Arequipa
geschrieben von Timo
Die Welterbe-Innenstadt von Arequipa könnte man als weitere koloniale Altstadt innerhalb von Südamerika wahrnehmen mit vielen Kirchen, Patios mit einem Brunnen in der Mitte und einer Architektur, die sowohl Spanisch geprägt ist als auch indigene Elemente vorweist. Allerdings füllten wir unseren Aufenthalt in der Stadt mit viel Leben, was einerseits an den vielen, netten Lokalen und Restaurants lag, die wir sehr genossen, aber auch an den Feierlichkeiten zum Stadtgeburtstag, der am 15. August datiert ist und an den Tagen zuvor intensiv gefeiert wurde.
Franzi gibt mittlerweile für jede Plaza de Armas (den zentrale Platz in Spanischen Städten; wörtlich Platz der Waffen) ein Rating ab wie gut sie ihr gefällt. Besonders gut fand sie die palmenbewachsene Plaza in Santa Cruz, auf der es bei tropischem Wetter viele Schattenplätze gab und Kaffeeverkäufer, die herumliefen und völlig überzuckerten Kaffee verkauften. Zunächst war sie skeptisch in Arequipa doch nach ein paar Tagen fand sie die Plaza mit einigen Palmen doch schicker. Vielleicht wurde sie beeinflusst vom Reiseführer, der diese Plaza als eine der besten Perus bezeichnete. Arequipa ist ja immerhin auch die zweitgrößte Stadt des Landes. Ich fand besonders die Gebäude um die Plaza herum beeindruckend und auch bezeichnend für die Stadt. Die Kathedrale wirkt riesig und die Gebäude mit runden Torbögen voller Geschäfte, bei denen man jedes Mal angequatscht wird ob man etwas essen möchte, wirken ein wenig wie die Colonaden in Hamburg. Arequipa wurde erst so richtig von den Spaniern gegründet, die eigentlich eine Hafenstadt gründen wollten, sich aber wegen der Wüste und der Moskitos auf 2300 Meter Höhe im Inland zurückzogen, wo auch schon einige Indigene wohnten. Auf Grund der heftigen Erdbeben, die es hier häufiger mal gibt, entschieden sich die Spanier für ein festes Baumaterial, das es hier relativ exklusiv gab: Sillar. Sillar ist getrocknete Vulkanasche, die aus den Vulkanen, die man von der Stadt aus schneebedeckt über den Häusern thronen sieht, stammt und bei fast allen wichtigen Gebäuden verwendet wurde. Das grau-weiße Material soll schon einige Erdbeben gut überstanden haben und wird auch häufig bunt angemalt, so dass die Stadt einen angenehmeren Eindruck vermittelt. Der Vulkan Misti ist ein perfekter Kegel und der Vulkan Chachani wirkt wie eine hohe Gebirgskette hinter der Stadt und kann als einfacher Sechstausender bestiegen werden. Franzi reizte das sehr, aber ich bin nach unserer Wanderung auf über 5300 Meter gar nicht so scharf meinen eigenen Rekord zu brechen, erst recht nicht wenn man dafür so früh aufstehen muss (23 Uhr am Vortag!) und natürlich auch noch sehr viel Geld bezahlt. Letztlich entschieden wir uns dann dagegen. Wir besuchten das Kloster Santa Catalina, in dem viele zweite, spanische Töchter im Laufe der Geschichte abgegeben wurden, damit sie den Rest ihres Lebens Gott widmen und die Eltern und der Rest der Familie etwas gottesgnädiger leben können. Die Geschichte der vielen Nonnen, die hier erzählt wurde, kannten wir schon aus dem Kloster in Potosí, das ähnlich funktionierte, aber die Architektur aus Sillar dieser ummauerten Stadt in der Stadt war wirklich schön. Es gab einen Orangenbaumhof, der in blau bemalt worden war, sowie einen Hof in einem angenehm dunkel-crèmigen rot und auch kleine, gemütliche Straßen an den Wohnungen und Gemeinschaftsräumen der ehemaligen Bewohner vorbei. Auch heute leben hier noch hinter verschlossenen Türen einige Nonnen, aber bei weitem nicht mehr so viele wie es mal waren. Sehr schön fanden wir auch das Café, in dem wir eine Pause machen konnten, so dass wir nicht viereinhalb Stunden durchgängig mit Input versorgt wurden, der hier tatsächlich gut aufbereitet und interessant war. Ein Highlight war natürlich das Aufeinandertreffen mit einem älteren Mann aus Lima, den wir ansprachen, da er ein HSV-Trikot trug. Es hatte aber nichts mit Paolo Guerrero zu tun sondern war ein neueres Trikot und tatsächlich bedeutete ihm der Verein gar nichts, aber er brauchte ein Shirt zum Kicken mit seinen Jungs und wählte dieses. Läuft immerhin beim Marketing für den HSV!
