspeisen, doch wir sahen ein Tier, dem ein Teil des Schwanzes fehlte. Die Piranhas würden wohl häufig zubeißen und irgendwann risse der Schwanz dann ab.
Nach unseren ersten Piranha-Erfahrungen in Pilar scheint unsere geplante abendliche Kajakfahrt in diesem Gewässer aus spitzen Zähnen von Fischen und Reptilien wohl the next level zu sein…

 

Nach knapp zwei Stunden endete die Tour, auf der wir gen Ende auch noch Huftiere gesehen haben, die wohl die größten in Südamerika sein sollen, bei denen wir allerdings unsicher sind, wie ihr Name lautet.

 

Obwohl es noch früh war, brannte die Sonne und wir waren froh, gegen 10 Uhr im Schatten beim gemütlichen Frühstück sitzen zu können. Ganz dem Tagesrythmus des Dorfes angepasst verbrachten wir den Tag im Pool und im schattigen Garten, tippten Blogbeiträge und planten unsere weitere Reiseroute.

 

Am späten Nachmittag machten wir uns auf zum Campingplatz von wo aus die Kajaktour starten sollte. Glücklicherweise hatte der Kaiman vom Vortag sich wohl einen anderen Sonnenplatz ausgesucht, er war jedenfalls nicht mehr zu sehen. Unser Guide ließ die Boote ins Wasser und wir verstauten unser wenigen mitgebrachten Dinge. Glücklicherweise waren wir mit einem wasserdichten Beutel gut vorbereitet, denn die Bauweise unterscheidet sich maßgeblich von uns bekannten Kanus. Die Plastik-Boote haben Löcher und Wasser dring ins Boot und die Gepäckluke ein, bis sich ein Gleichgewicht hergestellt hat. Passenderweise hatten wir Bade- bzw. Sportsachen an, sodass wir nicht mit langen Hosen im Wasser sitzen mussten.


Unser Guide prophezeite, dass wir wenig Tiere sehen würden, da es tagsüber sehr heiß war und viele deswegen erst später herauskommen würden. Leider sollte er damit recht behalten. Wir sahen ein paar Wasserschweine und Kaimane und sehr viele Vögel, insgesamt aber weit weniger als noch am Morgen. Immerhin blieben damit aber auch Timos Befürchtung bzgl. eines angreifenden Kaimans unerfüllt. Da er im Vorwege unmissverständlich erklärt hatte, sich selbst definitiv vor mir zu schützen, blieb auch unserer Beziehung eine ernsthafte Krise erspart, da ich keinem Kaiman zu Timos Schutz zum Fraß vorgeworfen werden musste.


Insgesamt war die Tour sehr bezaubernd, da sie wesentlich friedlicher und naturnäher als die Fahrt im Motorboot war. In der Abenddämmerung glitzerte das Wasser herrlich, da die Sonne direkt im Fluss versank.
Wieder an Land genossen wir den Sonnenuntergang, bevor wir uns auf den Heimweg machten.

 

Während ich mich schnell duschte, fiel plötzlich der Strom aus. Glücklicherweise brachte Timo mir meine Stirnlampe. Nein, ich habe nicht mit Stirnlampe geduscht, sondern sie neben das Waschbecken gelegt, was auch viel geholfen hat.
Wir hatten einen Tisch in einem kleinen Hotel reserviert, in dem abends 3-Gänge-Menüs angeboten werden. Der Preis war zwar nicht günstig, aber man konnte mit Karte bezahlen und wir wollten uns gerne etwas gönnen. Wir machten uns Gedanken, ob das Essen trotz Stromausfalls stattfinden könne, machten uns aber auf den Weg.

 

Der Vollmond erleuchtete die Straße vor uns und Glühwürmchen begleiteten uns am Wegesrand, sodass unser mitgebrachtes künstliches Licht überhaupt nicht nötig war. Ergriffen von der romantischen Stimmung überlegte ich laut, ob es im Restaurant vielleicht ein Candle-Light-Dinner geben würde, wenn die elektrischen Lampen nicht funktionierten.


Als wir um die letzte Ecke bogen wurden unsere kühnsten Erwartungen übertroffen. Das kleine Gasthaus inmitten von einem kleinen privaten Park, urig umgeben von knorrigen Bäumen leuchtete einladend im Schein unzähliger Kerzen.
Wir bestellten einen Wein und genossen den Abend. Als es kaum noch schöner werden konnte, fragte uns die Inhaberin des Lokals auf Spanisch, ob wir ihr helfen könnten. Sie hätte Verständigungsprobleme mit einem – mutmaßlichen – amerikanischen Gast. Unglaublich, aber wahr: Timo und ich übersetzten für sie vom Spanischen ins Englische! Vor stolz mindestens 10cm größer verließen wir glücklich, rundum satt und vom Wein beseelt das Restaurant und gingen vom Mondschein begleitet heim.

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