Montevideo
geschrieben von Timo
Die letzten 6 Tage haben wir uns erstmals ein wenig von unserer bisherigen Reise erholt und sind im Ukelele Hostel in Montevideo abgestiegen. Trotz der vermeintlich vielen Zeit, die wir hier hatten, gingen die 6 Tage durch einige Unternehmungen doch recht schnell vorrüber und so sind wir froh, dass unsere Wäsche am Ende zumindest zum zweiten Mal ganz gewaschen wurde (Danke Franzi!).
Nun aber zu Montevideo, immerhin die Hauptstadt und einzige Metropole Uruguays. Hier angekommen- spät am Donnerstagabend- ging nichts mehr. Wir legten uns nach einem sehr langen Tag nur noch in unsere 2 Betten im Dorm Room des Hostels, deren andere 2 Betten zum Glück frei blieben. Unser Hostel ist ein ehemaliges Familienwohnhaus wohl aus dem Anfang des 20. Jahrhunderts mit riesigen Decken und einem Patio mit großem Swimming Pool. Da es sehr geräumig ist und im Patio einen netten Tisch an der frischen Luft gibt, fühlten wir uns von Beginn an sehr wohl. Am Wochenende war noch sehr viel los, aber unter der Woche war es sehr ruhig. Nur die vielen Freiwilligen, die das Hostel am Laufen halten, sind viel im Gebäude unterwegs, wenn auch mehr aus Spaß und Langeweile als tatsächlich um Aufgaben nachzukommen.
Den nächsten Tag wollte Franzi aus Erholungsgründen wirklich garnichts machen, während ich meinte, dass wir ja entspannt etwas machen können. Als um 10 Uhr morgens das Frühstück noch nicht beendet war und wir noch nichts gestartet hatten, war ich dann aber schon sehr nervös. Franzi wiederum meinte, dass es ein Wunder sei, dass sie überhaupt das Bett verlassen habe. Diese sehr gegensätzlichen Auffassungen sorgten für einen penetranten Konflikt an diesem Tag, der nur schwer auszuräumen war. Letztlich überzeugte uns unsere Hostelleiterin Miranda dann aber doch davon aktiv zu werden, da wohl die beste der zwei Karnevalsparaden der Desfile des Llamadas bereits an diesem Freitagabend stattfinden sollte. Sie meinte am nächsten Tag gibt es zwar nochmal das selbe Programm, aber am Freitag ist noch mehr Pep drin. Also machten wir uns auf zum Ticketschalter, an dem uns in einem komplexen Gespräch vermittelt wurde, dass keine Karten mehr verkauft werden, da der Vorverkauf bereits durch ist. Wir sollen einfach zur Calle Isla de Flores gehen, in der die Parade stattfindet, und schauen dass wir dort einen Stuhl erwerben können für den Abend. Preise sollen bei etwa 10€ liegen. Alternativ hat die Verkäuferin uns vorgeschlagen einen Balkon oder eine private Terasse zu mieten, die an der Straße liegt, um die Parade von oben aus zu verfolgen. Netterweise rief sie einen Verkäufer von einer Seite ähnlich zu ebay Kleinanzeigen für Uruguay an und präsentierte uns das Angebot für Balkon inkl. Getränke und Bad für 75 USD pro Person. Wir lehnten dankend ab und versuchten es später mit den Stühlen auf der Straße. Den nächsten Preis Schock erlitten wir im Supermarkt, den wir besuchten da wir in Montevideo kochen statt Essen gehen wollten, um Geld zu sparen. Randnotiz in der Retroperspektive: Wir haben jeden der sechs Tage sehr lecker und von vielen Gästen beneidet gekocht und im Hostel gegessen. Es war natürlich viel Pasta dabei. Aber zurück zum Supermarkt- alle Preise waren mindestens auf dem Deutschen Niveau. Wir kauften die sechs Tage lang immer nur das aller günstigste ein was wir fanden. Wie damals zu Beginn des