Puno
geschrieben von Timo
Nach unserer Ankunft in der dunklen Kälte des Titicacasees unter wunderbarem Sternenhimmel mit dem Boot, in dem uns unser netter Gastgeber Ricardo sogar Decken zur Verfügung gestellt hatte und wir die Eintrittsgebühr für die Islas Uros gespart hatten, da wir zu spät am Tag angekommen waren, wurde uns unser riesiges Zimmer für die erste Nacht mit 3 großen Betten gezeigt. Alle hatten uns von den Islas Uros, also den schwimmenden Inseln nahe der Stadt Puno im Titicacasee abgeraten, da es sich um eine große Verkaufsschau handelt, wenn man sie von Puno aus besucht. Natürlich wollte Franzi sie dennoch sehen, da wir von unserem Ausflug ab Copacabana zu den angeblich schwimmenden Inseln sehr enttäuscht worden waren. In Bolivien waren es nur mit Stroh bedeckte Pontons am Ufer, auf denen Forelle verkauft wurde, die als "Islas Flotantes" Ausflug im Hafen verkauft wurden und damit vermutlich die berühmten Islas Uros in Peru imitieren sollten. Doch auch hier auf der anderen Seite des großen Sees in der Bucht von Puno wird alles versucht, um das Geld der Touristen zu bekommen und vermutlich existieren die schwimmenden Inseln auch nur noch wegen des Tourismus. Der ursprüngliche Grund für die Zivilisation der Uros vom Land auf den See zu fliehen war nämlich vor den Inkas zu flüchten, die ihr Reich auch hier erweitern wollten was ihnen auch gelang. Die Uros nutzten das Tortora (Schilf), um sich Inseln zu bauen und lebten fortan im See. Hier konnte man fischen und von Schilfbooten Wasservögel und ihre Eier jagen. Selbst das frische Schilf konnte man essen. Wir haben es auch mal probiert. Der grüne Teil des Wassergrases ist ein guter Snack. Früher gab es nur wenige, große Islas Uros, aber die Leute wollten immer mehr Privatspähre und so nahmen sie eine große Säge und seperierten sich von ihren Volksgenossen. Wer seine Insel nicht etwas verankert oder nicht gut genug verankert, falls es mal stürmt, konnte schon mal in einem anderen Teil des Sees aufwachen als man eingeschlafen ist. Heute sind viele Inseln nur tagsüber von traditionell gekleideten Menschen aus Puno belebt, die überfreudig Touristen erwarten und ihr Kunsthandwerk verkaufen wollen. Diese Fakeshow sahen wir uns gemütlich von unserer Insel aus der Ferne an, auf der in noch relativ traditionellen Hütten die Frau von Ricardo, ihre Schwester, ihr Vater, er selber und ein paar weitere Verwandte leben. Die Familie bietet drei unterschiedliche Ferienunterkünfte an, die unabhängig voneinander funktionieren, auch wenn es wirkt wie ein Komplex. Das merkten wir als wir unseren netten, jungen Australischen Nachbarn das WLAN Passwort gaben und dann darauf hingewiesen wurden, dass sie in der Unterkunft der Schwester wohnen und daher nicht dieses WLAN inklusive haben. Daher mussten sie auch die Hängematte von unserem Teil verlassen, der so wirkte wie ein Gemeinschaftsbereich. Die Idee hier zu schlafen hatten wir auch erst bekommen, als wir mit zwei Brasilianerinnen in Arequipa gesprochen hatten, die hier eine tolle Erfahrung gemacht hatten. Die Familie hatte wohl erst kürzlich die großen Holzgebäude auf Stelzen mit Plexiglasfensterfronten gebaut, als während der Pandemie wenig los war. Vorher haben die Touristen ebenfalls noch in Hütten aus getrocknetem Schilf gewohnt wie die Einheimischen mit Gemeinschaftsplumpsklo. Die Toilette bleibt dennoch etwas eigenartig. Der vordere Teil liegt