Tacna
geschrieben von Timo
Irgendwie hatten wir uns die trockenste Wüste der Welt mit weniger Wasser vorgestellt. Okay der Himmel ist meistens blau oder dunkel- es sind also keine Wolken zu sehen. Und daher regnet oder schneit es auch nicht. Aber hier fließt der ein oder andere Fluss aus den Anden herunter und Lagunen gibt es auch, wenngleich sie salzig sind. Außerdem landet man an der Westseite der Wüste im Pazifik. Das ist sehr schön, sorgt aber auch nicht für das Wüstenfeeling. Aber wir zweifeln die Fakten, dass es sich um die trockenste Wüste der Welt handelt natürlich nicht an. Auch haben wir uns die Wüste sandiger vorgestellt. Aber so sandig wie in den Emiraten ist es hier nicht. Es ist eher steinig oder lehmig und gibt andere karge Landschaften. Und natürlich viele Bodenschätze die an unterschiedlichen Orten ausgebeutet werden und wurden. Aber der Reihe nach.
Nach einem mühseligen Spaziergang durch die Mittagshitze mit Gepäck zu der Unterkunft, die Laura und Débora gebucht hatten, wurden wir von Alvaro, dem Gastgeber, willkommen geheißen. Er war Macho, arrogant, nett, chaotisch, entgegenkommend und provokant. Franzi lag erschöpft am Boden da alle vorgerannt waren. Alvaro sah sie, fragte ob alles okay sei und ignorierte dann ihre Antwort und auch sie insgesamt. Direkt nach der Ankunft fuhren wir mit Alvaros offenem Geländewagen in die Stadt, die zwanzig Minuten zu Fuß entfernt war. Statt die Brücke zu nehmen, fuhr er durch den Fluss und spritze Laura und Franzi damit etwas nass und Franzi stieß sich zudem noch an der Stange über den Köpfen die Stirn, an der man sich festhalten musste um nicht rauszufallen. Danach bekam Franzi den Hinweis doch auf ihren Kopf zu achten, da man ihn sich an der Stange stoßen könne. Naja sie hatte von der Hitze ja sowieso schon Kopfschmerzen. Die Stadtführung bestand aus dem Hinweis auf zwei Restaurants, einem Supermarkt, der Kirche und dann der Verabschiedung. Alvaro wirkte beleidigt als die Französinnen sich fix zum Geldautomaten begaben und vorher nicht zugehört hatten. Er verabschiedete sich von Franzi und mir mit einem kuriosen wie falschen Tipp. Ich hatte gefragt, ob man hier in San Pedro viel mit Karte zahlen kann, nachdem wir in Bolivien mit dem Plastik außer Geld abheben wenig anfangen konnten. Er erklärte uns, dass wir besser in bar bezahlen sollten, da wir dann die Mehrwertsteuer von 19% nicht zahlen müssten. Wenn wir mit Karte zahlen, müssten wir uns die gezahlte Mehrwertsteuer am Zoll am Airport in Santiago aufwendig wiederholen. Er habe sich auf seiner letzten Europareise darüber aufgeregt als Ausländer überall die Mehrwertsteuer zahlen zu müssen. Die Wahrheit lautet, dass es in der Tat eine Chilenische Regulierung für Hotels und Unterkünfte gibt nach der Ausländer nicht die Mehrwertsteuer zahlen müssen. Das bedeutet natürlich noch lange nicht, dass Alvaro im Carrefour in Paris weniger zahlen muss als die Französischen Kunden. Entsprechend bestätigte sich auch unsere Theorie als der Preis an der Supermarktkasse der gleiche blieb ob mit Karte oder Bargeld. Nach einem leckeren und für Chilenische Verhältnisse nicht zu teuren Mittagstisch ging es für Laura und Débora ins entfernte Calama, wo sie einen günstigen Mietwagen gebucht hatten, weswegen wir uns an sie rangeheftet hatten. Um die Atacamawüste um San Pedro herum zu erkunden sind Touren oder ein Auto das geeignete Mittel. Wir kauften in der Zwischenzeit für das Abendessen ein. Kochen war angesagt, um die Kosten geringer zu halten. Während wir in Bolivien pro Tag für zwei Personen ca. 75€ ausgegeben hatten so waren es in Chile bisher das Doppelte also 150€. Da ist natürlich auch der teure Osterinselausflug dabei, aber es ist günstiger in Bolivien in den meisten Restaurants zu essen als in Chile zu kochen. Spät abends kamen Laura und Débora frustriert aus Calama wieder. Immerhin wurden sie nicht mit Kot beschmissen wie es anderen Touristen in dieser Stadt voller Minenarbeiter aus der Kupfermine passiert ist. Aber leider hatten sie auch kein Auto dabei, da die Vermieter eine Kreditkarte verlangten, um eine Sicherheit zu hinterlegen und die beiden nur mit einer Debitkarte dienen konnten. Chile scheint das einzige Land zu sein, im denen man ohne Kreditkarte kein Auto leihen kann. Das Problem bahnt sich auch für uns an, denn unsere einzige Kreditkarte läuft Ende des Jahres ab. Danach haben wir vor Ort nur noch Debitkarten. Das könnte ein Problem werden, um Flüge zu buchen, wenn man wie beim Auto einen Pfand hinterlegen muss oder auch beim Geld abheben am Automaten, da manche Automaten keine Debitkarten akzeptieren oder mehr Gebühren verlangen. Es gab Rote Beete Carpaccio mit Salat und gratiniertem Camenbert zum Abendbrot lecker und mühselig von Franzi zubereitet und wir gingen schlafen, um am nächsten Tag neu zu überlegen. Die Wüstennächte sind kalt aber der Tag ist sonnig und sommerlich. Am netten wenn auch eiskalten Pool ordnete ich tags drauf mal wieder unsere ganzen Fotos nach aktiven zurückliegenden Wochen. Die Lösung die sich anbahnte war, dass wir das Auto von einem Kontakt von Alvaro bekommen wenn auch für einen deutlich höheren aber für Chilenische Mietwagen noch erträglichen Preis. Wir wuschen noch die Wäsche an unserem freien Tag, was auch zu einem kuriosen Konflikt mit Alvaro führte. Er verlangte 10.000 Pesos für die einmalige Nutzung der Maschine, was mehr als 10€ entspricht. Dafür wollte er den Prozess "managen". Allerdings kümmerte sich dann sein sympathischer Mann für alles José Luís um die Wäsche und füllte sie zusammen mit Franzi in die Maschine, die entschied welches Programm sensitiv genug für die Wäsche ist. Wir bekamen mit wie unsere Wäsche nach dem Waschgang noch 1,5 Stunden in der nassen Maschine dümpelte ehe sie aufgehängt wurde. Wir hätten sie natürlich auch selber aufhängen können, sahen das aber bei dem Preis nicht ein. Auch als sie trocken war, wurde sie uns nicht gefaltet ins Zimmer gebracht, sondern wir mussten sie selber abnehmen, da wir sie benötigten. Meine Jacke war dreckiger als vorher, da sich Waschpulver überall auf dem Ärmel abgesetzt hatte. Abends fragten wir bei unseren