Studiums bei Penny. So gab es dann Abends Pasta in einer frischen Tomatensauce mit runder (!) Zucchini, Zwiebel, Petersilie und Aubergine sowie von einem italienischen Pasta Laden gegenüber, der leider sehr sonst teuer war, einen günstigen, frischen Parmesan für 1€. Nach der Stärkung waren wir wieder fit genug für eine Auseinandersetzung. Es ging darum was wir mitnehmen zum Straßenkarneval und was wir aus Sicherheitsgründen eher im Hostel lassen. In erster Linie ging es um die etwas klobige Kompaktkamera. Letztlich taten wir sie in meine Hosentasche mit Reißverschluss, was sicherlich schlecht für die Kamera ist, aber insgesamt eine gute Lösung. Sehr angespannt gingen wir eine Stunde vor Beginn zwei Straßenblocks weiter, dahin wo der Karneval entlang laufen sollte. Schnell erkannte Franzi, dass die Lage doch recht entspannt war und beruhigte sich so. Ich war durch Franzis zunächst sehr unsichere Einstellung zur Lage, die sie im Hostel hatte und ihre nun plötzliche Entspannung sehr irritiert und reagierte dann manchmal in der Folge etwas übersensibel. Hier müssen wir uns beide weiterhin verbessern. Bisher hatten wir zum Glück keine echten Sicherheitsvorfälle auf unserer Reise. Nachdem wir auf der Straße drei unterschiedliche Sicherheitsleute und Verkäufer gefragt hatten, fanden wir einen Verkäufer, der noch zwei Plätze auf zwei benachbarten Stühlen für uns hatte. Es war zwar nicht auf der Tribüne aber wir dachten uns besser als am Ende gar kein Karneval. Die Tickets kosteten auch wie erhofft nur knapp mehr als 10€ pro Person, so dass unsere Entscheidung gegen einen eigenen Balkon nochmal bestätigt wurde. Die Tribünen standen auf beiden Seiten der Kreuzung, wo Platz für sie war, entlang der relativ engen Straße standen auf beiden Seiten 2 bis 3 Stuhlreihen aus billigen Holzstühlen. Da wir Durst hatten und es noch nicht losging, holten wir noch Wasser und Mate aus dem nahe gelegenen Hostel und waren rechzeitig wieder da. Gegen 8 Uhr abends kamen dann die ersten Teile des Umzugs an uns vorbei zeitgleich mit einem wunderbar roten Abendhimmel hinter den ankommenden Karnevalisten. Nach den ersten Gruppen und Wagen war bereits klar, dass der Karneval in Montevideo politischer ist als der in Encarnación. Neben großen Politikerfiguren, wie man sie aus dem Rheinland kennt, liefen unter anderem auch die schweigenden "Schwarzen Frauen" durch die Straße, die gegen eine Besetzung Israels des Palästinenserlandes sind, wie wir später durch googeln erfuhren. Allerdings hielt diese interessante Vielfalt nicht lange an, wie wir schnell erfahren mussten. Nach den ersten 6 von ca. 25 Karnevalsgruppen hofften wir auf viele unterschiedliche Eindrücke in den nächsten Stunden. Bis die siebte Gruppe an der Kreuzung starten durfte, die auch gleichzeitig der Beginn der Parade war, dauerte es dann aber fast noch 45 Minuten. Das einzige was in dieser Zeit passierte, war dass sich die Plätze mehr und mehr füllten. Nicht in dieser Zeit auf Klo zu gehen war eine Fehlentscheidung wie sich später herausstellte. Wir beobachteten in der Zwischenzeit noch ein Päarchen auf der anderen Straßenseite, das sich einen Joint nach dem anderen reinzog. Seit einigen Jahren ist der Kauf oder das Züchten von Cannabis bis zu einer gewissen Menge für Uruguayer im eigenen Land erlaubt. Wie es scheint wird das auch viel genutzt. Doch dann endlich