· 

Wanderer und Gendarm

Humahuaca

geschrieben von Franzi

Unser erster Eindruck von Uquía
Unser erster Eindruck von Uquía

Was für ein Tag! Wir wollten heute nach einem gemütlichen Frühstück den etwa 20 Busminuten entfernt liegenden Ort Uquía erkunden. Doch unser Timing hätte kaum schlechter sein können...

 

Als wir am Terminal ankamen, erfuhren wir, dass der nächste Bus erst in etwa einer Stunde fahren würde. So kauften wir in der Zwischenzeit noch etwas Wasser und Snacks, sowie das Busticket Richtung bolivianische Grenze für den nächsten Morgen. Zudem beobachteten wir das rege Treiben, denn es war Wahltag. Statt sich sonntägliche Ruhe im Schatten zu gönnen, waren gefühlt alle unterwegs.

Umso mehr Ruhe wurde dafür der Kirche in Uquía gegönnt. Sie war eines unserer zwei Erkundungsziele. Doch dort angekommen mussten wir feststellen, dass sie geschlossen war. Tatsächlich wegen der Wahlen, wie uns ein Herr erklärte.

 

Wir hatten auch gerade gelesen, dass wir ganz unabhängig vom Wahltag ein schlechtes Timing hatten. Am 03.05., dem Día de la Cruz, wird in Uquía der Schutzpatron San Francisco de Padua pompös gefeiert. Das hatten wir nun leider verpasst.

 

Also machten wir uns auf zu unserem zweiten Ziel, der Wanderung durch die Quebrada de las Señoritas.

Nach nur wenigen Schritten wurden wir von einer Dame treffsicher als Touristen enttarnt und darauf hingewiesen, dass auch der Wanderweg durch die Schlucht wegen der Wahlen gesperrt sei. Langsam fielen wir vom Glauben ab. Keinen Alkohol am Vorabend der Wahlen, finde ich gar nicht so blöd die Idee. Die Kirche zu schließen, etwas unnötig, aber na gut. Aber wieso sperrt man ein Stück Natur ab, um dann den Zugang ohne - für uns - nachvollziehbaren Grund zu sperren?!

 

Trotz des Hinweis' der Dame, dass die Polizei den Zugang für uneinsichtige Touristen verhindern würde, setzen wir unseren Weg fort. Wir wollten uns erst einmal selbst ein Bild von der Lage machen, bevor wir auf dem Absatz umdrehen und nach Hause zurückkehren.

Nach einigen Wegminuten lag das Eingangstor vor uns. Zugesperrt und mit einem Pappschild versehen, dass auf Spanisch die Aussagen der Frau bestätigte.

 

Wir zögerten. Einerseits waren wir eindeutig nicht befugt, die Absperrung zu missachten. Andererseits deuteten einige parkende Autos auf der abgelegenen Straße darauf hin, dass wir nicht die ersten wären, die das Zutrittsverbot ignorierten. Und der Sinn erschloss sich uns wirklich nicht. Und so gingen wir sehr zügigen Schrittes an dem Gatter und dem unbesetzten Kassenhäuschen vorbei. Erst hinter der ersten Biegung wagte ich eine kurze Pause, um meinen Hut und meine Wanderstöcke hervorzuholen.

Doch während Timo noch das "Baño natural" nutzte, erspähte ich für den Bruchteil einer Sekunde in der Ferne, am Eingang des Wanderweges, eine Person mit neongelber Jacke oder Weste. Meine Warnlichter gingen an. Das musste jemand vom Sicherheitspersonal oder der Polizei sein.

 

Also taten wir das einzig Sinnvolle: Wir hetzten strammen Schrittes davon. Bloß nicht umschauen und so tun, als ob wir niemanden gesehen hätten, lautete die Devise.

 

In weiter Ferne vernahmen wir eine Trillerpfeife. Vermutlich versuchte die Person uns so zum Umdrehen zu bewegen, da wir außer Rufweite waren. Bloß nichts hören, war der passende zweite Teil unseres Tages-Credos.

