Casma
geschrieben von Timo
Viele, antike Kulturen lebten in der wüstenartigen Küstenlandschaft Perus, die lediglich in den Flusstälern der Gewässer fruchtbar sind, die aus den Anden herab zum Pazifik fließen. Das Leben und Sterben von Chan Chan war darauf zurückzuführen wie wir in einem späteren Text beschreiben werden. Und auch die Nazca Kultur lebte vom Wasser aus den Anden, das sie durch ein Kanalsystem durch die Wüste führten, um ihre Länder zu kultivieren. Sie lebten hier schon im ersten Jahrtausend nach Christus und auch ihre Kunst, die heute als Nazca Linien bekannt ist, stammt aus dieser Zeit.
Die Nachtfahrt von Cusco nach Nazca war lang und ausgesprochen hart für mich. Nachdem ich endlich einige Zeit geschlafen hatte, wachte ich früh morgens auf und wurde im Folgenden auf der Abfahrt aus den Bergen runter ins Tal nach Nazca ordentlich in den Serpentinen durchgeschüttelt, so dass ich einfach nur versuchte, dass mir nicht noch mehr schlecht wird. Nach einer kurzen Rast im Terminal wagten wir den Weg zur Unterkunft in der Hoffnung, dass wir schon ins Zimmer gehen dürfen. Vor dem Terminal warteten schon zwei extrem konkurrierende Damen, die uns unbedingt ihre Tour verkaufen wollten. Eine fuhr uns dann zur Unterkunft. Leider war das Zimmer noch nicht frei, aber wir konnten uns ein Frühstück teilen und das Gepäck einlagern. Dabei unterhielten wir uns mit einer netten Australierin, die auf das wartete, was im Prinzip alle Touristen hier machen: Einen Flug über die riesigen Nasca Linien, die unterschiedliche Motive darstellen wie zum Beispiel Tiere. Sie wurden geschaffen, in dem der steinige Untergrund für etwa einen halben Meter Breite zur Seite geschaufelt wurde und dadurch eine hellere Gesteinsschicht zum Vorschein trat. Als die Australierin weg war und unser Zimmer immer noch nicht fertig war, trafen wir noch Melanie aus Österreich mit der wir uns einige Zeit unterhielten. Auf dem Smartphone surfen war keine Option, da es an Strom mangelte. Im Bus fanden wir die USB Stecker erst beim Aussteigen. Und dann war planmäßig das Stromnetz der Kleinstadt Nazca den ganzen Tag ausgeschaltet. Leider erfuhren wir das erst bei der Ankunft im Hostel. Wir hätten uns nicht beschwert, wenn sie uns das nach unserer Buchung geschrieben hätten. Mit Melanie zu sprechen war aber auch interessant. Sie arbeitete in einem Logistikunternehmen und ihr Kunde war der ÖFB. Dadurch kümmerte sie sich immer um den Transport aller Nationalmannschaften zu den Länderspielen. Am spannendsten fand ich natürlich den Teil über die Herrennationalmannschaft, die sie immer begleitete und daher auch die Spieler persönlich kannte. Mich überrascht nicht, dass David Alaba ein sympathischer Geselle ist. Der entspannteste Beruf ist es aber nicht, da sie in den heißen Phasen immer erreichbar sein muss. Dafür war aber auch nichts los, wenn es keine Länderspiele gab. Jetzt verfolgt sie noch aus der Ferne, ob bei den Spielen alles gut läuft- vor allem bei der Organisation der Spiele. Neben spannenden Fußballinfos konnte uns Melanie auch aufklären, dass die 3- Tageskreuzfahrt von Cartagena über die San Blas Inseln nach Panama City sehr empfehlenswert sei. Zwar gibt es auch den Darien Isthmus zwischen Süd- und Mittelamerika, auf dem sich sogar zwei Nationalparks befinden, die Weltnaturerbe sind, aber das Auswärtige Amt warnt wohl nicht ganz zu Unrecht vor den Gefahren durch paramilitärische Organisationen und Drogenkartelle, die auf dieser wichtigen Flüchtlingsroute vor allem für Venezuelaner drohen. Daher ist es gut zu wissen, wie man nach Kolumbien sicher und schön weiterreisen kann, wenn wir uns entscheiden nach über einem Jahr Südamerika noch weiter durch Lateinamerika zu reisen. Melanie konnte uns auch den Flug über die Nasca Linien empfehlen, bei dem wir große Sicherheitsbedenken hatten. Sie musste wissen, ob es gut war, da sie auch mal einige Zeit bei Fly Emirates als Flugbegleiterin gearbeitet hatte. Nach langem Austausch über die Reise war auch unser Zimmer schon lange gemacht. Wir verabredeten uns nach einer nötigen Mittagspause im Bett noch mit ihr für eine vom Hostel organisierte Tour bevor sie abends mit dem Nachtbus nach Cusco fahren würde.