bewegte sich die nächste Karnevalsgruppe auf uns zu. Sie begann mit einem Mann, der ein großes Banner mit dem Namen des Karnevalvereins drauf präsentierte, in dem er es wie einen Lenkdrachen zur linken oder rechten Straßenseite zog. Daraufhin folgten einige Fahnenschwenker, die zumeist riesige Fahnen mit Bildern und Botschaften im Laufen schwenkten. Ein Highlight für alle Zuseher war, wenn die Fahne knapp über die Köpfe der Zuseher geschwenkt wurde. Alle versuchten dann mit dem ausgestreckten Arm die Fahne zu erreichen. Franzi konnte zunächst nichts mit dieser Praxis anfangen, ging später jedoch zum freudigen Mitmachen über. Auf die Fahnenschwenker folgten drei Leute die Sonne, Mond und einen Stern präsentierten. Alle Kostüme, Fahnen, Himmelskörper und Banner bisher waren in den Farben des Vereins gehalten. Entsprechend farblich passend folgten dann die Tänzerinnen, die wie in Encarnación, auf ihren Hüftschwung bedacht waren. Sie liefen hier aber sehr systematisch in einer Formation wie ein Heer auf dem Schlachtfeld. Zwischenzeitliches Posieren für fotografierende Zuseher war aber drin. Während des Auftritts der Tänzerinnen erhellten mehrfach Rufe von hinter uns, mit Inhalten wie "Eso, eso, eso!" oder auch bloß für uns Unverständlichem. Offensichtlich ein intensives Anfeuern einer etwas fülligeren, älteren Dame aus der Stehreihe hinter uns, zu dem sie teilweise auch selber noch die Hüfte mit schwang. Nach den Tänzerinnen kam der wohl interessanteste Teil des Umzugs. Einige ältere oder älter gekleidete Paare afroamerikanischer Herkunfts tanzten zu zweit die Straße entlang. Sie im hübschen Kleid sah recht normal aus, er jedoch trug Weihnachtsmannbart, einen Koffer aus dem Kräuter herausragten und einen Stock und tanzte als würde er gerade vorne über kippen und sich gerade noch mit einem Stock aufhalten. Da er dies in kurzen Abständen wiederholte, seine Kameraden es ihm teilweise gleich taten und er dabei lächelte, musste es sich wohl um Absicht handeln. Nach den (vermeintlichen) Senioren folgten ein paar männliche Stockkünstler, die einen farblich passenden Stock herumwirbelten oder auf Mund oder Hand balancierten. Teilweise sehr anschaulich, teilweise aber auch öde. Schließlich folgten einige nahezu nackte, zumeist afroamerikanische Tänzerinnen, die sehr hübsch mit Goldkettchen o.ä. behängt waren und sich galant bewegten. Das ganze sah man mit einem lauten Dröhnen im Ohr, da direkt hinter den Damen eine Armee an Trommlern, die ebenfalls in disziplinierter Formation und mit farblich passenden Masken entlangstapfte und wild auf ihre Instrumente einschlug. Hierbei handelte es sich um die sogenannten Candombe Trommler, welche aus Uruguay stammen unter dem Einfluss von als Sklaven in Amerika angekommenen Afrikanern. Als die Trommler vor einem lang liefen, war es schon ein sehr lautes aber klangvolles Getöse. Viele blickten einen mit intensiven umschminkten Augen an. Zum Abschluss des Vereins lief eine große, straßenbreite Wand mit einer Botschaft oder einem Bild hinterher. Meistens tanzten einige Zuschauer mit ordentlich Hüftschwung dem Abschlussbild hinterher. Wir waren davon aber sehr weit entfernt mitzumachen. Eigentlich klingt das ja sehr spannend, exotisch und interessant, nicht? Der Haken war jedoch, dass die folgenden 20 Vereine in den nächsten 4 Stunden vom Ablauf her exakt das selbe