über einem Sammelbecken für Pipi während der hintere mit einer Zeitung ausgelegt ist und man nach seinem großen Geschäft eine Art Katzenstreu draufschaufeln kann, bis die Familie bei der Reinigung die Zeitung wieder entfernen. Bei meinem ersten Anlauf im Sitzen verfehlte ich leider den hinteren Bereich, so dass der vordere Bereich bei unserem ersten Zimmerwechsel stark verschmutzt zurückblieb. Zum Glück wurde das nicht zum Thema. Auch das Pissoir war nicht der optimale Ort, da es über Nacht genauso wie alle Wasserleitungen zufror. Bei einer morgendlichen Nutzung war es also frühestens möglich das Urin und seinen Geruch gegen etwa 10 Uhr aus dem Badezimmer zu entfernen. Daher war die eigentliche Toilette auch für mich in jedem Fall am Morgen der geeignetere Ort, wie Franzi wiederholt betonte. Händewaschen ging auch erst später am Tag, so dass morgens das Alkohol in Gelform herhalten musste, von dem wir hoffen, dass es irgendeinen Effekt hat. In den Apotheken arbeiten tendenziell ja auch eher ahnungslose Verkäufer als Apotheker, die wissen was sie verkaufen. Die Temperaturunterschiede hier auf dem knapp 4000 Meter über dem Meer liegenden See wirkten sich sehr auf unseren Alltag aus. Tagsüber sonnten wir uns im T-Shirt und kurzer Hose und sobald die Sonne unterging, musste man Stück für Stück seine Winterklamotten anlegen, um nicht zu erfrieren. Das Bett war zum Glück mit vielen Decken ausgestattet und es gab sogar einen Service, dass man jede Nacht heiße Wärmflaschen bekam. In einer Nacht übertrieb ich auch, als ich die vier Raufaserdecken aus dem zur Ablage genutzten Bett noch zu den vier Decken unseres Bettes hinzufügte und so zwar dafür sorgte, dass es nicht zu kalt war allerdings konnte man dann unter den über zehn Deckenschichten kaum noch atmen, da sie zu schwer auf der Brust lagen. Auf die Idee mit den vielen Decken war ich gekommen, da wir am ersten Morgen fast erfroren wären, da es nachts unter 0 Grad Celsius kalt war, wie man am Wasser merken konnte und wir nicht ausreichend zugedeckt waren. Hier im Haus glich die Innentemperatur nachts auch der Außentemperatur, da die Plexiglasscheiben im Prinzip nicht dämmten. Das spürte auch unser Laptopakku, den wir hier durch die Temperatur schrotteten, woraufhin der Laptop nur noch mit Netzanschluss funktionierte. Umso schöner waren die Fenster dann am nächsten Morgen, wenn man seinen sonnenbeleuchteten Frühstückstisch sah und dahinter das blaue Wasser des Sees und die Stadt Puno, die von einigen Bergen umrahmt wird. Das Frühstück war wirklich lecker und besonders gefiel uns die Brötchenschale, die ein Miniaturboot aus Tortura war mit einem Tierkopf. Der Vater von Ricardo hatte es aus dem lokalen Material gebaut und bemalt und bot es auch zum Verkauf an. Wenn wir nicht auf einer so langen Reise wären, hätten wir es wohl mitgebracht, da es wirklich schön war und Franzi ja seit Bolivien sowieso schon angetan war von den traditionellen Booten, die es auf der anderen Seite des Sees kaum gab. Dafür bewahrheitete sich ihre Anwesenheit in der Unterkunft. Vor unserem Haus lag ein wunderschönes Tortoraboot für zwei Personen, das man mit einem langen Holstab wie ein Kanu betreiben konnte und das nur 5€ Miete für unendliche Benutzung kostete. Franzi war sehr begeistert von dem Bauwerk des Vaters von Ricardo, der wohl sogar kommerziell solche Boote baute und behauptete, dass die Bolivianer einfach