Kritikpunkten bei Alvaro nach. Er entschuldigte sich, dass er, der heilige Alvaro (interpretativer Einwurf des Autors), den Prozess nicht persönlich gemanaged hatte sondern seinen Vasallen (erneuter interpretativer Einwand) José Luis es hatte machen lassen und wollte es klären. Zugleich versprach er uns die Kosten für die Wäsche zu erlassen. Damit waren wir fein, da nichts kaputt gegangen war und das meiste sauber geworden war. Während seiner Sprachnachrichten lief so laut klassische Musik, dass man ihn kaum verstehen konnte. Am nächsten Tag bekamen wir nochmal eine Sprachnachricht, dass der Fehler war dass die Waschmaschine zu voll war und das wurde uns noch einen Tag später bei der nächsten, persönlichen Begegnung auch nochmal erklärt. Wir entgegneten, dass José Luís ja etwas hätte sagen können, da er beim Beladen der Maschine ja dabei war, aber dafür war er laut Alvaro nicht geschult genug. Weitere Erklärungen waren, dass Wäscheservice auch garnicht angeboten wird oder das sie nie die Wäsche bügeln. Ersteres widersprach unserer Buchung bei booking.com und Zweiteres hatten wir nie angefragt. Am Ende lag der Fehler auf jeden Fall nicht bei Alvaro aber immerhin mussten wir auch nichts zahlen. Kuriose wie nette Situationen mehrten sich dann noch mit ihm. Als wir zahlen wollten, fragte er mich wie teuer es nochmal war. Ich gab ihm 140.000 Pesos und fragte nach etwa 4.000 Pesos Wechselgeld. Eigentlich waren es aber nur 3.820 Pesos. Darauf wurde ich dann auch direkt spitzfindig hingewiesen. Kein Problem dass ich ihn vorher überhaupt an den Preis erinnert hatte. Das Wechseld bekamen wir dann in Münzen. Aber nicht in zehn Münzen sondern in etwa hundert Münzen. Bei Laura und Débora war es immerhin das selbe. Sie bekamen ihren täglichen Wein, den sie brauchten dann noch geschenkt. Ob Alvaro ihn als "spontane Aktion" auch Männern geschenkt hätte? Nervenaufreibend war auch unsere Verlängerung um eine Nacht. Im Gegensatz zu den anderen hatten wir nur drei statt vier Nächte gebucht. Die vierte Nacht von Freitag auf Samstag wäre teurer gewesen. Wir wollten dann vor Ort verlängern. Alvaro bestätigte am ersten Abend die Verlängerung bei Whats App, wo er alle Abmachungen dokumentiert haben wollte. Als wir am nächsten Tag nach dem Preis fragten, entschuldigte er sich und meinte, dass unser Zimmer leider schon reserviert sei. Wir hassen diese Situation, die uns so ähnlich schon in Puerto Montt untergekommen war. Kein hanseatisches Kaufmannsehrenwort. Nach sehr viel Meckern stellte er dann fest, dass es ausgebucht war, weil unser Zimmer schon für uns reserviert war. Später entschuldigte er sich für den Fauxpas. Aber es gab auch Positives. Wir durften früher einchecken und später auschecken und trotz Krankheit rief er uns am letzten Tag ein Taxi fürs Terminal. Auch unser Zimmer- ein gemütliches Lehmhäuschen- war sehr nett. Leider konnten wir es nicht abschließen und das Wasser wurde nur manchmal heiß in der Dusche, aber es hatte ein gemütliches Doppelbett und viel Platz.
Am dritten Tag in San Pedro war es dann endlich soweit und wir konnten mit unserem Great Wall Pick-up- eine Marke, die mir vorher Garnichts sagte, aber das Chinesische Modell ist hier in Chile sehr beliebt- unseren ersten Ausflug machen. Nach einer Fahrt von knapp einer Stunde durch die plane Wüste mit großen Bergen auf der linken Seite, die auch die Grenze zu Bolivien und Argentinien darstellt, erreichten wir super vorbereitet mit Reservierung und vorheriger Zahlung einen Kontrollpunkt für die Lagunen Ceja (Augenbraue) und Piedra (Stein). Die Atacamawüste um San Pedro herum ist nämlich so touristisch, dass man einige Orte vorher reservieren und bezahlen muss. Leider war die Englischsprache Website, auf der wir gebucht hatten, nicht so informativ, dass sie uns verriet dass wir nur eine Aufenthaltsdauer von einer Stunde vor Ort haben würden. Wir buchten für 9 Uhr, da wir dachten, dass wir dann die ganze Zeit bis zur Schließung um 12 Uhr Zeit haben würden in den Lagunen zu baden. So hatten wir nur eine halbe Stunde Zeit in der Laguna Piedra zu baden und das auch noch zu dieser morgendlichen Stunde, in der es noch relativ frisch war. Es stellte sich aber heraus, dass man sowieso nicht länger in der Lagune als 30 Minuten baden soll, da der Salzgehalt extrem hoch ist und es sonst schlecht für die Haut wäre. In der Laguna Ceja darf man gar nicht mehr baden, da die Salzkristalle am Ufer so scharf sind, dass Verletzungsgefahr besteht. Insgesamt hatten wir uns die Wüste wüster vorgestellt, als wir durch Schilf vorbei an einem See zu einem anderen See gingen. Mit weniger Pflanzen und weniger Wasser hatten wir gedacht. Aber so war es auch ganz nett. Die Laguna Piedra war durchaus spektakulär zum Schwimmen. Sie besaß einen riesigen Felsen, der unter dem Wasser wie eine Klippe mit dem Ufer verbunden war. Auf dem Stein konnte man weit ins Wasser hinein waten, bis es bis zu den Knien reichte. Das war trotz Sonnenschein schon ziemlich kalt. Der Sprung vom Stein ins tiefe Wasser war entsprechend mutig. Natürlich war es cool im Wasser oben zu treiben wie im toten Meer auf Grund des hohen Salzgehaltes. Noch spannender und paradoxer war allerdings die Wassertemperatur. Wenn man sich nicht bewegte war es an manchen Stellen schon angenehm warm. Wenn man allerdings intuitiv sich bewegte, um warm zu werden, wirbelte man vermutlich kaltes Wasser vom Grund auf und es wurde plötzlich bitter kalt. Nach etwas dümpeln an diesem schönen Ort ging es zu den schicken, modernen Holzumkleiden mit einer Duschwand, die in einen großen Stein gebaut wurde. Alles sehr passend zu diesem natürlichen Ambiente. Und schon fuhren wir weiter zu unserem nächsten Ziel. In der Aldea de Tulor sind Überreste der Häuser der indigenen Einwohner der Wüstenregion zu sehen. Ein Guide erklärte uns wie sie lebten und welche Pflanzen sie nutzten. Eine Kalifornische Familie lief mit uns mit. Die jungen Kinder sprachen schon sehr gutes Spanisches, da sie immer mit ihrer Mexikanischen Haushälterin üben. Das hilft natürlich. Am besten waren allerdings die Ausblicke von hier auf den Licancabur, den großen Vulkan aus dessen Nähe