Huanchaco
geschrieben von Timo
In Huanchaco genossen wir über eine Woche lang das Surferleben. Tatsächlich surften wir dabei auch und genossen nicht nur das Umfeld mit vielen Surfern. Da wir es vorher nicht konnten, nahmen wir uns Surfstunden beim 25-jährigen Eric, der ursprünglich aus dem Dschungel stammt. Das funktionierte besser als gedacht. Da ich normalerweise extrem schlecht mit Körperbalance bin, dachte ich dass es ausschließlich frustrierend sein würde. Aber sowohl Franzi als auch ich standen aber der ersten Stunde auf dem Bord in den Wellen. Natürlich fielen wir noch viel häufiger rein, knickten auf den Steinen unter Wasser um, bekamen große Wellen ins Gesicht und kämpften uns auf dem Bord trotz heftigem Muskelkater in den Armen und Nackenstarre (nur bei mir) zurück ins Wasser dorthin wo die Wellen brechen. Aber immerhin gab es auch Erfolgserlebnisse und ich konnte meiner Theorie nach dem Lesen des sehr guten, autobiografischen Romanes Barbarentage auch mal etwas Praxis hinzufügen und dadurch ein besseres Verständnis dafür entwickeln, was der Autor im Buch so erlebt hat. Auch die Dokumentationen über den Deutschen Sebastian Steudtner, der hochprofessionell versucht die größten Wellen der Welt in Nazaré, Portugal zu reiten, die ich mir in Folge des Lesens des Buches angeschaut hatte, bekamen eine völlig neue Bedeutung. Auf Videos sehen die Wellen von einem halben Meter Größe immer winzig aus und das Surfen darauf lächerlich. Aber wenn man alle 30 Sekunden solch eine Welle ins Gesicht bekommt und mit dem Bord zurück will ins Wasser, dann fühlen sich die Wellen nicht mehr so klein an.
Wir haben in Huanchaco aber nicht nur unser Surfer Dasein genossen, sondern auch die reichhaltige, lokale Kultur erforscht und einen alten Freund getroffen. Die Region wurde schon vor etwa 2000 Jahren von den Moche bevölkert, die mit den Tempeln Huaca de la Luna und Huaca del Sol am Cerro Blanco südlich von der Stadt Trujillo, die heute die Landschaft hier dominiert, ein kulturelles Zentrum errichtet hatten. Wir besuchten den Mondtempel am Fuße des weißen Gipfels und konnten von hier aus den Sonnentempel, die antike und unter der heutigen Erde liegende Stadt der Moche, sowie die aktuelle Großstadt Trujillo sehen. Im Hintergrund konnte man den Pazifik erahnen. Bei unserer Tour sowie beim Besuch des guten Museums zur Moche Kultur, die nach dem Fluss benannt ist, der hier aus den Anden auf den Pazifik trifft, lernten wir mehr über die Rituale und Tätigkeiten der Kultur, die gut überliefert wurden durch Malereien auf Keramiken. Am prägnantesten ist sicherlich der Kampf zweier Krieger der Kultur, bei dem es darum ging wer dem anderen den Hut abnahm und ihn an den Haaren packte. Diese fanden vor allem statt, wenn es überhaupt mal regnete. Das war zumeist, wenn das Phänomen, das heute unter dem Namen El Niño bekannt ist, zuschlug, denn dann gab es meistens zu viel Regen für die Region. Der unterlegende Kämpfer gab seine Klamotten und Kampfutensilien und vermutlich sein ganzes Hab und Gut an den Sieger ab. Danach wurde er an einem langen Seil gefesselt und zusammen mit einigen weiteren Verlierern zum Tempel des Mondes nach Moche gebracht. Dort wurde er von einer Art Priester mit Halluzinogenen wie zum Beispiel dem San Pedro Kaktus betäubt und zumeist mit einer Keule durch Schläge auf den Kopf getötet. In Folge dessen wurde er in seine Einzelteile geschnitten und sein Blut aufgefangen, das dann in einem zeremoniellen Becher bei einer Zeremonie dem Volk präsentiert wurde. Einige Teile des Körpers wurden dann bei einer privaten Zeremonie hinter einen großen Felsen geworfen und dienten als Opfer an den Gott, damit der weniger Regen verursacht. So fanden Archäologen unter mehreren Matschschichten im Boden hinter einem Fels immer mehr Knochen, die keine ganzen Skelette ergaben. Neben diesen Opferungsritualen gab es auch viele andere Hinweise auf das Zusammenleben mit Tieren auf den Keramiken. So waren die Seehunde eine große Konkurrenz beim Fischen. Und auch Rehe gibt es hier, die ebenfalls gejagt wurden. Der Mondtempel wurde von Herrscher zu Herrscher immer weiter vergrößert, indem eine komplett neue Schicht um den bisherigen Tempel gebaut wurde. Noch heute sind Reliefs in der Wand übrig und sogar manche Farben sind noch erhalten, die über tausend Jahre alt sind. Irgendwann vor über tausend Jahren ging dann die Moche Kultur in die Chimú Kultur über, die an einem anderen Ort bei Trujillo ihr eigenes Erbe hinterließ, das heute auch als Welterbe geführt wird.