Wir nahmen uns gerade noch Zeit, entgegenkommende Touristen zu warnen, während wir auf immerhin 3.000 Metern Höhe, den leichten Anstieg im Rekord-Tempo meisterten. Ich glaube, so schnell bin ich noch nie gewandert.

 

Nach einer Weile sollte sich der Weg teilen. Rechts ging es zum sogenannten Amphitheater. Links führte ein etwas längerer Weg irgendwo anders hin. Die linke Abzweigung hatten wir eh nicht gefunden und das Amphitheater klang spannend und so hielten wir uns rechts.

 

Bald verengte sich der Weg und führte uns in eine Schlucht aus beeindruckend in der Mittagssonne leuchtenden roten Felsen.

 

Einige Wanderer rasteten im Schatten, der sonst auf dem Weg rar war. Doch wir hatten keine Zeit. Wer weiß, wie nah uns die Polizei auf den Fersen war.

 

Für den Fall, dass wenn wir eingeholt würden ein erhöhtes Eintritts- oder Bußgeld verlang würde, hatte Timo bereits den Großteil unseres Geldes - selbstverständlich im Laufen - aus dem Portemonnaie geholt und anderweitig verstaut. So könnten wir im Zweifel glaubhaft versichern, nur sehr wenig Bargeld dabei zu haben.

 

Trotz des erhöhten Adrenalinspiegels konnten wir nicht umher, die Schlucht zu bestaunen.

Als wir am Ende des Pfades angelangt waren, hatten wir gerade noch Zeit, ein schiefes Selfie zu machen. Für Optimierungen blieben keine Zeit, da sich die Schritte näherten, die wohl das Ende unseres Ausflugs bedeuten würden.

 

Und tatsächlich kam unmittelbar nach dem Foto eine kleine, außer Atem schnaubende Polizistin um die Ecke. Sie wies uns überraschend freundlich darauf hin, dass die Schlucht geschlossen sei und wir nun bitte gehen sollten. Wie verabredet taten wir beide so, als verstünden wir kein Spanisch. Ich fragte sie, ob sie Englisch könne. Timo wies mich später berechtigterweise darauf hin, dass dieser Move ja recht mutig gewesen sei, da die Wahrscheinlichkeit nicht ganz gering war, dass die Dame Englisch verstehe und spreche. Er hätte nur deutsch gesprochen. Das wäre vermutlich schlauer gewesen, doch damit wäre ich mir ziemlich unglaubwürdig vorgekommen.

 

Das Glück war jedenfalls auf unserer Seite! Sie verstand kein Wort und hatte auch keinen Empfang für den Google-Übersetzer. Nach einigem Hin und Her machten wir uns aber schließlich auf den Rückweg. Wir hatten ja immerhin gesehen, was wir sehen wollten.

Nach ein paar Biegungen kam uns eine junge Touristin entgegen. Auch sie wurde aufgehalten und wir hörten, wie sie auf die Polizistin einredete. Sie sei von weit hergekommen und wolle nur die letzten paar Meter noch sehen. 

Wir gingen weiter und hörten sie bald nicht mehr.

 

Raus aus der Schlucht sahen wir auch den ungefähren Abzweig zur alternativen Route, den wir vorher verpasst hatten. Zwei Wandergruppen kamen uns von dort entgegen. Sie schwärmten uns von den Ausblicken vor und empfahlen uns, den Weg ebenfalls abzulaufen.

Hinter uns war nichts mehr zu sehen von der Polizistin. Wir vermuteten, dass die Touristen sie entweder überredet oder bestochen hatte.

 

Eigentlich hatten wir uns innerlich längst von dem anderen Abzweig verabschiedet und wollten den Bogen nicht überspannen. Doch als nach rund fünf Minuten Bedenkzeit immer noch nichts von der Polizistin zu sehen war, schalteten wir wieder den Turbo ein und hetzten querfeldein Richtung Abzweig.