wir gekommen waren, als wir die Grenze überquert hatten. Der perfekte Kegel hebt sich wunderbar von dem blauen Himmel und dem staubigen Boden ab. Débora und Laura holten uns bei der Aldea mit dem Auto zur vereinbarten Zeit wieder ab. Sie hatten lieber einen Kaffee in San Pedro getrunken, als den Eintritt zu der archäologischen Stätte zu bezahlen, die Franzi besuchen wollte. Danach fuhren wir zusammen und gerade noch rechtzeitig ins Valle de la Luna (Mondtal), das nach seiner wilden Landschaft benannt wurde. Es war erst kurz nach Mittag und wir wussten nicht, dass wir den gesamten Nachmittag dort verbringen würden. Mit dem Auto konnte man auf einer Schotterpiste durch das Tal fahren und es gab immer wieder Wanderwege am Rande der Straße, die einem schöne Ausblicke über das Tal und auch über die weitere Umgebung der Wüste gaben bis zu den großen Bergen. Besonders beeindruckend war eine riesige Düne aus rotem Sand, deren Oberfläche wunderschön glatt aussah, fast so dass man sich hineinlegen wollte, was natürlich verboten war. Auch die schroffe, hügelige, spitze, grau-rote Landschaft war schön von einigen Aussichtspunkten anzuschauen. Eine Felsformation, die "das Amphitheater" genannt wird, erinnerte mich stark an ein mittelgroßes Fußballstadion von außen. Später sahen wir noch ein altes Salzbergwerk, das hier früher betrieben wurde und eine Steinformation mit drei abstehenden Felsen, die "Tres Marias" genannt wird. Danach fuhren wir mit dem Auto wieder zurück bis zu einem Aussichtspunkt an der Autobahn nach Calama, von dem aus alle Touristen die vorher im Mondtal waren nun den Sonnenuntergang beobachten würden. Nach dem langen Tag kauften wir noch fix etwas ein und dann bereitete Franzi, die schon sehr müde war, noch liebevoll Wraps vor, die sie wie zuhause mit frischen Zutaten füllte wir Avocadocrème, Tomaten und Salat. In Chile kochten wir nun endlich mal wieder, da Restaurants hier auf Dauer einfach zu teuer sind. Das war nach viel Hühnchen mit Reis und Suppe auch mal wieder eine angenehme Abwechslung. Am Vorabend wurden wir lecker von Débora und Laura bekocht. Débora ist professionelle Künstlerin und designt und organisiert Snacks für Kunstausstellungen, die aber selber Kunst sind. So ist ihr nächstes Projekt zum Beispiel ausschließlich weißes Essen bei der Eröffnung der Ausstellung anzubieten. Auch sonst wird alles weiß sein. Solche Veranstaltungen bietet sie im gesamten Land an. Ihr Bohnengericht war zwar einfach aber auch sehr lecker. Auch ihre Avocadopaste für die Brote, die wir uns mitnahmen, war ziemlich lecker. Vielleicht mag ich auch einfach sehr gerne Koriander. Franzi hatte am ersten Abend auch schon gut aufgetischt nachdem sie stundenlang Rote Beete Carpaccio zubereitet hatte. Leider konnte die Runde nach dem Scheitern des Automietens das nicht so ganz genießen.
Um 5 Uhr am nächsten Tag brachen wir wieder auf, um rechtzeitig zum Sonnenaufgang beim Geysirfeld El Tatio anzukommen. Débora fuhr uns netterweise auf der knapp 100 km langen Schotterpiste im Dunkeln dorthin. Leider konnten wir ob der ruckeligen Fahrt nicht wirklich wie von ihr versprochen weiterschlafen, aber dafür sahen wir die bergige Landschaft um uns herum langsam in Farbe getränkt wurde. Eigentlich kamen wir zu spät an, um den Sonnenaufgang zu sehen, aber dadurch dass wir bis auf 4200 Meter hochgefahren waren, war die Sonne noch nicht hinter den Berggipfeln empor geklettert. San Pedro selber liegt in der flachen Wüste auf etwa 2450 Metern. Der Blick auf die Geysire bzw. Fumarolen aus der Entfernung war sehr schön. Viel weißer Dampf stieg aus einem Talkessel empor und setze sich von der dunklen, noch nicht angeleuchteten Landschaft ab. Sehr intensiv fühlte sich auch der Moment an, als wir aus dem Auto ausstiegen. Es war bitterkalt. Viele Klamotten und eine leider abgekühlte Thermoskanne halfen nur bedingt beim Aufwärmen. Bewegen war auch schwierig, da man etwas festgefroren war. Während der Fahrt informierte uns das Außenthermometer über -20°C. Bei der Ankunft waren es immerhin noch -6°C. In den dichten Dampf der vulkanischen Aktivität sollte man sich nicht stellen, da er wohl dem Körper nicht gut tut. So anders als der Dampf durch den wir mit Luís in Bolivien gelaufen waren, wirkte dieser Dampf aber nicht. Vielleicht gibt es in beiden Ländern einfach unterschiedliche Maßstäbe für die Sicherheit der Besucher. Die vielen, dampfenden Löcher waren schön anzusehen und man konnte zwischen ihnen hindurch spazieren auf markierten Wegen. Manche, große Löcher hatten sich zu kleinen Minivulkanen aufgetürmt und spiehen unentwegt Dampf heraus. Immer mal wieder spritzte auch heißes Wasser heraus und wirkte wie ein kleines Feuerwerk, wenn es langsam in der Luft herabsank. Eine freundliche Mitarbeiterin zeigte uns noch, dass einer der umliegenden Berge aussieht wie ein großer, liegender Großvater. Dann kam die Sonne hinter den Bergen hervor und ich stellte mich etwas ins Licht, um aufzutauen. Morgens war noch alles voll mit Touristen aber nach einer Stunde waren wir fast die einzigen im Geysierfeld. Débora und Laura waren schon zu den angrenzenden Thermalbädern gefahren und wir wollten durch die Geysirlandschaft hinterher spazieren. Leider konnte man nur auf der nun leeren Straße laufen und nicht auf einem Schleichweg quer hindurch. Wir wurden dann von einem Pick-Up aufgegabelt, in dem die Sicherheitsleute herumfuhren und darauf hingewiesen, dass man hier nicht zu Fuß laufen darf. Offensichtlich waren sie empört, dass das nicht klar ist, obwohl nirgendwo darauf hingewiesen wird. Sie fuhren uns zu dem Thermalbad, wo die Französinnen schon auf uns warteten. Enttäuscht stellten wir fest, dass wir unsere Badesachen umsonst mitgenommen hatten. Das Bad ist wohl schon seit der Pandemie geschlossen. Wir wollten uns beschweren, da wir 15€ Eintritt pro Person gezahlt hatten, stellten aber fest dass im Flyer ein Ausschluss einer Garantie erwähnt wird, dass man die Therme nutzen kann. Sehr irreführend war das Straßenschild vor dem Eingang, auf dem eine Figur in einem blubbernden Becken dargestellt wurde, wenn es das Angebot schon seit Jahren nicht mehr gibt.