nicht das Know How und das Material hätten, um die Schilfboote zu bauen. Es war sehr anstrengend mit dem Boot zu fahren, aber gleichzeitig sehr gemütlich sich auf dem Schilf auszuruhen und fahren zu lassen. Wir steuerten an den von Touristen besuchten Inseln vorbei, die uns neidisch anschauten und selbst die Einheimischen guckten uns interessiert beim Paddeln zu. Da es sehr anstrengend war, kamen wir nicht weit, sondern legten uns lieber etwas ans Ufer und entspannten in der Sonne. Insgesamt zwei kurze Ausflüge machten wir mit dem Boot in dem "Fluss" zwischen den zwei Reihen an schwimmenden Inseln. Ein drittes Mal fuhren wir mit dem Motorboot, den Australiern und dem Vater von Ricardo weit raus in die Bucht von Puno und wir beide und der Australier wagten den Sprung in den eiskalten See bei strahlendem Sonnenschein. Nach wenigen Sekunden war das Badevergnügen dann auch wieder vorbei, da das Wasser wirklich eiskalt war. Es war ähnlich zum Polar Plunge nur ohne Sicherheitsvorkehrungen. Auf dem Rückweg fuhren wir durch das ganze Schilf, das hier noch wächst und sahen dadurch, dass es noch Potential für weitere, neue Inseln und Boote gibt. Auch müssen die existierenden Inseln ständig von oben nachgebaut werden, da das Tortora unten weggammelt. Ansonsten mussten wir unsere Insel nicht verlassen und bekamen neben einem Frühstück zu unserer Wunschzeit auch ein Abendessen zu unserer Wunschzeit serviert. Es gab Hühnchen oder Forelle entweder gebraten oder fritiert. So konnten wir von Tag zu Tag etwas variieren. Am beeindruckensten war vielleicht, dass die Frauen das gute Essen komplett kniend auf dem Boden hinter unserem Haus zubereiteten auf kleinen Tonöfen. Auch der Abwasch und die Wäsche wurde hier gemacht. Ricardo war eher für die Logistik zuständig und fuhr ständig mit dem Boot umher. Beeindruckend fanden wir auch, dass wir selten so nette, lokale Leute auf der Reise kennengelernt hatten. Egal welches Problem es gab alle hier lächelten immer und- und das unterscheidet sie von vielen anderen Peruanern, die einen bei Problemen anlächeln- sie lieferten auch Lösungen. Mal ging der Strom nicht, mal ging das Internet nicht. Wir mussten zweimal das Zimmer wechseln. Aber die Familie war immer ansprechbar und half bei allem. Auch waren sie immer in hübschen, bunten Trachten gekleidet, was authentischer wirkt als in den meisten Peruanischen Orten wo Frauen, die ihre traditionelle Kleidung nur für Fotos mit ihren Alpakas an der Leine anziehen, herumlaufen. Franzi genoss die Harmonie des Ortes vor allem auf einem Bett auf unserer Terrasse mit Blick auf den See. Ich stellte fest, dass ein Bett auf der Terrasse Franzi auch zukünftig überzeugen könnte das Bett im Schlafzimmer zu verlassen und nach draußen zu kommen und fügten es folglich unserer Liste für Anforderungen für ein Traumhaus hinzu.
Auch wenn die krassen Temperaturunterschiede je nach Tageszeit hart sind, die Toilettensituation etwas gewöhnungsbedürftig und das Essen auf Dauer sicher eintönig wird, so sind die Islas Uros, sofern man so nette Gastgeber hat wie wir in "The best Lodge", doch ein toller Ort um etwas zu entspannen und zugleich noch eine neue, kulturelle Erfahrung zu sammeln.
Der Link ist übrigens kein Affiliate. Wir möchten diese großartige Familie einfach gerne unterstützen, ebenso wie Reisende, die auf der Suche nach einer authentischen Islas-Uros-Erfahrung sind.
Kommentar schreiben