Als wir bereit waren, wurde uns mitgeteilt, dass unsere Tour erst eine Stunde später beginnen würde. Dann hätte ich mir auch keinen Wecker für den Mittagsschlaf stellen müssen. Etwas genervt vom Guide holte er uns dann eine Stunde später ab. Er wusste von gar nichts, da er erst für diese Uhrzeit angefragt wurde und vorher sowieso keine Zeit hatte uns irgendetwas zu zeigen. Offensichtlich war etwas zwischen unserer Bitte und der Organisation der Rezeptionisten schief gelaufen. Wir hatten nicht nur spontan die Nachmittagstour gebucht, sondern auch einen Überflug der Nazca Linien am nächsten Morgen inklusive Abholung vom Hotel mit der Rezeption organisiert, wie es bei Melanie am selben Tag ja schon gut funktioniert hatte. Nun fuhren wir aber erstmal zu den Bewässerungskanälen der Nazca Kultur, die auch auf der Bewerberliste für einen Welterbestatus sind. Das Kanalsystem, das einen Unterwasserstrom aus den Anden auf die Felder der Nazca Kultur führt und ihn dort verteilt, so dass man in der Wüste Landwirtschaft betreiben kann, zeichnet sich dadurch aus, dass es oberirdisch zugänglich gemacht wurde durch in Kreisen angelegte Spiralgänge. Warum die Nazca so eine materialaufwendige Bauweise wählten und nicht so etwas direktes wie eine Leiter in einen Schacht erschloss sich uns beim Besuch nicht. Es bringt aber Spaß einmal zum wenigen Wasser im Kanal hinabzusteigen und sich zu erfrischen. Die Menschen, die heute in der Kleinstadt leben, trinken das Wasser wohl immer noch. Außerdem reinigen einige Personen regelmäßig die Kanäle und müssen sich dafür sehr klein machen, um durch diese durchzukrabbeln.
Nach diesem interessanten aber nicht faszinierenden Besuch fuhren wir ein Stück, um uns die erste, gerade Nazca Linie anzuschauen. Sie führte schnurstracks von dem Hügel, auf dem wir standen in die sandigen Berge. Einer der Berge hier ist eine riesige Sanddüne und kann in einem anstrengenden Marsch bestiegen werden.
Zum Abschluss des Tages schauten wir den Sonnenuntergang von einer Inkaruine an, die etwas außerhalb des Stadtzentrums auf einem Hügel liegt. Hier nächtigten die Inka auf der Durchreise. Nach dem Abendessen mit und der Verabschiedung von Melanie wollten wir ins Bett gehen, da wir früh am nächsten Tag abgeholt werden würden, um die vielen, verschiedenen Nazca Linien von oben zu sehen. Wir googelten nochmal die letzten Nachrichten zu den Flügen und fanden heraus, dass entgegen unseres Wissensstandes der letzte große Unfall nicht schon über zehn Jahre zurücklag, sondern sich erst im Februar 2022 begab. Seitdem gab es sicherlich zehntausende, erfolgreiche Flüge, aber Franzi bescherte diese Tatsache und ihr generelles Gefühl zu dem Flug, das sie schon seit Monaten kundgetan hatte, eine unentspannte Nacht. Ich war mir auch nicht mehr so sicher mit dem Flug, allerdings vor allem da Franzi so verunsichert war. Und so entschieden wir am nächsten Morgen beim Frühstück spontan die ganze Aktion abzublasen. Franzi war so erleichtert von der Entscheidung, dass sie sogar einige Tränen verdrückte. Gut dass wir es nicht gemacht haben, sonst hätte sie es ja auch gar nicht richtig genießen können. Umso fröhlicher waren wir, als der Bus die anderen Gäste des Hotels abholte und wir dort blieben. Zum Glück passierte auch ihnen nichts an diesem Tag, denn wir hörten weder ein abstürzendes Flugzeug noch schlechte Nachrichten.