Auf der Rückfahrt hielten wir noch in einem kleinen Dorf, um einen Kaffee zu trinken, wobei ich auf den Néscafe verzichtete. An hübschen Bergen und einer Lagune mit Wasservögeln vorbei ging es zurück bergab nach San Pedro. Vor der Ankunft hatte man noch einen schönen Blick über die lange Atacamawüste, in der man die Oasen wie San Pedro, das bergige Mondtal und die Salare, also die weißen, salzigen Flächen entdecken konnte. Wir fuhren nördlich an San Pedro vorbei und machten noch eine Wanderung durch den "Garganta del Diablo", also den Teufelsschlund, den man in Südamerika häufig antrifft. Dieser erinnerte er uns sehr an eine Wanderung in Uquiza, die wir im Mai in Argentinien gemacht hatten. Man lief durch eine enge, sandige Schlucht, in der manche Leute Mountainbiking betrieben. Eine westliche Touristin kam uns mit Helm aber ohne Fahrrad entgegen und bat uns um Hilfe. Sie hatte ein paar Schürfwunden und Öl der Fahrradkette auf der Stirn. Sie erzählte uns auf Englisch, dass sie alleine unterwegs war und dann einen Unfall hatte bei dem das Mietfahrrad kaputt gegangen sei. Dann war sie orientierungslos durch den Canyon gelaufen, ohne den Ausgang zu finden. Wir waren die ersten Leute, die sie in der Hitze antraf und sie war sehr glücklich. Wir vergewisserten uns, dass es ihr gut genug ging und sie genug Wasser hatte und ließen sie zurück zum Eingang des Tals laufen. Wir hingegen bestiegen noch einen Berg mit tollen Ausblicken über das erneut sehr mondähnliche Tal und Ausblicken bis zum Licancabur. Wir trafen die verunglückte Frau auf dem Rückweg nicht mehr an und fuhren zu viert zurück zur Unterkunft, wo wir kurz im eiskalten Pool badeten (für höchstens eine Minute). Dann kauften wir noch etwas in der Stadt ein und holten uns ein Eis. Als Débora zum x-ten Mal viel zu schnell über einen der Hubbel fuhr, die in ganz Südamerika in Städten auf der Straße gebaut sind, damit man langsam fährt, und wir wieder fast an die Decke des Autos flogen, beschwerten wir uns lautstark. Wir hatten es ab dem ersten Mal angesprochen, aber nur einmal wurde Rücksicht darauf genommen. Ihre Ausrede war, dass man nicht langsamer fahren kann, aber das stimmt nicht. Vielleicht hat sie auch immer schon beschleunigt nachdem die Vorderräder über den Hubbel rüber waren. Auf jeden Fall wurden wir selten so schlecht über die Hubbel rübergefahren. Im Valle de la Luna, wo sie mit 50 km/h durchfuhr statt mit den erlaubten 20 km/h, war ihre Erklärung auch schon, dass sie nicht langsamer fahren kann. Dafür dass sie sich selber als so großartige Fahrerin angekündigt hatte, war sie eine ziemlich schlechte Fahrerin. Aber immerhin sind wir überall sicher angekommen. Nach dem kleinen Zwist kochten die beiden für uns eine leckere Pasta ehe sie am nächsten Morgen zum Airport von Calama gebracht wurden. Nach zwei Tagen in Lima würden sie dann zurück nach Paris fliegen. Wir wollten eigentlich noch eine Nacht bleiben, aber Alvaros Hotel war ausgebucht. Daher nahmen wir am nächsten Tag auch einen Bus nach Calama, was die nächste, größere Stadt ist. Vorher besuchten wir noch eine prä- kolumbianische Stadt, die brutal von den Spaniern eingenommen worden war. Sie liegt schön am Hang des Río San Pedro und von oben hatte man erneut einen schönen Ausblick. Ironischerweise erinnert heute ein großes Kreuz an die ermordeten Indigenen und beklagt, dass Gott damals nicht mit ihnen war. In Calama hatten wir gehört, ist Gott auch manchmal nicht mit den Einwohnern. Zumindest wenn sie mal wieder Touristen mit Hundekot bewerfen, wie es schon mehrfach vorgekommen ist. Manchmal um sie auszurauben, manchmal aber auch grundlos. Wir waren daher froh, dass wir in dieser Stadt voller Minenarbeiter nur eine Straße überqueren und auf unseren Anschlussbus warten mussten. Der fuhr uns dann zunächst komfortabel nach Iquique zurück an den Pazifik, nur um kurz vor Schluss die Klimaanlage so aufzudrehen, dass es im Bus gefühlt bis auf den Gefrierpunkt kalt wurde, während draußen angenehm milde Temperaturen herrschten. Da wir die Außentemperaturen während der Fahrt kannten, hatten wir zu wenig warme Klamotten im Bus. Vorher waren wir noch an der riesigen Kupfermine Chuquicamata vorbei gefahren, die eine Erklärung für Chiles gute Entwicklung gegenüber den anderen Lateinamerikanischen Ländern ist. Das Ausmaß ist schwer abzuschätzen, aber es wird angedeutet durch die unzähligen Stromleitungen und Solaranlagen, die hier in der Wüste stehen, die sonst so leer ist. Leider darf man die Mine nicht mehr besuchen seit der Pandemie genauso wie das Teleskop ALMA in der Nähe von San Pedro.
