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El Fútbol

Buenos Aires

Geschrieben von Timo

Nach meinem Aufenthalt in Tel Aviv im November bei dem ich mit Felix in eine River Plate Feier zum Finale der Copa Libertadores geraten bin, die einfach unfassbar geil war, war für mich klar, dass ich in Buenos Aires ein Stadion besuchen muss. Nach intensiver Recherche (inbedwithmaradona.com ist ganz gut) waren die groben Möglichkeiten klar. Von den ca. 74 Teams der obersten 7 Ligen, die aus dem Großraum Buenos Aires kommen, waren manche nicht möglich. Bei Boca kommt man unter 150€ pro Person nicht rein, River spielt leider am letzten Spieltag auswärts und manche Vereine wie San Lorenzo oder Defensa y Justicia oder Quilmes liegen in oder an Ghettos (sogenannte Villas, die es überall in der Stadt gibt), in denen es angeblich Banden auf Touristen abgesehen haben, um diese auszurauben. So blieben am Ende des Tages ein paar Optionen offen und wir nutzten 2 davon. Es war tatsächlich der letzte Spieltag in Argentinien und am Samstagabend schob sich Boca noch spektakulär an River vorbei und krönte sich durch ein Carlos Tevez Treffer gegen die Maradona Mannschaft aus La Plata zum Meister. Danach waren unzählige Boca Fans auf den Straßen unterwegs und belebten u.a. die Avenida Corrientes, in der wir uns aufhielten. Es wäre sicher unfassbar geil gewesen bei diesem Spiel im Stadion zu sein, aber auch gefährlicher und viel teurer als das was wir gemacht haben.

 

Freitagabend fuhren wir mit dem Bus erstmals aus der Capital Federal raus, also dem eigentlichen Buenos Aires, rein in die Metropolregion, genauer genommen nach La Paternal. Auf landingpadba.com sind alle Barrios gerankt nach Gefährlichkeit und La Paternal entsprach nach unserer Ankunft der Rating. Eine sehr ruhige sogar ganz schicke Nachbarschaft scheint es zu sein. Vielleicht so ein bisschen wie Eilbek z.B. Nur dass es hier ein Stadion für 26.000 Leute gibt. Wir fanden es allerdings nicht ad hoc sondern verliefen uns zunächst, auch weil 1 Stunde vor Anpfiff dem Staddtteil noch nicht anzumerken war, dass hier bald ein Spiel stattfindet. Nach einigem rumlaufen, fanden wir schließlich das Stadion, das mehrere Blocks vorher schon abgesperrt war. Wir mussten es für die Kassenhäusschen leider nochmal großräumig umlaufen, wie uns die netten Sicherheitsleute und Polizisten erklärten. An der Kasse gönnten wir uns die besten Plätze im Platea, also auf der Haupttribüne, für 1500 Pesos (Ca. 17 €) p.P. Es gab danach mehrere Kontrollen, erst von der Polizei, dann von Sicherheitsleuten und danach die Ticketkontrolle. Franzi wurde nicht mal berührt, nach der Bejahung der Frage ob wir Ausländer seien und ich ganz