Statt zu fliegen, fuhren wir also mit dem Bus in ein kleines Kaff namens San Miguel. Die Busfahrt war schon wieder ein unerfreuliches Erlebnis, da sie recht teuer war und der Bus aus dem Terminal vor unserer Abfahrtszeit losfahren wollte, um noch andere Gäste abzuholen. Die warteten alle an der Straße ein paar hundert Meter weiter, weil man von dort vermutlich weniger für das Ticket zahlt. Das wussten wir natürlich nicht. Und so wurden wir unsanft von der Terminal Toilette gerufen, dass der Bus zwanzig Minuten vor Abfahrtszeit losfahren will. Vielleicht ging ich dann etwas provokant langsam zurück zum Bus, da mich schon wieder alles an diesem Busunternehmen störte. Wie bei der Abfahrt von Arica nach Tacna hielt Franzi den Bus auf, während ich kam, und bekam dafür Zuspruch von einem weiblichen Fahrgast, die wohl auch manchmal genervt ist vom Busunternehmen. In San Miguel gibt es ein Museum zu Ehren der Deutschen Maria Reiche, die eigentlich aus einem anderen Grund nach Peru gekommen war, aber schließlich den Rest ihres langen Lebens mit der Erhaltung und Vermessung der Nazca Linien verbrachte. Im Museum fanden wir viele Fotos und Skizzen von ihr sowie ihren Grabstein. Da niemand hier war, kamen und gingen wir ohne etwas zu zahlen.
Ein Privatauto nahm uns ein paar hundert Meter für Geld mit und ließ uns in der kargen Wüste bei einem Aussichtsturm an der Panamericana heraus. Dort stand ein alter Aussichtsturm über den wir schon wussten, dass er recht klein sein sollte. Allerdings konnte man ihn auch nicht mehr besteigen, sondern nur noch den schicken, neuen Turm auf der anderen Straßenseite, der von den Japanern mitfinanziert wurde. Dieser wesentlich höhere Turm war nun unsere Alternative zum Fliegen, da er einen Überblick über zumindest drei Figuren der Nazca Linien gab. Eine dieser Figuren wurde sogar durch den Bau der Hauptstraße in zwei Teile getrennt. Wir liehen uns ein Fernglas und schauten die Kröte, die Echse und den Baum, wie moderne Menschen die Figuren tauften, von oben genauer an. Von der Straße aus sind sie schwer zu erkennen. Man sieht zwar die Linien, die durch zur Seite geschobene Steine und deren Anhäufung am Rand der Linie erstellt wurden, kann aber nicht erkennen welche Figur es darstellen soll. Darin liegt wohl auch die Faszination der Muster. Heutzutage könnte man das Endergebnis einfach mit einer Drohne anschauen und ggf. korrigieren. Vor über 1000 Jahren gab es diese Technologie nicht genauso wenig wie Flugzeuge, mit denen man die Linien anschauen kann. Angeblich waren es die Schamanen, die über die Einnahme von Halluzinogenen wie dem San Pedro Kaktus fähig waren zu "schweben" und das Erreichte von oben anzuschauen. Mir fällt es schwer zu glauben, dass das stimmt, aber es gibt auch keine andere offensichtliche Erklärung, wie so große und fein gearbeitete Bilder entstehen konnten oder auch exakt gerade und sehr lange Linien, und das sogar ohne dass der Wind sie bisher verweht hat. Vom Turm aus konnten wir auch ein Flugzeug beobachten, das über die Linien flog und sich mal nach links und mal nach rechts neigte, damit die Passagiere einen guten Blick über die Linien bekommen. Natürlich sieht man dann mehr Linien, aber unsere Methode der Erkundung war auf jeden Fall entspannter. Vielen Passagieren wird auch schlecht, wenn sie in den Kleinflugzeugen hin- und herbewegt werden und sind froh, wenn die 45 Minuten vorbei sind. Da wir für so etwas auch anfällig sind, gab es noch einen Grund nicht zu fliegen. Wir stiegen den Turm wieder hinab, gaben das Fernglas ab und wanderten etwas am ungemütlichen Highway zu einem Hügel, auf dem wir eine weitere Linie in der Form einer Katze vom Bus aus gesehen hatten. Als allerdings der Bus zurück nach Nazca, der nur einmal in der Stunde fährt, uns an der der Sonne ausgesetzten, staubigen Straße passierte, an der auch die anderen Autos mit hoher Geschwindigkeit an uns vorbeirasten, entschieden wir uns es bei den drei Linien zu belassen und fuhren zurück in die Stadt.