In Iquique waren wir auf Grund der Preislage mal wieder in einem Gemeinschaftsschlafsaal. 33€ pro Nacht zahlten wir für zwei Betten ohne Frühstück- das war schon extrem teuer. Wir kamen im Dunkeln an und in unserem Schlafsaal waren zwei alte Männer, die einem direkt komisch vorkamen. Der eine der Amerikaner begrüßte uns und sprach gruseligerweise auch Deutsch. Der andere sagt drei Tage lang garnichts und wenn dann war es sehr unangenehm. Der erste spielte die ganze Zeit an einem selbstgebastelten Brettspiel herum und wirkte sehr heruntergekommen. Nachts schnarchte er laut. Zum Glück konnte man im Bett gut schlafen und es kam zu keinen Zwischenfällen. Hatte ich schonmal erwählt, dass ich alleinstehende, ältere Männer im Schlafsaal komisch finde?
Der erste Tag war dann nur bedingt erfolgreich. Wir genossen das Urlaubsfeeling am Pazifik mit Palmen und Wellen, die in der Nähe des Hostels an den Strand schlugen. Leider wehte durchgehend die rote Fahne wegen der Fregata Portuguesa. Erst am letzten Tag fanden wir heraus, dass es sich nicht um ein Kriegsschiff handelt, sondern um Quallen, die Tentakeln von bis zu 50 Metern Länge haben können und die Haut reizen, wenn man sie berührt. Patricio, der im Schlafsaal nebenan schlief und eigentlich Anwalt in Santiago ist, nun aber eine lange Auszeit vom Stress nimmt und am Strand surft, ging natürlich trotzdem zum Baden und Surfen ins Wasser. Wir hatten auch überlegt zu surfen, letztlich ergab es sich aber nicht, auch wenn die Position des Hostels sehr geeignet dafür war. Nach dem Ausschlafen und dem Mittagessen, schauten wir bei der Strandarena vorbei, wo gerade sie Südamerikameisterschaft im Strandfußball der unter 20- jährigen lief. Leider bekam Franzi Magen- Darm Probleme ehe wir es uns näher anschauen konnten und wir verbrachten den Rest des Tages im Hostel, von wo wir immerhin von der Dachterrasse die Sonne im Pazifik versinken sehen konnten. Positiv überrascht stellte ich fest, dass die Tickets für das Fußballturnier, die man online buchen musste, kostenlos waren. Gut dass ich die Passnummern richtig eingetragen hatte, da wir beim Eintritt am nächsten diese nennen mussten und das System unsere Namen korrekt ausspuckte. Nach einer Gepäckkontrolle und dem Hinweis, dass wir den Flaschendeckel unserer Wasserflasche doch bitte nicht werfen sollen, durften wir auf die temporär aufgebaute Tribüne vor dem Spielfeld aus Sand. Alles war super organisiert und wir holten uns noch überteuerte Hot Dogs und Pulverkaffeevariationen. Es wirkte fast so als gäbe es mehr Organisatoren, Fernsehleute, Verkäufer etc. als es Zuschauer gab. Zunächst ging es heiß her zwischen Venezuela und Kolumbien. Alle Spieler erschienen in den Nationaltrikots, die Hymnen wurden vorab gespielt, es gab drei Schiedsrichter, deren blaue Trikots sich schnell schwarz färbten, da sie in der prallen Sonne ständig hin und her liefen. Es gab drei Drittel à 12 Minuten. Uns hätten auch zweimal zwölf Minuten gereicht, aber so sind die Regeln. Freistöße und Strafstöße waren auf dem Sand fast immer ein Tor, wobei man sagen muss, dass der Freistoß auch ohne Mauer ausgeführt wurde, und daher wie ein Strafstoß mit größerer Distanz zum Tor war. Fallrückzieher wurden auch häufig versucht, wenn auch nicht erfolgreich. Zum zweiten Spiel Peru gegen Brasilien, die ich als Favoriten tippte, nicht nur wegen des vorangegangen Kantersieges gegen Kolumbien sondern auch wegen der natürlichen Häufigkeit an Spielern, die am Strand Fußball spielen im Land mit den traumhaften Atlantikstränden, kamen dann allerdings richtig viele Peru Fans in Stadion und bildeten einen Fanblock neben uns. Die Nationalhymne wurde mitgesungen und der verletzte Brasilianische Spieler, der vorher der beste Mann auf dem Feld war, wurde ausgepfiffen, als er auf der Trage davongetragen wurde. Tatsächlich konnte er kurz darauf weiterspielen, was die Pfiffe zuvor teilweise rechtfertigte. Cool waren auch die Frisuren der Spieler, insbesondere die Ronaldo Frisur aus dem WM Finale 2002 bei einem Kolumbianer imponierte mir genauso wie eine Art Undercut bei dem ausschließlich hinten die Haare waren und oben und an der Seite keine. Nach dem kurzweiligen Ausflug zum Strandfußball, von dem aus man hinter der Arena immer die großen, surfbaren Wellen auf den Sand schlagen sah, schlürften wir uns noch durch einige Fruchtsäfte und Kaffees auf dem Weg zum Hafen, wo wir in einem Restaurant in der Markthalle Ceviche bzw. Meeresfrüchtesuppe aßen. Mein Ceviche wurde in einer wunderschönen, großen Muschel serviert und wir genossen die Blicke auf ein Containerschiff von Hapap-Lloyd im Hafen von Iquique, sowie die Seelöwen und (dreckig aussehenden) Pelikane, die neben den Fischerbooten auf einen einfachen Fang hofften. Danach inspizierten wir noch die Replika in Echtgröße von dem Kriegsschiff, dass Artur Prat, ein geläufiger Name in Chilenischen Städten, im Salpeterkrieg bzw. Pazifikkrieg gegen die Peruaner steuerte. Das Segelschiff verlor zwar, dennoch war die Schlacht des Bootes samt Besatzung so eine Art Märtyrerkampf im Laufe des Krieges, an den heute noch überall im Land erinnert wird.