ie historische Stadt Chan Chan liegt nördlich von Trujillo zwischen der Stadt mit etwa 800.000 Einwohnern und dem ehemaligen Fischerdorf Huanchaco, das heute selber über 50.000 Einwohner hat und in dem wir uns einquartiert hatten. Man erkennt Chan Chan nachts daran, dass es eine riesige Fläche ist, die flach und unbeleuchtet ist. So sahen wir es erstmals als unser Bus in Trujillo ankam und unser Uber uns über eine halbe Stunde an Chan Chan vorbei nach Huanchaco fuhr. Tagsüber nahmen wir uns dann einen der öffentlichen Busse von Huanchaco nach Trujillo, um vor der Zufahrtsstraße zum Tempel Nik An auszusteigen. Erstaunlich wie unbequem Busse sein können. Nichts in dem Bus war weich- weder die Fahrweise, noch die Federung, noch die Hartplastiksitze. Sie waren sogar so nah beieinander, dass ich nicht richtig sitzen konnte, da meine Knie nicht zwischen die beiden Sitzreihen passten. Daher war Stehen in dem wild fahrenden Bus, der über die bekannten, Südamerikanischen Bodenschwellen bretterte, fast bequemer als Sitzen. Sehr unbequem war es auch im vollen Bus hinten zu sein, wenn man aussteigen wollte. Da man vorne beim Aussteigen bezahlt, macht der Fahrer hinten nicht die Tür auf. Daher muss man sich komplett durch den Bus durcharbeiten, um vorne wieder aussteigen zu können, während er wild durch die Straßen brettert. Das war für uns auch neu. Angekommen an einer Abzweigung mit Welterbezeichen stiegen wir aus dem Bus aus. Die Sonne knallte in der Wüstenlandschaft. Chan Chan ist die größte Lehmziegelstadt der Welt. Heute ist es zwar eine große Ruinenlandschaft, aber bis vor 600 Jahren lebten hier über 60.000 Menschen der Chimú. Erst als die Inka die Stadt einnahmen, in dem sie die Wasserkanäle aus den Anden blockierten und so die Chimú zum Verlassen der Stadt zwangen, wurde die Stadt unbewohnt. Die Spanier raubten in der Folge alles was glitzerte aus und zerstörten dadurch Teile der Anlage. Auch der Vogelkot, das Meersalz und der gelegentliche Regen taten ihr Übriges. Heute sieht man überall links und rechts der Verbindungsstaße von Trujillo nach Huanchaco kleine, gelb-rote Hügel, die Häuserruinen aus Chan Chan sind. Die riesige, archäologische Stätte ist nicht umzäunt. Es gibt nur ein Warnschild, dass man nichts zerstören darf. Wir folgten dem vorgesehenen Pfad und liefen zu Fuß die 1,4km durch die Hitze bis zum Tempel Nik An. Unterwegs gab es noch Infoschilder in Spanisch über die Ausgrabungen des anderen Tempels, an dem wir vorbeiliefen. Der Tempel Nik An ist der einzige, der so aufbereitet ist, dass man ihn besichtigen kann. Die anderen Tempel stehen brach oder befinden sich erst im Anfangsstadium der Exkavation. Mit einem netten Peruaner aus Ica machten wir eine Tour auf Englisch. Unser Guide konnte gut erklären, was sie über den Tempel wusste. Transferleistungen wie Fragen zu vergleichen mit dem Inkareich, die uns interessierten, waren dann aber schon zu kompliziert für sie. Immerhin war sie sehr freundlich und die Tour informativ. Wir sahen die drei Plätze des Palastes Nik An, auf denen viele Reliefs im Lehmstein erhalten sind. Es gibt Fischmotive oder