präsentierten. Lediglich die Menge der Teilnehmer, die Farben und das Aussehen der Kostüme und die Botschaften unterschieden sich. Die letzten 5 Vereine ( ca. 1 Stunde) musste ich Franzi schon sehr intensiv wach halten. Fairerweise muss man sagen, dass viele andere Zuseher auch schon gegangen waren. Highlights im weiteren Verlauf des Abends waren dann neben dem Bewundern der weiteren Vereine, der Gang hinter der letzten Stuhlreihe durch die stehenden Leute zur Toilette, bei dem man immer mit den Wertsachen aus der Hosentasche, also u.a. der Kamera, am Stuhl vor einem festhing. Außerdem war eine Tänzerin auf einer riesigen Spinne, die sich durch ihren Wagen im wahrsten Sinne des Wortes von den anderen abhob (siehe Video) ein Highlight und auch ein kleiner Junge im Publikum, der manchmal sehr niedlich auf seine eigene Miniaturtrommel haute. Für den letzten Verein tat es mir etwas Leid. Einige Tänzerinnen wurden von bereits offensichtlich betrunkenen Männern angetanzt, gingen aber sehr professionell sowie zurückweisend damit um, die Aufmerksamkeit des Publikums war bereits weitesgehend verschwunden, wenn nicht sogar das Publikum selber. Das übrige Publikum tanzte dem letzten Verein euphorisch die Straße hinterher nach links, wir gingen in diesem Moment relativ nüchtern nach rechts zurück ins Hostel. Die Desfile des Llamdas, die wir beobachtet haben, ist nur ein Teil des Karnevals von Montevideo, der insgesamt wohl der längste in ganz Südamerika ist. Der Umzug der Vereine ist sehr kompetetiv, jedoch befassen sich alle Vereine mit der Musik, die die Afrikanischen Sklaven, die Portugal nach Amerika holte, mitbrachten oder entwickelten. Diese Art des Karnevals ist in Uruguay sehr populär. Ich fand das Setting in einer engen Gasse der Stadt sehr cool, auch durch die Nähe zum Umzug, die dadurch erzeugt wurde. Allerdings fand ich den Umzug durch die mangelnde Abwechslung der Parade nicht so unterhaltsam wie den Karneval in Encarnación. Auch die Vorzüge des Sambodromos mit leicht zu erreichenden Toiletten sowie Essens- und Trinkständen vermisste ich auf dem Holzstuhl in der Isla de Flores von Montevideo. Nichts desto trotz ist und bleibt Karneval in Südamerika ein buntes, positives Abenteuer, auch an diesem Freitagabend in der uruguayischen Hauptstadt.
Der Samstag startete mit dem ersten upgegradeten Frühstück. Auf dem Menü gab es getoasteten Toast, Dulce de Leche (wie überall), ein Grapefruit Gelee, eine Marmelade sowie Butter. Wir hatten uns am Vortag Mortadella, Tomate und Käse besorgt und hatten nun ein richtig leckeres Frühstück. Den Vormittag nutzten wir dann tatsächlich mal zum entspannen ehe wir uns gegen 3 Uhr rasch fertig machten, um an einer Free Walking Tour teilzunehmen. Es hatten sich um 4 Uhr schon einige andere Touristen, die meisten in unserem Alter, auf der Plaza Indepedencia eingefunden und um die beiden rot gekleideten Guides versammelt. Wir liefen dem Englisch sprechenden Rodrigo hinterher, während die andere Gruppe auf Spanisch durch die Stadt tourte. Auf der Plaza Indepedencia steht ein großes Reiterdenkmal für José Artigas, den Nationalhelden Uruguays. Er hat maßgeblich zur Unabhängigkeit Uruguays von Spanien beigetragen zusammen mit seiner Gruppierung den 33 Orientalen. Diese 33 Männer sind auch der Grund warum der Staat mit ROU abgekürzt wird- República Oriental del Uruguay. Wesentlich