Am nächsten Tag war dann endlich mal wieder Zeit für ein Welterbe. Die knapp einstündige Fahrt die Klippen, die lediglich durch die Stadt vom Pazifik getrennt sind und bestimmt ein paar hundert Meter messen, hoch und dann noch ein wenig geradeaus absolvierten wir mit einem Transportunternehmen, statt mit einer teuren Tour. Die Fahrt im Transporter war wundervoll, weil er einfach für einen festen, guten Preis abfuhr zu der Zeit die auch angesagt war, obwohl erst zwei Passagiere neben uns an Bord waren. Ich genieße die kurze Zeit in Chile schon sehr, nachdem Bolivien nicht immer einfach war. Wir wurden an der Autobahn herausgelassen und mussten nach dem Überqueren einer Brücke noch etwas laufen, bis wir die Geisterstadt Humberstone erreichten. Hier wurde vor über hundert Jahren das Gestein abgebaut und verarbeitet, aus dem der berühmte (wir kannten ihn vorher nicht) Chilesalpeter gewonnen wurde, der überall in Europa als perfekter Dünger beworben wurde, damit die Felder sprießen. Irgendwann erfanden Faber und Bosch ein Verfahren, dass den Salpeteranlagen hier in der Atacamawüste Mitte des 20. Jahrhunderts den Todesstoß versetzte. Fortan konnte weltweit dezentral ein vergleichbares Düngemittel hergestellt werden. Daher kann man heute die verlassene Stadt Humberstone besuchen, in der die Arbeiter lebten und schufteten, sowie die Industrieanlagen, die wie ein "Lost Place" zurückgelassen wurden und trotz des Statuses als nationales Erbe und Jahrzehnten als Museum durchaus nicht ungefährlich besichtigbar sind. Nachdem die Arbeitsbedingungen im 19. Jahrhundert noch knallhart waren und es sogar mal einen Aufstand von organisierten Arbeitern gab, der von Soldaten blutig niedergeschossen wurde, so verbesserten sich die Bedingungen als die Familie Humberstone die Anlage Anfang des 20. Jahrhunderts übernahm. Es entstand ein Laden, in dem man alles kaufen konnte, ein Hotel mit Swimming Pool und ein Theater. So sollten die Arbeitszustände etwas verbessert werden. Dennoch wird es kein Vergnügen gewesen sein die Steine in der Hitze zu verarbeiten. Jeden Tag knallt die Sonne hier in der Wüste. So ganz klar wurde uns der industrielle Prozess in den großen, rostigen Ruinen nicht, aber wir liefen den ganzen Tag durch die verlassene Stadt voller Informationen und später noch durch die Industrieanlagen mitten im sandigen Nichts, die teilweise tolle Bilder abgaben in Verbindung mit der untergehenden Sonne. Da wir wieder die 50 Kilometer zurück nach Iquique mussten, eilten wir am Ende etwas und wurden dann von zwei netten Chilenen mitgenommen, die auch die Stätte besucht hatten und nun zurück ins Hotel fuhren. Wir unterhielten uns noch nett mit dem älteren Geschwisterpaar, die für den gemeinsamen Urlaub aus Antofagasta bzw. Santiago angereist waren und unsere Reise sehr spannend fanden.
Wir sind froh, dass wir keinen Tsunami in Iquique erleben mussten, vor dem auf Hinweisschildern gewarnt wird, da die Konstellation aus wenig Küstenstreifen und riesigen Klippen hinter der Stadt dafür sorgt, dass die Überlebenschancen bei einem tatsächlich großen Tsunami wohl eher gering wären. Solange es aber keine Naturkatastrophe gibt, ist die Konstellation ein schönes Schauspiel genauso wie wenn die Sonne im Ozean abends versinkt. Nach einem letzten Blick von den Klippen herab auf die Stadt und den Ozean und dem erneuten Passieren von Santa Laura und Humberstone, dessen Schornsteine man von den Autobahn aus in der planen Landschaft sehen konnte, näherten wir uns auf der Wüstenstraße mit teilweise bergigen Abschnitten unserem nächsten Ziel: Der Stadt Arica. Hier gibt es seit einigen Jahren ein neues Welterbe, das schwerer zu greifen zu sein scheint: Die Chinchorro Kultur. Diese Kultur lebte vor tausenden von Jahren schon in der nördlichen Küstenregion Chiles unter anderem in einem gigantischen Flusstal in der Wüste, das zum Pazifik führt durch das wir auch während der Busfahrt durchfuhren. Hier deuteten schon erste Schilder und Figuren auf dieses Erbe hin. In Arica selber, wo wir abends ankamen und auf den Tipp von Dome hin gut auf unsere Wertsachen am Terminal aufpassten, was auch gelang, hatten wir eine gemütliche Unterkunft am Hang des Hügels "Morro" gebucht, die genau gegenüber war von einem Museum über die Chinchorro Kultur. Dome war auf seiner Reise die Kamera am Terminal gestohlen worden. Unser Gastgeber aus der Bretagne und wir waren die einzigen Personen in der Unterkunft "Le petit clos" für die nächsten drei Tage. Beim Frühstück genossen wir nicht nur den Blick über den Hafen und die Bucht von Arica bis in unser nächstes Reiseland Peru oder den Blick hoch zu El Morro, wo eine riesige Chilenische Fahne weht, da hier eine entscheidende Schlacht im Pazifikkrieg gegen Peru gewonnen wurde, sondern auch den guten Käse und die gute Wurst, die bei einem südamerikanischen Frühstück selten ist. Spontan entschieden wir einen Tag lang nichts zu machen auf Franzis Wunsch hin und so sortierte ich nur Fotos und schrieb Blogartikel. Bevor wir das Museum "Colón 10" auf der anderen Straßenseite am nächsten Tag besuchten, erzählten wir Daniel, unserem Gastgeber, der hier so genannt wird aber eigentlich einen bretanischen Namen hat, den aber niemand schreiben oder aussprechen kann, von unserem Interesse an der Grabkultur der Chinchorro, die im Museum in der Form einer Ausgrabungsstätte präsentiert wird aber auch überall um den Morro herum fortlaufend sein soll. Daniel meinte, dass er anderen Gästen noch nichts davon gezeigt hat, aber er hat über seinen sandigen Hinterhof Zugang zum von der UNESCO verwalteten Teilstück des Morro, in dem überall menschliche Knochen liegen. Nach diesem spannenden wie leicht schockierenden Fund für uns, sagte er uns dass wohl auch auf seinem Grundstück überall Knochen seien. Etwas vorbereitet schob er einen Stein beiseite und buddelte im Sand, um dann eine Plastiktüte zu finden, in der ein Schädelknochen samt Haaren drin lag. Es wirkte so als wollte er uns zeigen, dass hier überall Skelette liegen egal wo man buddelt, aber eigentlich schien es uns so als wisse er wo was liegt, da der Schädel in der