kurz kontrolliert. Dann gings schon rein in das schöne , alte Betonstadion Diego Armando Maradona, benannt nach dem Mann, der hier einst seine Karriere begann. Auch Bilder von anderen Legenden des Vereins hingen hier wie Sorin (mal beim HSV gewesen), Cambiasso (danke nochmal für den verschossenen Elfmeter), Riquelme (mein Kindheitsheld), Biglia, Collochini und einigen mehr. Wir holten uns noch ein Wasser (Alkohol ist in und um das Stadion verboten) und waren dabei die einzigen in der Schlange. Hinein ins Stadion stellten wir fest, dass 15 Minuten vor Anpfiff schon die meisten Plätze belegt waren. Da freie Platzwahl war, setzten wir uns schnell auf 2 Plätze nebeneinander auf Höhe der Mittellinie, leider in der ersten Reihe direkt im Durchgang und hinter dem Geländer. Trotzdem hatten wir auf alles was nicht durch das Geländer abgedeckt war einen guten Blick, u.a. auch auf Maradona höchstpersönlich. Okay nicht der Mensch, aber eine überdimensionale Luftpuppe von ihm, der als Spielertunnel genutzt wurde. Dann gings auch zügig los mit dem Spiel und ab dem Moment wurde von der anderen Seite von den Stehplätzen, wo offensichtlich die Ultras standen, angefeuert. Unterschiedliche Gesänge wurden angestimmt und manchmal sang auch unsere Tribüne mit. Die Melodien waren genau die selben wie bei River, nur mit anderen Texten hoffe ich. Hinter den Toren war die Stimmung nicht so gut, auf der einen Seite stand nämlich keiner und auf der anderen war gar keine Tribüne. Doch dann der Schock- Rosario erzielt das erste Tor und geht in Führung. Doch es war ungewohnt. Man hörte nichts. Nur die Argentinios Junior Ultras, die weiter sangen. Warum? Weil es keine Auswärtsfans gibt. Kein Torjubel, keine Feier. Eine weitere Sicherheitsmaßnahme der argentinischen Liga. Durchaus berechtigt, wenn man sich an den Versuch erinnert der Copa Libertadores Finale 2018 zwischen Boca und River in BA auszurichten. So ging es einfach weiter und die Stimmung wirkte auch weitesgehend ungetrübt. Kein Wunder die Argentinios spielen eine super Saison und sind vor dem Spieltag sechster von 24 gewesen. Und auch in diesem Spiel bestätigte sich ihre Klasse. Sie gewannen mehr und mehr Kontrolle, glichen durch einen Standard aus und vollendeten in der zweiten hälfte eine Flanke mit einem schönen Volleyschuss zum 2-1 Endstand. Torschütze Fausto Vera ist erst 19 und wirkte so als könnte der Bayer Leverkusen Scout bereits ein Auge auf ihn geworfen haben, so dass wir ihn bald auch in der Bundesliga sehen. Ist natürlich nur eine blinde Vermutung ;). Nach dem Spiel gingen wir entspannt zur Hauptstraße zurück und nahmen den Bus nach Hause. Keine Gewalt, ganz entspannt. Ein sehr cooler Stadionbesuch.

