· 

Abstieg in die Absteige

Santa Cruz

geschrieben von Franzi

Ich war von Anfang an nicht überzeugt, aber Timo wollte gerne einen Schnapper landen. Und da im 8er Dorm des sehr zentral gelegenen Hostals in Santa Cruz nur noch 2 Betten übrig waren, buchte er sie kurzerhand. 7€ kostet der Spaß pro Person und Nacht. Ich hatte Hotels für rund den doppelten Preis im Blick mit Doppelbett, eigenem Badezimmer, Balkon und Frühstücksbuffet. Aber ich konnte mich leider nicht durchsetzen.

Und nun sind wir gerade angekommen. Auf nur noch ca. 400m über dem Meeresspiegel in Santa Cruz.


Der Boliviano ist seit 2010 an den Dollar gekoppelt. Dennoch wollten sie uns einen zu hohen Wechselkurs berechnen mit der Ausrede, der Kurs in den Wechselstuben sei gerade gestiegen. Alles klar, und weil die sich Kurse ausdenken, macht ihr gleich mit, oder was?!

Wir schlugen vor, in Dollar mit Karte zu bezahlen. Uns wurde verdächtig stark davon abgeraten. Angeblich würde uns die Bank dann mehr berechnen. Wir verneinten. Die Bank berechnet immer den korrekten Wechselkurs.

"Aber wir berechnen 5% mehr bei Kartenzahlung."

Timo wäre dem Mann wegen der unsinnigen Diskussion und unfairen Behandlung fast an die Kehle gesprungen. Wir feilschten wie auf dem Markt und zahlten am Ende nur ein paar Cent zu viel statt den geforderten rund 7%.


Letztendlich ging es nicht um viel Geld, aber es ist einfach anstrengend, bei jeder Zahlung handeln zu müssen.

Neulich war ein fliegender Händler besonders dreist. Für einen (wie wir leider erst im Nachhinein bemerkten) staubtrockenen Kuchen verlangte er 10 Bolivianos. Wir hatten hier noch nie derart teueres Streetfood gesehen und winkten ab. Geknickt ging er ohne weiteren Zwischenschritt direkt auf die üblichen 2 Bolivianos runter.


Aber zurück zum Hostel. Es liegt direkt an der Plaza 24. September (wo käme man denn hin, wenn man Dingen keine Daten als Namen gäbe?!). Nebenan befindet sich "Hogwarts". Ich habe noch keinen Plan, was sich dahinter verbirgt, aber bisher ist allein der Name in ummittelbarer Umgebung einer der wenigen positiven Dinge unserer Unterkunft.

Der Schlafraum ist heiß und stickig. Immerhin könnte das dafür sorgen, dass die superdünnen Leinentücher, die als Bettdecken ausgegeben werden, tatsächlich ausreichen könnten. Wobei manche Gäste auch berichteten, dass manchmal mitten in der Nacht die Klimaanlage angeht und man steifgefroren erwacht.

Das Zimmer, in dem "niemals mehr als 6 untergebracht werden" ist mit 8 Leuten voll besetzt. Einer hat zwei Kissen, dafür habe ich keines. Vielleicht kann ich mir eines mit dem Mann teilen, in dessen Bett man klettern muss, um die einzige Lampe des Zimmers einzuschalten.


"Steckdosen in Bettnähe" waren versprochen und sind im Technikzeitalter ein absolutes Must-Have in jeder Unterkunft. In der Tat wurde dagegen nicht versprochen, dass jedes Bett über einen Stromzugang verfügt. Immerhin hat Timos Bett einen und wir sind gut genug vorbereitet, um ihn mit unserer Merfachsteckdose teilen zu können. Zumindest scheint es hier keine Probleme mit dem Strom in den (mixed-gender!) Duschen zu geben. Bei vielen anderen Unterkünften habe ich in Rezensionen gelesen, dass die Leute beim Duschen Stromschläge bekommen haben. Dafür funktioniert hier in einer von vier Duschen das heiße Wasser gar nicht erst. Somit ist die Gefahr schon mal gebannt.


Hoffentlich bannt Timo auch die Gefahr sexueller Übergriffe. Es gibt im Hostel nämlich theoretisch Frauenschlafsäle. Mindestens zwei Frauen haben in ihren Rezensionen geschrieben, dass in den als Frauenschlafsälen verkauften Dorms aber auch Männer waren. Eine von ihnen wurde auch von einem Betrunkenen sexuell belästigt. Eine andere hat einen häufig anwesenden Sexisten beschrieben. Der Besitzer soll in keinem der Fälle etwas unternommen haben. Hut ab...

Hoffentlich regnet es während unseres Aufenthalts nicht, denn das Hostel ist offen geschnitten und wenn wir nach unten, ins Bad oder sonst irgendwo hin möchten, stehen wir, sobald wir den Dorm verlassen, unter freiem Himmel.

Dafür kann ich die Turmspitzen der Kathedrale sehen, während ich auf einem Stuhl sitzend diesen Blogartikel schreibe, dessen Sitzfläche nur noch teilweise besteht. Würde er unter mir zusammenkrachen, ich wäre nicht im Mindesten überrascht.

Gleichzeitig lausche ich dem versprochenen hohem Lärmpegel, der von der Plaza herüberweht und von dem ich nicht denke, dass er jemals nachlassen wird.

 

Ich bin gespannt, mit welchen Annehmlichkeiten das Hostel noch aufwarten wird und frage mich, was mit den Leuten nicht stimmt, die dieses Hostel im Schnitt mit 8,4 bewertet haben. Preis-Leistung kann wirklich nicht das einzige Kriterium sein!

 

Angeblich kann man zwischen 23-08 Uhr das Hostel nicht verlassen oder betreten, was schon so manchen Gast in die Bredouille getrieben hat, als ein Transportmittel erreicht werden musste. Wir werden also gleich mal die Nähe der Plaza genießen, ein leckeres Abendessen futtern und pünktlich zurück sein, bevor die Türen verschlossen werden. Und ich dachte ich sei aus dem Alter raus, in denen ich eine Nach-Hause-Komm-Zeit habe...

 

Hoffentlich finden wir morgen ein Frühstück, dass so billig ist, dass sich diese Unterkunft richtig lohnt. Glauben tue ich daran noch nicht so richtig, dafür glaube, ich dass ich langsam zu alt werde für diesen Sch... ähh für Billo-Unterkünfte!

 

Edit: Obgleich wir uns etwas eingewöhnt haben, geht der Spaß am Morgen weiter. Einer der Männer schnarcht bestialisch. Mein gnadenloses rütteln am Bein hat ihn zunächst gar nicht gejuckt, dann aber panisch hochfahren lassen. Uns hat es immerhin ein paar Minuten glücklicher Stille beschert.

 

Für einen 8er Dorm, einen 9er, ein Doppelzimmer und eine mysteriöse Tür hinter der sich weitere Gäste verbergen könnten, gibt es sage und schreibe 2 Toiletten. Selbstverständlich waren beide morgens besetzt. In einer hat sogar jemand geduscht! Obwohl dies die nicht funktionierende, kalte Dusche ist und alle drei seperaten, funktionierenden Duschkabinen leerstanden. Erneut: Was stimmt nicht mit den Leuten?!

Aber na gut, wenn die die Toiletten umfunktionieren, muss ich wohl die Dusche umfunktionieren... 🤷🏼‍♀️

Kommentar schreiben

Kommentare: 0