Plastiktüte sehr präpariert wirkte. Er meinte zu uns, dass Leute auf dem Schwarzmarkt viel Geld für so einen Schädel zahlen, um ihn sich ins Wohnzimmer zu stellen. Außerdem erzählte er uns, dass die UNESCO auch bei ihm schon geklingelt habe in der Hoffnung die Ausgrabungsstätte zu erweitern. Er meinte, dass er nur Hühnerknochen in seinem Garten habe von seinem Hund Luna. So kollidiert das persönliche Interesse der Grundstücksbesitzer mit den Interessen der archäologischen Aufklärung der Chinchorro Kultur. Mein Tipp ist, dass nicht nur im Museum Colón 10 Skelette begraben liegen seit tausenden von Jahren, sondern dass die gesamte Nordseite des Morro voll davon ist und vermutlich alle Grundstücke abgetragen werden müssten, um den gesamten Friedhof freizulegen. Daniel meinte zu uns, dass bei jedem Straßenbau ein Archäologe mit dabei ist, um zu schauen ob dort etwas zu finden sei. Und auch sein Nachbar habe sein Haus verloren und heute ist dort die UNESCO Ausgrabungsstätte. Hoffentlich wurde es angemessen entschädigt. Auch das Museum sollte ein Hotel werden, bis man die Leichen fand und es zu einem Museum gemacht wurde. Nun ist es ein Konstrukt, das mit einer Plane bedeckt ist und mit einem guten, Deutschen Audioguide besichtigt werden kann. Man kann Reste von bis zu fünfzig Skeletten sehen, die teilweise Grabbeigaben neben oder auf sich liegen haben. Spannend bzw. schockierend sind die rot bemalten Perücken aus menschlichem Haar, die manche Skelette auf dem Kopf tragen. Das Museum ist sehr einfach gehalten, da es eigentlich eine Ausgrabungsstätte ist und kein Museum. Um mehr über die Chinchorro Kultur zu erfahren, machten wir noch Ausflüge ins Umland von Arica, die wir erstaunlicherweise innerhalb desselben Tages absolviert bekamen. Zunächst besuchten wir eine natürliche Höhle etwas südlich Aricas entlang der Küste, die wohl von den Chinchorros bewohnt worden war und von der aus sie Meeressäugetiere und Meeresvögel jagten. Der touristische Ort wurde sogar von zwei Leuten bewacht, die kein Geld von uns wollten sondern uns lediglich obligatorische Helme gaben, die man gegen herunterfallendes Geröll tragen musste. Der Uber Fahrer, der uns hinbrachte, sorgte sich sogar um uns und fragte wie wir zurückkommen wollen, aber wir hatten zuletzt Erfahrungen gemacht in Chile per Anhalter zu fahren, wenn man die Leute anspricht, wenn sie gerade selber losfahren. Und da so viele Leute hier waren mit Auto waren wir guter Dinge, dass uns jemand die zehn Kilometer wieder zurück nehmen würde. Zunächst einmal widmeten wir uns aber den ganzen Tieren, die wir hier an der steinigen Küste entdecken konnten. Es wimmelte von Eidechsen, die fast die Länge des Unterarmes hatten. Manche waren farblich unauffällig aber manche waren auch türkis und grau koloriert. Das lustigste war aber ihre Gangart. Sie stellten sich auf vier Zehenspitzen und liefen wie auf Stelzen über den Asphalt oder die Felsen entlang der Küste. Dann entdeckten wir wieder einige der Pelikane, die wir schon in Iquique getroffen hatten und die so wirken, als wären sie durch eine Ölkatastrophe geschwommen. Vermutlich ist die Farbe des Gefieders aber einfach das übliche ihrer Art. Außerdem gab es rote, handgroße Krebse, die teilweise ihre Artgenossen verspeisten, oder selber schon verspeist wurden. Des weiteren kreisten unentwegt Truthahngeier über unseren Köpfen, die man an ihren roten, kleinen Köpfen und dem schwarzen Federkleid erkennen konnte. Und nicht zuletzt gab es natürlich noch den Pazifik und die Felsen, die im Einklang miteinander ein Schauspiel abgaben, den man gerne zuschaute. Alle paar Sekunden schlug wieder eine Welle durch die Löcher, die vorherige Wellen schon in die Steine geschlagen hatten. Wir liefen einmal entlang des gepflegten Weges hin und zurück und genossen Fauna und Landschaft, ohne von herabfallenden Steinen getroffen zu werden. Man konnte die steilen Felsen auf der dem Wasser abgewandten Seite wohl auch mal beklettern, denn hier hingen Seile herab. Vermutlich wurde das aber mit der Pandemie eingestellt, da die Seile genauso wie einige Infotafeln, die nicht sehr alt wirkten, komplett von den Vögeln in ein weißes, ekliges Kleid getränkt worden waren. Auch der eine Felsen war im Gegensatz zu den anderen komplett weiß. Hier sind eben viele Meeresvögel am Werk. Die Höhlen in denen die Chinchorro wohl gelebt hatten und die immer noch wie große, natürlich geformte Hallen erscheinen, waren im übrigen nicht so spannend wie alles andere. Spannend war es auch nur kurz, ob wir wieder zurück nach Arica kommen würden. Eine Familie mit drei Leuten war gerade dabei wieder ins Auto zu steigen auf der einzigen Straße, die es hier vor den Felsen gibt. Sie nahmen uns gerne mit nach Arica und erzählten uns noch vom Nationalpark Lauca, den wir auch überlegt hatten zu besuchen. Dank ihrer Erklärungen konnten wir uns beruhigt dagegen entscheiden ihn zu besuchen, da er ähnlich zu der Landschaft im Südwesten Boliviens sein soll. Es gibt dort in der Höhe viele Vulkane und Wüste. Da wir schneller reisen wollen, wollen wir Ziele die ähnlich zueinander sind überspringen- es sei denn sie sind UNESCO Welterbe natürlich.
Am späten Nachmittag legten wir auch noch die zwölf Kilometer ins Landesinnere nach San Miguel Azapa mit einem Sammeltaxi zurück, das uns netterweise kurz nach dem ersten Taxi abholte, das wir nicht betreten konnten, da sich eine andere Frau an der Haltestelle dreist vorgedrängelt hatte. Wir besuchten in San Miguel ein anthropologisches Museum, dass Infos über die Aymará in Chile aus den hochgelegenen Bergdörfern in der Nähe Boliviens präsentierte aber eben auch die Geschichte der Menschheit in der Umgebung an der Küste mit einem Fokus auf den Chinchorros. Auch hier liegen im Keller Skelette, die allerdings nicht hier gefunden wurden. Außerdem wurden die signifikanten Mumifizierungspraktiken der Kultur hier noch einmal ausführlich erklärt, die einen wichtigen Teil im Leben der Leute hier eingenommen haben. Etwas gruselig waren einzeln ausgestellte Köpfe oder Gliedmaßen der Toten, die die lange Zeit ziemlich gut überstanden hatten.