 

Am nächsten Tag nahmen wir den Zug von Constitución nach Banfield, wo der gleichnamige Verein ein Heimspiel gegen Hurracán hatte, die ebenfalls aus dem Großraum BA kommen. Ich konnte den Zug mit der SUBE Karte betreten, die wir für alle öffentlichen Verkehrsmittel nutzen (Danke Dome und Charlie! :)), füfr Franzi mussten wir ein etwas teureres Ticket kaufen, da sie eine eigene SUBE Karte benötigt hätte. Beide Beträge waren jedoch unter einem Euro. Wir nahmen einen schicken, vollen Zug mit vielen Plätzen für alte Leute und Schwangere (es fällt allgemein auf, dass man viel für Bedürftigere Leute Platz macht, ich wurde auch schon im Bus angesprochen) und stiegen aus, wo die Zuganzeige Banfield anzeigte. Leider hörten wir nicht auf den Schaffner, der laut Lanús schrie. Die Anzeige war nämlich falsch und wir waren eine Station zu früh ausgestiegen. Da es schon 45 Minuten vor Spielbeginn war und wir noch 15 Minuten zum Stadion laufen mussten und Tickets kaufen mussten. So saßen und bangten wir auf dem Bahnsteig von Lanús bis endlich der nächste Zug kam. 5 Minuten später waren wir in Banfield und eilten zum Stadion. Dort kauften wir für 1100 Pesos pro Person (ca. 13 €) die besten Plätze auf dem Platea und betraten mit einem Wasser und einer Cola Sekunden nach Anpfiff das Stadion. Einige genervte Zuseher schoben uns weiter, als wir unsere Plätze ausfindig machen wollten, da bereits die erste Banfield Flanke in den Strafraum flog. Jedoch verpasste der Stürmer den Kopfball knapp. Wir beschlossen einfach zwei freie Plätze zu nehmen, die zwar ein Schildchen mit dem Dauerkartenbesitzer draufgeklebt hatten, aber der war offensichtlich nicht anwesend. Auch viele Plätze drum herum waren frei. Das Stadion wirkte deutlich größer, auch weil es vier Tribünen hatte. So wirkte es allerdings auch viel leerer als das Estadio Diego Armando Maradona, da bestimmt nicht viel mehr Zuseher da waren als am Abend davor. Hinter dem einen Tor waren die Ultras, die wie bei den Juniors vertikale Banner gespannte hatten und darauf ihre großen, horzontalen Spruchbänder platzierten. Unter dem ganzen Textil sangen und sprangen sie 90 Minuten lang mit kräftiger Unterstützung der Trommler und sogar mit einem Blasinstrument. Ab und an stieg dann auch das weite Rund in den Gesang ein, allerdings nicht häufig. Ein Grund dafür war, dass nach der ersten Szene das Spiel von Banfield von Fehlpässen im Mittelfeld geprägt war. Es dauerte nicht lange bis diese Szenen vomn den Rängen mit Pfiffen kommentiert wurden. Neben uns saßen unterschiedlichste Pöbler, die ihrer Unzufriedenheit Ausdruck verliehen. Der breitbeinige, junge Pöbler saß über 2 Plätze und 2 Reihen und chattete meistens auf dem Handy, wenn mal etwas auf dem Platz gelang. Wenn jedoch ein Fehlpass kam, sprang er auf und beleidigte seine Mannschaft aufs übelste. Ein etwas älterer Herr rechts neben uns hatte es vor allem auf den Schiri abgesehen und sprang oft auf, um eine Karte zu fordern und diesen zu beleidigen. Der dickere Mann vor ihm wirkte oft so als wollte er die Taten seines Hintermannes imitieren.  Und dann war der noch der einsame, alte Mann, der mit offenem Mund da saß und verzweifelt wirkte und garnichts sagte oder machte. Nachdem es mit 0-1 in die Kabine ging, gab es ein gellendes Pfeifkonzert von den Rängen. Einzig die Ultras feierten weiter, wenngleich sie sich nicht so sehr für das Ergebnis zu interessieren schienen. Dieses stand auch nirgendwo im Stadion geschrieben. Zur zweiten Hälfte hatte der Meister von 2009 eine richtig gute Anfangsphase mit guten Kombinationen und Torabschlüssen mit der Chance zum Ausgleich gegen Hurracán, die sogar noch tiefer im Tabellenkeller stehen. Allerdings war der Support des allgemeinen Pöbels nicht da, das Vertrauen schien bereits zuvor verloren gegangen. Stattdessen wurde weiterhin bei jedem, der jetzt weniger gewordenen Fehler, gepfiffen. Auch ausd Gründen des Karmas erzielte Hurracán daraufhin mit einem schönen, direkten Freistoß das 2-0 und nachdem Banfield alles nach vorne warf auch noch gegen wenig Verteidigung mit einem Konter das 3-0. Zuschauer verließen ab der 80. Minute das Stadion oder waren einfach resigniert. Nur die Ultras sangen. Das schönste war der helle Mond über dem Stadion und der rosa-rot gefärbte Himmel. Zum Abschluss verließen die Spieler friedlich durch einen handbohrerförmigen Spielertunnel das Feld.

 

Was bleibt vom Fußball in Argentinien. Die Ultras machen gut Stimmung, wie die River Fans in Tel Aviv. Wie sonst auch überall ist der Rest des Stadions aber eher schweigsam oder pöbelt und klatscht höchstens. Leider waren auch beide Stadion nicht besonders voll. Ich vermute River und Boca sind wirklich die Speerspitze des argentinischen Klubfußballs und dahinter fällt es von Fanszene und Spielqualität deutlich ab. Nichts desto trotz hat es Spaß gemacht und war ein besonderes Erlebnis. Mich erinnerte es oft stark an London, das ebenfalls riesig ist, super viele Profi- Klubs hat, die sich auf die unterschiedlichen Stadtteile verteilen und alle ihre kleinen Stadien und Fanszenen haben. Vielleicht nehme ich dann irgendwann nochmal etwas Geld zur Hand und besuche noch ein Boca oder River Spiel, was sicherlich nochmal ein anderes Erlebnis wäre.

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