Der Nachmittag war dann auch sehr ergiebig. Wir verließen das Kloster mit der verfrühten Schlussstunde des Tages, da auch hier wahrscheinlich alle Mitarbeiter die Parade anlässlich des Geburtstags der Stadt sehen wollten. Nachdem wir die großen Tore des Klosters durchschritten hatten, sahen wir dass die Leute alle schon in der Straße Santa Catalina ihre Stühle an den Straßenrand gestellt hatten, um einen guten Blick zu haben. Schnell überquerten wir die Straße und stellten enttäuscht fest, dass im Restaurant Crêpisimo mit Fenstern zur Straße hin leider schon die besten Plätze belegt waren. Nach einiger Zeit wurde aber ein Fensterplatz frei und wir teilten ihn uns mit zwei jungen Frauen, die zeitgleich aufgestanden waren, um die besseren Plätze zu bekommen. Ich dachte zunächst, dass sie Niederländerinnen wären, war mir dann aber sicher, dass sie aus Argentinien stammen, da die eine das "ll" wie ein "sch" aussprach- der Dialekt aus der Ecke Buenos Aires/ Uruguay. Tatsächlich stammten nur ihre Eltern aus Buenos Aires und sie sprachen eigentlich Portugiesisch und wohnten im Süden von Brasilien. Sonst kommen alle anderen jungen, weißen Touristen immer aus Europa. Die beiden gaben uns einen tollen Tipp bezüglich des Titicacasees bei Puno für ein Hotel auf einer schwimmenden Insel, auf der es sogar ein traditionelles Boot geben sollte, nachdem Franzi ja schon auf der Bolivianischen Seite des Sees vergeblich gesucht hatte. Außerdem beneideten sie uns und andere junge Europäer sehr, dass man einfach für so lange Zeit in Lateinamerika reisen kann und dass es schwieriger sei von Brasilien aus für so etwas zu sparen. Allerdings stellten sie auch fest, dass es um die Disziplin ginge viel zu verdienen und wenig auszugeben und dass sie das trotz ihrer guten Jobs als Ingenieurin bzw. Chirurgin in der Praxislernphase bisher nicht so gut hinbekommen haben. Tatsächlich war dies ihr erster Urlaub in Südamerika. Ansonsten sind sie im Sommer viel am Atlantikstrand in Brasilien. Bietet sich vermutlich auch gut an. Unser nettes Gespräch wurde irgendwann durch die Parade unterbrochen und einen Brasilianischen Freund, der die beiden im Café besuchte. Wir genossen fortan die Crêpes und Säfte, die vor uns standen und die bunten Kostüme, die am Fenster vorbeizogen während es immer dunkler wurde. Nach einem Crêpe mit Alpakafleisch, gab es noch den Klassiker mit Nutella und Banane. Tatsächlich gab es noch sehr viel mehr Auswahloptionen sowohl herzhaft als auch süß. Es fuhren Wagen vorbei, auf denen Kartoffeln im Feuer gebacken wurde oder Wagen, die mit Quinoa Pflanzen geschmückt waren. Außerdem gab es Tänzer in bunten Gewändern mit verrückten Masken sowie ab und an Feuerwerk. Es erinnerte etwas an den Straßenkarneval in Montevideo vom Gesamterscheinungsbild her und natürlich an die unzähligen anderen Paraden, die wir bisher in Peru und v.a. Bolivien gesehen hatten. Auch das Schneespray, das wir aus Encarnación vom Karneval kennen, kam zum Einsatz. Als die Parade vorbei war, wurden schnell lauter Tische an der Straße aufgebaut und gedeckt mit Schnaps und Ananas. Anscheinend eine lokale Tradition wie man nach der Parade, bei der es viel Bier gab, gut saufen kann. Wir spielten noch in Ruhe unsere Partie Schach auf dem vorgefertigten Tisch im Restaurant zu Ende ehe wir uns von den Brasilianerinnen verabschiedeten und nach Hause ins Hostel liefen. Ich war sehr motiviert und brachte uns noch dazu zum Konzert an der Hauptstraße am Río Chili zu gehen. Der Ausflug bestand ca. 2 Stunden daraus uns durch Menschenmassen zu schieben und eine halbe Stunde schauten wir gefühlt als Einzige dem Auftritt auf der Bühne zu. Er war nicht schlecht aber alle anderen aßen, tranken oder unterhielten sich und nur wenige der tausenden von Menschen klatschten nach einem Lied.