Dort gab es erstmal ein lecker Abendessen: Mein erstes Lomo Saltado, das sich später als eines meiner Lieblingsgerichte in Peru herausstellen sollte. Es hat einen stark asiatisch- chinesischen Touch und ist sicherlich aus der Chifa Essenskultur entstanden, die stark an Chinesische Restaurants erinnert und in Peru sehr ausgeprägt ist im Gegensatz zu allen anderen Südamerikanischen Ländern, die wir bisher besucht hatten. Eine Deutsche Reisegruppe setzte sich neben uns auf die Terrassentische und fing an zu rauchen, so dass wir die Flucht ins Lokal ergriffen, damit mein Essen nicht nach Nikotin schmeckte. Ich bin da immer sehr empfindlich und war genervt von der Gruppe, auch wenn ihr Verhalten nicht verboten war. Franzi sprach sie später dennoch an, da sie wissen wollte wie eine Pauschalreise Peru funktioniert. In der Tat würde die Gruppe viele der spannenden Orte, die wir in Südperu gesehen hatten ebenfalls besuchen. Nach dem Essen besuchten wir noch ein Museum, das wenig begeistern konnte. Das Modell aller Linien im Garten wirkte verstaubt und ohne Erklärungen und die Ausstellungsstücke waren zwar erklärt, aber mit öden, langen Texten. Ich erinnere mich kaum noch an ein Ausstellungsstück der Nazca Kultur, das wir dort gesehen haben. Ein paar Schädel waren sicherlich dabei. Spannend waren eher die Pfauen im Garten. Vielleicht lag es auch an dem fehlenden Flug aber so richtig in ihren Bann ziehen, konnten mich die Nazca Linien nicht. Da ergeht es anderen Leuten, von denen wir gehört hatten anders. Sie halten die Linien sogar für eines ihrer Reisehighlights. Und auch in der Welterbe Gruppe sind sie wesentlich besser bewertet, als das was ich für sie übrig hatte.
Nach unserem Aufenthalt in Lima ging es in wesentlich untouristischere Gefilde. Einerseits ist der Norden Perus generell weniger touristisch. Andererseits sind die nächsten zwei Stopps, an denen wir jeweils ein Welterbe besuchen wollten, wirklich nicht auf der typischen Tourismusroute durch Peru. Zunächst hielten wir in Barranca, wo der Río Supe aus den Anden auf den Pazifik trifft. Generell ist die Küste Perus eine große Wüste und nur an den Orten, an denen Flüsse aus dem Gebirge auf den Ozean treffen, kann Landwirtschaft betrieben werden. Das gilt nicht nur für die heutige Zeit, wie wir ja bereits in Nazca erfahren durften, sondern auch für tausende Jahre zuvor. Und so kommt es, dass die vermeintlich älteste Stadt des gesamten Amerikanischen Kontinents sich im Tal des Río Supe befindet. Vor gut 5000 Jahren soll sie besiedelt gewesen sein. Unsere Ankunft in der aktuellen Stadt Barranca an der Küste war etwas abenteuerlich. Die Tuk Tuk Fahrer kannten unser Hotel alle nicht und als wir sie bis zur Adresse navigiert hatten, stand nicht mal ein Schild an der Tür. Wir riefen also nochmal an und da öffnete uns tatsächlich ein junger Mann. Eine ältere Dame, wohl die Mutter des Mannes mit einer Down-Syndrom und die Frau mit der wir zuvor telefoniert hatten, führte uns zu unserem Zimmer. Das einfach eingerichtete Zimmer mit weißen Wänden hatte alles was wir brauchten und sah wesentlich gepflegter aus als das verwinkelte Gebäude, das auch eine Bauruine hätte sein können. Die nette Frau stattete uns mit Infos über unseren Caral Besuch aus und gestatte uns sogar das Zimmer bis zu unserer Rückkehr aus Caral am nächsten Tag zu nutzen, was sicherlich erst am Nachmittag sein würde. Meistens ist die späteste Zeit für den Check-Out 12 Uhr mittags. Unser Plan war jedoch noch am Abend weiter zu reisen. Auf die Frage hin wo man denn frühstücken könne, sagte sie dass sie uns ja Frühstück machen könne. Wir durften auflisten was wir mögen. Ich mochte zu diesem Zeitpunkt sehr gerne die Kaktusfrucht "Tuna", die man in Deutschland gar nicht kennt. Etwas enttäuscht war sie, als wir am nächsten Morgen zu spät zum Frühstück aufkreuzten, da sie schon alles vorbereitet hatte. Aber wir unterhielten uns dann nett mit ihr und genossen das individualisierte Frühstück.