Am nächsten Morgen bestiegen wir noch den Morro, dessen Eingang vor unserer Haustür lag. Von oben hatte man natürlich eine tolle Sicht über Arica. Morgens wehte meistens nicht genug Wind, um die riesige Fahne zu bewegen. Nachmittags hatte man ihr Schlagen im Wind sogar im Hotel vernehmen können. Franzi entdeckte durchs Fernglas einen Taucher im Hafenbecken, der vermutlich ein Seehund war. Neben einer künstlich mit dem Festland verbundenen Insel surften allerdings tatsächlich einige Leute in Wetsuits neben großen Steinen. Es gab ein Militärmuseum oben auf dem Hügel, das gefühlt jede Waffe der Eroberung Aricas präsentierte, die im 19. Jahrhundert beim Kampf verwendet worden war. Es war sehr langweilig und nicht nur deswegen sondern auch wegen des Zeitdrucks verließen wir schnell den Hügel um auszuchecken und dann mit dem Bus erstmals nach Peru einzureisen. Daniel warnte uns noch, dass samstags extrem viele Chilenen nach Peru fahren, um günstig einzukaufen oder zum Arzt zu gehen, aber wir wollten uns von einer vollen Grenze nicht aufhalten lassen und akzeptierten dass es unangenehm werden würde. Es wurde dann auch unangenehm, aber vor allem wegen des Busunternehmens. Eine lange Schlange stand schon am Terminal und nicht alle passten in den ersten Bus. Wir warteten auf den zweiten und eine Frau drängelte sich provokant vor, nachdem sie nur kurz zum Mülleimer musste. Als wir endlich einsteigen konnten, sammelte eine Frau plötzlich die Ausweise aller Passagiere ein. Wir weigerten uns ohne Erklärung unseren Pass abzugeben, da wir nicht nur die Befürchtung hatten, dass er verloren gehen könnte, was katastrophal wäre, sondern auch dass wir nicht genug Tage Visum an der Grenze bekommen könnten, wenn wir nicht selber mit den Grenzbeamten sprechen. Daher ging ich mit der Frau in ein Büro, in dem ein Mann fleißig Passdaten in ein System hineinhämmerte und danach konnte ich die Pässe wieder mitnehmen. Leider stand in dem Moment der Bus, in den Franzi eingestiegen war schon nicht mehr an der selben Stelle. Er hielt aber vor dem Ausgang des Terminals an, so dass ich noch einsteigen konnte. Drinnen erlebte ich dann, dass Franzi und der Fahrer sich anschrien und Franzi ihn auf Deutsch beleidigte. Sie hatte zuvor gesagt, dass wir noch nicht abfahren können, da ich noch fehle und der Fahrer hatte ihr empfohlen, dass Peruanische Freunde doch sowieso besser seien und war weiter gefahren, nur um am Ausgang des Terminals zu halten. Insgesamt waren der Fahrer und seine Assistentin extrem schlecht im Erklären. Zuvor war es schon zu einer kribbeligen Situation gekommen, als alle Leute aus dem Bus von unserem Fahrer, die aus Peru gekommen waren, ausgestiegen sind und ein anderer Bus sich vordrängeln wollte, um uns als Passagiere mitzunehmen. Kurzerhand stieg unserer Fahrer in seinen Bus und blockierte den Weg des anderen Buses, so dass es fast auf dem Parkdeck zu einem völlig überflüssigen Unfall kam. Vermutlich hatte unser Fahrer auch deswegen viel Adrenalin im Blut. An der Grenze wurde die ganze Hektik dann komplett unnötig. Wir warteten über zwei Stunden in, an und um den Bus herum ehe wir endlich in einer Schlange standen, um uns zunächst aus Chile abzumelden und dann in Peru anzumelden. Natürlich hatte sich die Frau mit dem weißen Hut erneut schamlos vor uns in der Schlange vorgedrängelt. Wir bekamen beide die erhofften 90 Tage Visum, die hoffentlich reichen sollten, da wir ja in höchstens zwei Jahren noch die ganze Welt sehen wollen und dann ging es zurück zum Bus. Allerdings mussten wir zunächst noch unser Obst und Gemüse wegschmeißen, was für den Grenzbeamten völlig klar war. Allerdings kam das erste Infoschild dazu erst nach der Grenze und auch beim Auswärtigen Amt stand nichts dazu- sehr merkwürdig. Am Bus konnten wir der Versuchung nicht widerstehen und drängelten ganz offensichtlich die Frau mit dem weißen Hut zur Seite, als sie versuchte einzusteigen, so dass jeder es mitbekam. Neue Freunde hatten wir nach der Fahrt nicht, aber wir kamen dennoch zufrieden in Tacna in Peru an, wo wir zu unserem Hotel marschierten. Die Stadt war für einige Zeit nach dem Krieg bis 1929 Chilenisch. Nach dem Friedensvertrag wurde es wieder Peruanisch und das wird heute immer noch zelebriert. Jeden Sonntag soll angeblich eine Flaggenzeremonie dafür stattfinden. Fünf verschiedene Leute gaben uns vier verschiedene Uhrzeiten am Morgen an, zu denen die Zeremonie stattfinden sollte. Die fünfte Person gab an, dass es die Zeremonie seit der Pandemie nicht mehr gäbe. Wir folgten den Angaben des Hotels und standen um sieben Uhr morgens am Sonntag auf einer leergefegten Plaza, die immerhin nur zwei Blocks vom Hotel entfernt war. Nach dem Frühstück versuchten wir nochmal unser Glück und Tatsache- die traditionelle Zeremonie war in vollem Gange zu der Uhrzeit, die die Verkehrspolizistin am Vortag genannt hatte, nachdem wir uns mit Bargeld und SIM Karte ausgestattet hatten und in einem "Chifa" Restaurant mal wieder Chinesisch aßen. Soldaten standen am Rande der Plaza. Weitere Soldaten hielten eine Flagge neben einem Fahnenmast. Ein weiterer Soldat stand an einem Rednerpult und hielt eine Rede ungefähr in der Tonlage einer Aufzeichnung von Hitlers Reden- man konnte nichts verstehen aber es klang nach einem bedeutungsvollen, strammen Gerede in die Stille der Plaza hinein, an der nun viele Schaulustige versammelt waren. Dann kamen alte Menschen in schicken Anzügen, die von komisch tänzelnden Soldaten zum Fahnenmast über die Plaza begleitet wurden. Ab und an spielte die Blaskapelle und der Soldat faselte etwas ins Mikrofon. Irgendwann wurde noch eine Fackel entzündet. Ich stand etwas abseits, da ich Angst vor Schüssen in die Luft der Soldaten hatte, die zum Glück nie kamen. Franzi filmte alles aus der Nähe, allerdings viel zu lang, da es über eine halbe Stunde dauerte bis die Fahne schließlich von den wichtigen Leuten gehisst wurde. Danach verließen die Soldaten mit viel Geblase der Instrumente geordnet und im Gleichschritt die Plaza und liefen die gesperrte Straße hinab Richtung einer Menschentraube. Wir glaubten es sei ein Gegenprotest, aber es war nur eine weitere Parade der Bewohner, die die Plaza danach einnahmen und warteten. Peru und Bolivien ähneln sich sicher, daher verwunderte es uns nicht, dass wir am ersten Tag die erste Parade sahen. Schnell eilten wir zum Hotel und schafften es noch in einen Bus, der uns im Laufe des Tages bis nach Arequipa brachte.
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