aktueller ist der Regierungssitz des Staates, der ebenfalls an der großen Plaza steht. Weitaus spektakulärer jedoch ist der Palacio Salvo, ein riesiges Hotel von der vorletzten Jahrhundertwende, das einmal das höchste Gebäude Südamerikas war. Es stand sogar mal ein Leuchtturm auf dem Dach- warum auch immer- und die Wohnungen und Gewerberäume blieben lange leer stehen, da sie niemand kostendeckend nutzen konnte. Nach ein paar Schritten durchquerten wir einen steinernen Torbogen, der einmal Teil der kurzzeitig genutzten Stadtmauer Montevideos war. Nicht viel weiter steht das Teatro Solís, das ursprünglich als Lounge für die reichen Businessleute der Stadt angelegt wurde, heute jedoch tatsächlich ein Theater ist. Rodrigo sagte, dass es zwar von der Akustik und Größe nicht mit dem großen Bruder Teatro Colón auf der anderen Seite des Río de la Plata mithalten könne, dafür aber wesentlich gepflegtere Toiletten habe! Im Folgenden erfuhren wir noch einiges über das Land an sich und seine liberalen Gesetze. Es gilt die Religionsfreiheit in Uruguay. Das heißt gegenüber den anderen Staaten Lateinamerikas muss kein Politiker auf die Bibel seinen Amtseid schwören. Trotzdem ist knapp die Hälfte der Einwohner katholisch. Das Marihuana Gesetz hatte ich ja bereits angesprochen. Darüber hinaus wurde auch die Ehe für homosexuelle Paare in den letzten Jahren eingeführt sowie ein Abtreibungsgesetz, dass es uruguayischen Schwangeren ermöglicht bis zur 12. Woche der Schwangerschaft diese abzubrechen. Weniger erfreulich war die Geschichte der Eingeborenen Uruguays. Im Norden lebten wie im heutigen Paraguay, Brasilien und Argentinien die Guaraní und im Süden die Charrúa Indianer. Diese bekämpften die Spanier zunächst hart und wurden dann selber von den Spaniern und deren Krankheiten niedergestreckt. Insgesamt war das Gebiet am Río de la Plata aber wohl nicht so stark bevölkert bevor die Europäer kamen. Trotzdem ist es sehr traurig, dass die indigenen Ursprünge hier fast komplett zerstört wurden. Auf dem Weg zum Mercado del Puerto, dem Ende der zweistündigen Tour, kamen wir noch an einigen Cannabis Shops vorbei, die vermutlich Clubs sind denen man beitreten kann, um den Nutzen von den bis zu 99 Pflanzen, die in Clubs angebaut werden dürfen, zu haben. Der Mercado del Puerto erinnert etwas an die Fischauktionshalle, schon alleine durch seine Hafennähe. Nach einigem Suchen beschlossen wir nicht unser Geld in einem der vielen Parillas (Steakrestaurants) zu lassen sondern unsere Pasta vom Vortag mit einem neuerlichen Salat aufzuwärmen und -werten und den Abend im Hostel zu genießen. Während des Essens unterhielten wir uns noch mit einigen Hostelbewohnern, die drauf und dran waren den zweiten Abend des Karnevals zu besuchen. Uns konnten sie davon aber nicht überzeugen. Einer von ihnen ist ein Komponist aus Berlin, der bei Warner Brother Music angestellt ist und Melodien liefert, die dann in Songs von Interpreten verwendet werden. Er lieferte zuletzt die Melodie für Bausas´ "Was du Liebe nennst", das in Deutschland rauf und runter im Radio lief als wir noch da waren. Jedes Jahr im Januar und Februar entspannt er dann 2 Monate in Uruguay auch um sich neu zu inspirieren. Und natürlich um viel zu kiffen. Sehr spannend war auch ein über 50 Jahre alter Australier, der viel zu erzählen hatte, damit aber auch leider nicht mehr aufhörte.