Danach ging es zum Busunternehmen, das Transporte zum heutigen Örtchen Caral anbietet. Es ist ein gutes Stück im Inland von Barranca aus und dauerte bestimmt eine Stunde auf einer Schotterpiste dort hin zu fahren. Leider gab es keine anderen Fahrgäste und so entschieden wir uns mehr zu zahlen statt auf andere zu warten. Wir wussten zwar, dass noch eine Frau aus Chile aus unserem Hotel kommen würde, aber wir wollten am Abend noch weiterreisen und das nicht unbedingt sehr spät und wir wussten auch nicht wann sie kommen würde. An der archäologischen Stätte angekommen, die ein kleines Interpretationszentrum beherbergt und recht groß wirkte, ergab sich dann schnell eine Tour mit einem Guide, die obligatorisch ist für den Besuch der Anlage. Es waren tatsächlich wesentlich mehr Touristen da, als ich gedacht hätte. Da ich dachte dass wir die einzigen sind, war das auch nicht schwer. Wenig Sinn ergab die Tatsache, dass es in der Anlage Englische Schilder gibt mit Erklärungen, die man aber nicht lesen kann, da man bei der kleinen Gruppe bleiben muss, in der die Guide auf Spanisch alles über Caral erklärte, was sie wusste. Da das Spanisch und die Infos gut waren, war das aber kein großes Problem. Wir sahen mehrere Pyramiden, von denen eine nicht rekonstruiert worden war. Auch ein paar überdachte Ausgrabungsstätten besuchten wir auf dem großen, wüstenartigen Gelände. Die Pyramiden wirkten auf mich wie vom Islamischen Staat eingenommen, da schwarze Fahnen auf ihnen wehten. Tatsächlich sollte das Vögel abschrecken, damit diese die Ruinen nicht weiter zerstören. Es wurden nur einige, wenige Skelette gefunden bisher und es gab wohl nicht im großen Stil Menschenopfer wie in anderen Kulturen der Region. Im Interpretationsbereich der Anlage nach der Tour gab es dann noch sehr viele Infos auf Spanisch, die zwar illustriert waren, aber trotzdem anstrengend waren aufzunehmen, da wir schon erschöpft waren. Spannend war noch, dass die Kultur auch an die Küste ging zum Fischen und dort ihren Fisch offen mit Salz lagerte, damit er sich hielt. Das faszinierendste wenn auch für mich immer schwer greifbare, ist dass sich die Menschen hier bereits 3000 (!) vor Christus niederließen. Zum selben Zeitpunkt streunten die meisten anderen menschlichen Erdbewohner noch als Jäger und Sammler durch die Landschaft.
Als wir genug gesehen hatten, wollten wir direkt zurück aber ein anderer Fahrer des selben Transportunternehmens meinte, dass wir noch zwanzig Minuten auf drei Besucher warten müssen, die gerade eine Tour machen. Aus zwanzig Minuten wurde dann eine Stunde, da er gar keine Ahnung hatte wie viel Zeit seine Fahrgäste noch benötigen würden. Inzwischen wohnten zwei Französinnen dem Warteprozess bei, die aber die erste Gelegenheit auf dem Parkplatz am Schopf ergriffen, als ein anderes Auto losfuhr und statt zu warten mit denen mitfuhren. Für uns gab es leider keinen Platz mehr. Glücklicherweise kamen die drei anderen Besuchen auch zeitnah wieder und wir fuhren zurück nach Barranca, wo wir wie am Vorabend im Chifa Restaurant aßen, bevor es mit dem Gepäck zum Terminal ging. Das dortige Busunternehmen wirkte von Anfang an schlecht, was sich dann auch bewahrheitete. Die unfreundliche Ticketverkäuferin beteuerte natürlich, dass der Bus pünktlich kommt, obwohl sie das nicht wissen konnte. Er kam schließlich über eine Stunde zu spät, während der wir in einer ungemütlichen Wartehalle hofften dass er kommt. Da er aus Lima kam, war er auch schon recht voll und unsere Plätze oben hinten waren besetzt. Die Besatzer versuchten durch weggucken unserer Bitte um Aufstehen auszuweichen. Der Steward rettete uns dann, denn er brachte uns stattdessen auf die komfortableren Plätze unten im Bus, die im Gegensatz zu oben auch nicht in einer extrem sauerstoffarmen Luft lagen. Komfortabel war es aber nur bis der Bus einige Zeit später mit einem Tuk Tuk kollidierte wodurch die Beifahrertür nicht mehr schloss. Mir tat es zwar für den Busfahrerassistenten, der auch der Steward war leid, dass er seine Tür ab diesem Moment festhalten musste, aber ich war froh, dass wir so mit nur zwei Stunden Verspätung unser Ziel Casma erreichten, wo wir fast als einzige ausstiegen.