Die gute Free Walking Tour am nächsten Tag präsentierte uns einen schicken Ausblick über die Stadt mit den Vulkanen und ein Zentrum, das traditionelle Webtechniken der Bergbevölkerung aufrecht erhalten soll- ein wenig wie das Textilmuseum in Sucre. Hier webten Kinder und eine Frau in traditionellen Kleidungsstücken in der Nähe von großen Haufen von Alpaka- und Lamawolle, die wohl von den Tieren im Garten zu stammen schien. Hier lernten wir auch nochmal was die Unterschiede sind zwischen den südamerikanischen Kamelarten. Guanakos gibt es vor allem in Patagonien und es sind wilde Tiere. Lamas und Alpakas sind domestiziert und werden für ihr Fleisch, ihre Wolle und ihre Transportfähigkeiten seit Jahrhunderten benutzt. Lamas stammen vom Guanako ab und Alpakas von den Guanakos und den kleineren Vicuñas, dessen Fell das wertvollste und geschmeidigste ist. Die Vicuñas sind auch wilde Tiere, die in den Anden leben. Nach dem Besuch bei den Nähern lernten wir noch die ursprüngliche Plaza der Stadt kennen, die heute wie ein verlassener aber netter Hinterhof wirkt. Wir beobachteten kurz die Papageien im Baum ehe wir in einem Markt ein Queso Helado (Käseeis) zum Probieren bekamen, das hier überall auf der Straße verkauft wird und zum Glück nur so heißt und tatsächlich aus Vanille und Zimt besteht. Es schmeckt sehr lecker und ist erfrischend, wenn es mittags heiß wird. Wir besuchten mit der Tour noch ein paar koloniale Sillargebäude, von denen die jesuitische Kirche am beeindruckensten war mit einer verzierten Außenfassade, in der man unter anderem exotische Pflanzen und Früchte entdecken konnte aber auch das Wappen der Habsburger, die zur Zeit des Baus über Spanien herrschten. Nach der Tour spielten wir noch eine Runde Schach im Crêpisimo, bei der sich Franzi gut schlug, aber am Ende erneut versagte, so dass wir rechtzeitig im benachbarten Restaurant Chicha waren, in dem ich extra für Franzi kein typisches Meerschweinchen bestellte, sondern eine Flusskrebssuppe aß. Ein Mann am Nachbartisch bestellte gleich zwei dieser teueren Flusskrebssuppen nacheinander (je 20€ etwa) und war fast schneller fertig als ich. Wir beide trugen sexy, weiße Schürzen, um den Schmutz auf den Klamotten zu minimieren. Am Ende ließ er mit seiner Frau mehr als ein Glas Chicha stehen, nachdem er bestimmt vier bestellt hatte. Das waren andere Ess- und Trinktraditionen. Chicha ist das von den Indigenen konsumierte und gegorene Maisgetränk, das Alkohol enthalten kann, wenn es sich nicht um das alkoholfreie Chicha Morada handelt.
An unserem letzten Tag wanderten wir noch über den Río Chili, der recht wild wirkt, zu einem sehr touristischen wenn auch schönen Aussichtspunkt über Teile der Stadt aber vor allem mit Blick auf den Vulkan Misti. Danach aßen wir nachmittags in einer der bekannten Picanterías, die eigentlich zum Saufen gegründet wurden, aber später auch Essen anboten um das Klientel zu erweitern. Hier gab es sogar einen ganzen Stall voller, süßer Meerschweinchen, doch ich beherrschte mich und aß ein übliches recoto relleno. Es handelt sich um eine mit Fleisch gefüllte Paprika. Ein Mann im Eingang zerkleinerte Unmengen an Knoblauch traditionell mit einem riesigen Stein. Abends gingen wir ein drittes Mal in den Crêpe-Laden, in dem ein Franzose verzweifelt versuchte auf Französisch zu kommunizieren und bestellten einen Spezialcrêpe mit unseren Lieblingszutaten, um dabei nochmal eine Runde Schach zu spielen. Die Hälfte der Zutaten wurde vergessen und dann nachgebracht und am Ende für horrende Preise extra berechnet. Zu dem Zeitpunkt waren wir schon Stammkunden und eine weitere Bedienung lenkte am Ende ein und überzeugte unseren sturen Kellner, dass er jetzt besser nicht noch mehr extra berechnet, so dass wir am Ende zahlten, was wir für angemessen hielten.
Arequipa ist eine schöne Stadt mit lecker Essen auf angenehmer Höhe. Man muss nicht extra nochmal wiederkommen aber die drei ganzen Tage hier waren sehr schön.
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