Den nächsten Tag fingen wir erneut entspannt an mit Frühstück und Swimming Pool. Wir trafen beim Frühstück Paula und Raymundo, ein Päarchen aus Chile mit denen wir uns auf Anhieb sehr gut verstanden und die uns etwas vom Redeschwall vom erwähnten Barry aus Perth befreiten. Besonders krass war Paulas Geschichte wie sie durchgeschlafen hat als ein Erdbeben große Teile ihrer Heimatstadt Concepcion zerstörte inkl. zerbrochener Brücken und Häuser. Vielleicht sehen wir die beiden in Cabo Polonio nochmal wieder, dort planen sie nämlich auch noch einen Teil ihres Urlaubs zu verbringen. Im Anschluss an das Gespräch sprang Franzi glücklich in den sehr grünen Swimming Pool. Ich folgte ihr zögerlich. Nach einigen vergnüglichen Minuten wurden wir von Miranda wieder aus dem Pool beordert. Es befinden sich gerade irgendwelche Chemikalien im Pool, bei denen man besser nicht baden sollte. Nach dem Abduschen schmiedeten wir Pläne für den Tag. Wir beschlossen das auf Atlas Obscura (Danke Jacob für den Tipp mit der Website) empfohlene Fortaleza zu besuchen. Es befindet sich auf der anderen Seite der Bucht von Montevideo umgeben vom Stadtteil Cerro auf einem Hügel. In der Freewalkingtour haben wir von Rodrigo gelernt, dass Montevideo die sicherste Hauptstadt Lateinamerikas sei und man überall rumlaufen kann. Dennoch fragten wir Miranda, ob eine Fahrt mit dem Bus ins relativ weit entfernte Fortaleza zu empfehlen sei. Miranda meinte: "Der Stadtteil Cerro ist sehr, sehr, sehr gefährlich". Sie würde dort nicht einfach rumlaufen. Daraufhin nahmen wir dann doch ein Uber dorthin und auch der Fahrer des Ubers bestätigte, dass der Stadtteil nicht sehr gut sei. Beim Durchfahren wirkte er arm aber nicht gefährlich, aber im Auto ist das natürlich auch schwer einzuschätzen. Angekommen auf dem Hügel genossen wir erstmal den Blick über die Bucht von Montevideo mit der Stadt im Hintergrund im angenehmen Schatten der Festung. Neben dem Palacio Salvo, entdeckten wir weit entfernt von der Stadt noch eine große, rote Basilika am Horizont und begutachteten die im Vergleich zu Hamburg kleinen Hafenanlagen in der Bucht sowie zwei Inseln in dieser. Eigentlich waren wir vor allem für den Ausblick gekommen, der von einem bunten Montevideo Schriftzug noch ergänzt wird, allerdings interessierten wir uns dann auch für die Ausstellung, die das Fortaleza vorzuweisen hat. Es ging darin vor allem um die Zeit 1650 bis 1850, in der am Río de la Plata viele kriegerische Auseinandersetzungen stattgefunden haben. Franzi begutachtete vor allem die physischen Relikte dieser Zeit in Form von Gewehren, Pistolen, Uniformen, Fahnen und Kanonen. Ich interessierte mich für die spanischen Texttafeln und verstand wieder einiges aber sowohl Sprache als auch Gedächtnis veranlassen mich dazu hier zu schreiben, dass etwaige Textbeiträge zu Uruguays Geschichte ohne Gewähr sind. Im Groben haben die Spanier im 17. Jahrhundert mit Buenos Aires einen Stützpunkt am Río de la Plata gehabt, der dazu diente das Silber und Gold aus dem südamerikanischen Hinterland nach Europa zu verschiffen. Allerdings wurde die strategisch günstige Position am riesigen Flussdelta immer deutlicher und spätestens durch die päpstliche Benachteiligung Portugals gegenüber Spanien von einem spanischen Kirchenoberhaupt nahmen die Portugiesen die Dinge selber in die Hand. Sie errichteten die Stadt Colonia del Sacramento gegenüber von Buenos Aires, um mehr Kontrolle über das Gebiet zu erlangen. Darauf wiederrum errichteten die Spanier Montevideo, um die Portugiesen in Colonia einzukesseln. All das war zu Beginn des 19. Jahrhunderts obsolet, da die durch Napoleon geschwächten Iberer in Südamerika von den Briten attackiert wurden, die auch die Vorzüge des Río de la Plata für sich nutzen wollten. Nach der Eroberung der Gebiete konnten sie jedoch keinen Fuß in der Region fassen. In all dieser Unordnung setzten sich schlussendlich die Unabhänhigkeitskämpfer um die 33 Orientalen durch, die nicht nur Uruguay befreiten sondern auch die Argentinischen Gebiete zwischen Río Paraná und Río Uruguay sowie Rio Grande do Sul im Süden Brasiliens. Dadurch hat auch die Festung von Montevideo schon viele Inhaber gesehen in seiner kurzen Existenz.