Belohnt wurden wir mit noch mehr faszinierenden Felsformationen, die zumindest mein etwas schlechtes Gewissen beruhigten.

Nach etwa einer halben Stunde Speed-Wanderung ging mir ordentlich die Pumpe und ich brauchte dringend etwas Schatten, Wasser und eine Pause. Doch Timo scheuchte mich weiter. Gleich würde eine winzige Schlucht rechts abgehen. Dort dürfe ich mich ausruhen.

Wir setzten uns in die Nische, aßen einen Apfel und tranken etwas Wasser.

Gerade als wir wieder aufbrechen wollten, hörten wir eine laute Stimme rufen.

 

"So, ihr kommt jetzt alle raus. Jeder verlässt das Tal. Keine Fotos mehr. Los jetzt!"

 

So oder so ähnlich lautete die Ansage auf Spanisch. Timo vermutete, dass die Polizistin sich ein Megafon besorgt hatte. Wir waren jedenfalls nicht sicher, wie nah oder fern sie war. Sehr sicher waren wir uns dagegen, dass uns in der engen Mini-Schlucht niemand suchen würde.

So harrten wir der Dinge und hörten, wie andere Wanderer sich auf den Rückweg machten.

 

Als alles wieder mucksmäuschenstill war, verließen wir unser "Versteck". Nun wollten wir uns aber wirklich auch auf den Rückweg machen!

Wobei... Der Weg ging nur noch ein kleines Stückchen weiter... Das würde sich doch sicher auch noch lohnen...

 

Hat es! Auf jeden Fall!

Nun hatten wir aber wirklich alles gesehen, was ohne Guide möglich war.

Es gab noch Höhlen, durch die man durchklettern konnte, doch das schien uns ohne Helm und Guide, die hier normalerweise auf Wanderer warteten, nicht sehr schlau und so machten wir uns tatsächlich auf den Rückweg.

Der war wegen der schlechten Markierungen gar nicht so leicht zu finden.

Die grobe Richtung war dank markanter Felsen zum Glück klar, doch wir liefen trotzdem einen ordentlichen Umweg, bevor wir es zurück zum Eingangstor schafften.

 

Wir fühlten uns zwar ziemlich frech, die Dame im Ort, das Verbotsschild, die Polizistin und die Durchsage allesamt ignoriert zu haben, doch wir konnten nicht umhin zu befinden, dass sich all das eindeutig gelohnt hatte!

 

Beim Tor kamen uns überraschenderweise sogar noch zwei neue Wanderer entgegen. Ein paar andere, tlw. bekannte Gesichter rasteten, bevor sie sich vermutlich an den Abstieg ins Dorf machten.

 

Die Polizistin trafen wir etwas weiter die Straße runter Richtung Dorf in ihrem Auto sitzend und den einzigen Weg zur Schlucht bewachend wieder. Zumindest vermuteten wir, dass sie es war. Wir versuchten Blickkontakt bestmöglich zu vermeiden, um einem etwaig unangenehmen Nachspiel zu entgehen.

Auf dem Abstieg bewegte uns ein einladendes Schild zu einem kleinen Abstecher in einen liebevoll eingerichteten Hof, in dem eine sehr nette Dame vielerlei Erfrischungsgetränke und ein paar Snacks anbot. Ein Smoothie mit verschiedenen Früchten, Kernen und Haferflocken war für uns genau das richtige nach diesem Abenteuer! Den Ausblick genießend fragten wir uns, ob unser Timing nun eigentlich wirklich besonders schlecht oder eigentlich besonders gut war mit dem Beginn der (gratis) Wanderung knapp vorm Eintreffen der Polizistin, dem Abschütteln der Polizistin dank der Ablenkung durch die andere Touristin und der Räumung, während wir uns gerade in der Felsspalte erholten.

Kommentar schreiben

Kommentare: 0