Mitten in der Nacht brachte uns ein Junge mit seinem Motortaxi, die hier wie in großen Teilen Nordperus aus einer Art Motorrad mit einer überdachten Rückbank dahinter bestehen, bis zu unserem Hotel, das wohl das schickste des kleinen Ortes ist. Er wollte dann den vereinbarten Preis pro Person, aber wir gaben ihm das Geld nur wie vereinbart. Ich bin mir unsicher, ob er uns abziehen wollte, oder ob man hier tatsächlich Preise pro Person vereinbart. Wir gelangten ohne einen größeren Konflikt hinter die Hotelmauern und schliefen uns erstmal aus. In diesem Hotel verbrachten wir drei Tage, um etwas im Pool zu entspannen, Blog Artikel zu schreiben und ein weiteres Welterbe zu besuchen.
Das eigentliche touristische und archäologische Highlight der Region ist wohl die antike Kultur Sechín Bajo, die noch älter als die Stadt Caral ist und hier Überreste hinterlassen hat. Darauf hatten wir es aber nicht abgesehen, da es nicht Welterbe war. Stattdessen besuchten wir nach einigem Suchen mit einem privaten Guide zum Sonnenaufgang mit seinem Auto den astroarchäologischen Komplex Chankillo. Hier errichtete eine deutlich spätere Kultur ein astronomisches Konstrukt aus einem sandigen und steinigen Hügel. Heute stehen hier noch die Überreste der dreizehn Türme, die aus dem Fels geformt wurden. Manche sehen besser und andere schlechter aus. Von einem gewissen Punkt auf beiden Seiten der Turmformation kann man dann nach Interpretation einiger Archäologen die Jahreszeit bestimmen und dadurch Ableitungen treffen für die Landwirtschaft und weitere Entscheidungen des jährlichen Zyklus. In der Tat ist es wohl so, dass die Sonne von dem Punkt an dem wir standen mit den Sonnenwenden jeweils an den äußersten Punkten der Turmformation aufgeht und zwischendurch zwischen diesen beiden Punkten. Also kann man aus heutigem Stand ein Datum daraus ableiten. Die dreizehn Türme deuten auch auf die dreizehn Mondzyklen hin, die es während eines Jahres gibt. Ob das ganze aber tatsächlich so genutzt wurde ist natürlich eine Hypothese und wurde insbesondere von Franzi angezweifelt, die auch schon im Inkareich die vielen Interpretationen von der Anzahl von Objekten sehr kritisch hinterfragte, ohne es besser zu wissen. Unabhängig vom wahren Nutzen der Kultur vor etwa 2000 Jahren war der Moment als die Sonne hinter den Türmen und auch den sie bedeckenden Wolken emporkam sehr magisch. Wir genossen ihn sehr. Von hier konnte man auch auf der anderen Seite eine Festung derselben Kultur sehen, die aber nur besuchbar ist, wenn man einmal komplett um die große Anlage herumfährt, was sehr lange dauert. Ein ausländischer Tourist war wohl beim Versuch gestorben von dieser Seite über den porösen Fels bis hoch zur Anlage zu wandern. Auch uns wären schon beim Anstieg zu den 13 Türmen Wanderstiefel lieber gewesen als unsere Sneaker, da sowohl die Steine als auch der Sand am steilen Hang sehr rutschig waren.
Auf dem Rückweg mit dem Auto fuhren wir an vielen Plantagen vorbei, die hier zahlreich sind. Hier wird der faszinierenderweise lila Mais angebaut, der ausschließlich für das Getränk Chicha Morada genutzt wird sowie viele Avocados. Vielleicht kommen ja auch die Avocados von unserem Hamburger Händler von hier, die ebenfalls aus Peru stammen und immer Grundlage für eine sehr leckere Guacamole sind. Abgesehen von diesem kulturellen Besuch konsumierten wir viel Limonade und Maracuyá Saft im Hotel und spielten die ein oder andere Runde Billiard auf einem anspruchsvollen Tisch, da die Löcher sehr klein waren. Sehr angenehm das untouristische Kleinstadtleben mit Pool und gutem Wetter zu genießen, bevor es hoch in die kalten und nassen Berge nach Huaraz ging.
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