Nach all den Informationen ließen wir uns vom Militärmenschen, der das Museum an diesem Tag betreute, ein Taxi rufen und uns zum Playa Ramirez auf die andere Seite von Montevideo fahren. Am vollen Strand ging gerade die Sonne unter als wir erstmals einen Fuß in den Río de la Plata setzten. Der nicht tiefer werdende Strandabschnitt verleitete uns dazu im hüfthohen Wasser zu bleiben, um unsere Wertsachen im Blick zu behalten. Nach der Erfrischung ging es mit einem Uber zurück zum Supermarkt, wo wir Süßkartoffeln, Kürbis, Hähnchen, Rote Beete und Salat kauften. Abends gab es dann all diese Zutaten, außer den Salat, aus dem Ofen gewürzt mit reichlich, hier sehr günstigem, Oregano. Wirklich einmal mehr ein sehr leckeres Essen für das wir sehr beneidet wurden.
Am nächsten Morgen wurde der Beschluss gefasst Montevideo nach langem Aufenthalt wieder zu verlassen. Im hochmodernen und mit einem Shopping Center verknüpften Bus Terminal Tres Cruces kauften wir unsere Tickets nach Cabo Polonio für den übernächsten Tag. Danach ging es zum einzigen Denkmal, das die FIFA je ausgerufen hat: Dem Estadio Centenario, benannt nach seiner Eröffnung 1930, die genau 100 Jahre nach der Unabhängigkeit Uruguays stattfand. Der gewiefte Fußballkenner weiß, dass Uruguay damals den Titel als Gastgeber auch gleich behielt und erstmaliger Fußballweltmeister wurde. Mir persönlich war aber nicht klar, dass nur sehr wenige Teams teilnehmen und vor allem viele Europäer zuhause blieben, da sie boykottierten, dass die erste WM außerhalb von Europa stattfand. Wesentlich legendärer jedoch ist der WM Triumph der "Celeste" 20 Jahre später im Maracaná, der Heimstätte der Brasilianer in Rio de Janeiro, gegen eben jenen großen Nachbarn. Diesen beiden Triumphen wird mit vielen Bildern, Originalplakaten und -fußballschuhen sowie -bällen und einigem mehr gehuldigt. Besondern interessant sind unzählige Pokale, die sich auf eben jene WM Erfolge beziehen. Es sieht so aus als würde jeder Verband dem Weltmeister noch einen Pokal schenken, der dessen WM Erfolg bezeugt. Ganz verstanden habe ich es leider nicht. Ebenfalls interessant und von mir nicht gewusst, ist dass die Uruguay Mannschaft von 1930 zuvor schon zweimal olympisches Gold in Paris und in Amsterdam 1924 und 1928 geholt hatte. Es war also wahrlich eine goldene Ära im Fußball für das Land am Atlantik. Das Markenzeichen des Stadions selber, das meines Erachtens nach sehr an das Olympiastadion in Berlin erinnert, welches ja in einer ähnlichen Zeit entstand, ist der Turm, der aussieht wie eine schmale, hohe Ehrentribüne aber wohl an etwas erinnern soll, was sich uns aber nicht entschloss. Derzeit ist es ein großes Thema in Uruguay, ob sich das Land für die WM 2030, also 100 Jahre nach der ersten WM und 200 Jahre nach der Unabhängigkeit, bewirbt und was dann mit dem Estadio Centenario passiert. In der Form wie es heute existiert, ist es wohl nicht fit genug für eine Fußballweltmeisterschaft. In diesem Stadion trifft auf jeden Fall Vergangenheit und Gegenwart und Zukunft.
Nur mit der Vergangenheit beschäftigten wir uns am darauffolgenden, letzten Tag in Montevideo. Im Museo de los Andes wird der Flugzeugabsturz einer Uruguayischen Militärmaschine in den Anden auf dem Weg von Montevideo über Mendoza nach Santiago thematisiert. An Bord befand sich eine Rugbymannschaft voller gerade volljähriger Männer aus reichen Familien. Die weiße Maschine ging jedoch im schlechten Wetter der Anden vom Radar verloren und wurde 10 Tage lang im Schnee der Anden vergeblich gesucht. Tatsächlich überlebte gut die Hälfte der Passagiere den Absturz und lebte fortan in dem Wrack der Maschine. Während die Hoffnung auf ihre Rettung noch lebte, rauschte eine Lawine in das Flugzeug, die weitere Überlebende des Absturzes begrub. Die Übrigen erfuhren später über ein Radio davon, dass nicht mehr nach Ihnen gesucht wird. Folglich entwickelte sich eine Gesellschaft in den Bergen, in der jeder Aufgaben des täglichen Überlebens übernahm. Nach einigen weiteren Wochen, nach denen viele Überlebende schon sehr abgemagert waren und die Lebensmittel von der Maschine aufgebraucht waren, beschlossen die Überlebenden die sterblichen Überreste ihrer Freunde und Bekannten zu essen. Diese sehr krasse Entscheidung sowie der Flugzeugabsturz an sich werden intensiv und ausführlich in der Ausstellung dargestellt. Nach über zwei Monaten machen sich zwei der Überlebenden mit letzter Kraft auf über die Anden um Hilfe zu suchen. Nach zehn Tagen treffen sie einen Hirten, der ins nächste Dorf reitet und die Information weitergibt. In Folge dessen werden die restlichen für tot geglaubten Menschen tatsächlich noch von der chilenischen Luftwaffe gerettet und das nach über zwei Monaten in einer sehr unwirtlichen Landschaft. Sie stellen sich der Presse und werden bewundert. Der Kannibalismus wird von fast allen Menschen und Medien in der Ausstellung als verständlich bewertet, lediglich die BILD Zeitung titelte, dass Bonzenkinder aus Montevideo in den Bergen ihre Freunde auffressen. Meiner Meinung nach sehr unangebracht und bezeichnend für die BILD Zeitung. An der Kasse trafen wir auch wieder eine Ahnin Deutscher Einwanderer, die noch sehr gut Deutsch sprach. Ähnlich unserem Freund aus Paraguay waren wir aber nicht wirklich auf einer Wellenlänge mit ihr. Gerade unsere Entscheidung zu kündigen und zu reisen, schien ihr zu missfallen. Da das gesamte Thema des Absturzes und den Folgen sehr offen und mit unterschiedlichen Facetten und Darstellungsformen präsentiert wird, ist der Besuch des Museums sehr bewegend. Franzi recherchierte auch Tage danach noch zu dem Thema, da es sie nicht mehr loslies.
Wir mussten jedoch loslassen und bereiteten uns auf unseren Bus um 10 Uhr morgens am nächsten Tag vor. Endlich mal eine angenehme Reisezeit. Franzi badete morgens nochmal im Pool des Ukelele Hostels, ich genoss das leckere Frühstück ein letztes Mal und dann ging es mit den sehr modernen und schicken Stadtbussen zum Tres Cruces. Montevideo wird als erholsamer Zwischenstop in guter Erinnerung bleiben. Vor allem das Hostel war genau richtig für unsere Bedürfnisse. Von der Stadt bleibt der Karneval und die interessanten Museen in Erinnerung. Ansonsten ist es einfach ein netter Ort am Río de la Plata.
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Lieblingskollege Jacob (Dienstag, 25 Februar 2020 14:32)
HI Timo,
gut zu sehen dass du das Leben enießt. Wir hatten gerade eine PBI Trainingssession und waren kurz davor dich anzurufen um zu fragen ob du die Masterfile nicht fertig machen willst :D Wir setzen sie zum märz aus:P
Timo (Dienstag, 25 Februar 2020 15:35)
Moin Jacob,
Das tue ich definitiv. Kann deine Südamerika Zuneigung teilen! Das klingt doch fortschrittlich, dass ihr die olle Excel endlich abschafft :D. Ich hatte mich mit deren Ende schon im Deutschen Winter abgefunden, daher lehne ich das Angebot dankend ab, falls es eines war und wünsche dir, dass du Anfanf April den Moment genießen kannst, wenn du ein letztes Mal die Mail an die Gang raussendest, den PC zuklappst und nach Hause gehst ^^. Grüß zu dem Anlass gerne nochmal alle und schreibe, dass ich auch in einem Leben ohne Masterfile einen Sinn gefunden habe ;D