auch Eichhörnchen sowie Wellen und Vögel, die vermutlich Pelikane darstellen sollen. Auch geometrische Muster sind zu erkennen. Teile des Tempels sind wiederaufgebaut worden, aber es war auch der Tempel der insgesamt neun Tempel in Chan Chan, der am besten erhalten war. Daher wurde er als erstes bearbeitet. Jeder neue Herrscher der Chimú Kultur bekam einen eigenen Tempel, in dem er nach seinem Tod mit seinen Nahestehenden begraben wurde. Schon zu Lebzeiten des alten Herrschers bekam der neue Herrscher einen neuen Tempel gebaut. Das war zumeist der Sohn des alten Herrschers. Wenn der Herrscher starb, gingen manche Angehörigen freiwillig mit in den Tod, um mit ihrem Führer begraben zu werden. Nach dem Besuch der großen Tempelanlage, statten wir noch dem Museum einen Besuch ab. Der sehr nette Mann aus Ica, der für ein Projekt ein paar Wochen in Trujillo ist, ließ uns noch kostenlos in seinem Taxi zurück zum Hotel mitfahren, damit wir nicht zum Museum laufen mussten. Statt unser Kleingeld dafür anzunehmen, bedankte er sich noch bei uns, dass wir sein Land besuchen und hier Geld ausgeben. Es klang fast so, als würden wir uns herablassen von unserem Niveau, um Peru zu besuchen. Ich fand es jedenfalls sehr zuvorkommend und war positiv überrascht von der netten Begegnung. Im Museum gab es noch einige Ausstellungsstücke der Chimú Kultur sowie eine nette 3D Karte von Chan Chan, was wohl Sonne Sonne bedeutet in der damaligen Sprache. Spannend fanden wir den Peruanischen Nackthund, der im Museum leben soll. Später erzählte uns Luis, dass jedes Museum in Peru zwei Peruanische Nackthunde beherbergen muss, um das nationale Erbe zu wahren. Ich kann mir nicht vorstellen, dass das stimmt und es war auch das erste Museum in Peru, in dem ich diesen Hund sah. Aber es klang nach einer witzigen Geschichte.
Mit Luis saßen wir später am Nachmittag im Big Ben, dem vielleicht schicksten Restaurant in Huanchaco und genossen Fischgerichte mit Blick auf die Wellen und den Sonnenuntergang. Wir hatten Luis auf der Dschungeltour kennengelernt, bei der er als einziger nationaler Gast teilnahm. Er sagte uns, dass seine Freunde in Trujillo erstaunt sind, dass er sich die teure Manu Tour geleistet hatte. Noch unglaublicher fanden sie dann aber, dass Luis Freunde aus Europa hat, die seit bereits 11 Monaten durch Südamerika reisen. Damit waren wir gemeint. Luis arbeitet als Buchhalter in Trujillo und verdient etwa 5000 bis 6000 Soles im Monat (1250 bis 1500€). Das sind für 5,5 Tage die Woche Arbeit und nur 2 Wochen Urlaub im Jahr ein Stundenlohn von 6,50€. Auf uns wirkte es so als wäre es damit einer der besser verdienenden Peruaner. Er hat jetzt nach sieben Jahren in der Firma gekündigt und nachdem er sich früher im Jahr von seiner Freundin getrennt hatte, will er vielleicht nach Lima ziehen für mehr Möglichkeiten. Noch lebt er mit über dreißig Jahren bei seinen Eltern. Seine Mutter kocht täglich für ihn. Er hat zwar sein eigenes Haus in Trujillo, aber das vermietet er. Dieser Lebensstil scheint hier gar nicht so unüblich zu sein.
Nach einem schönen Sonnenuntergang im Pazifik fuhr uns Luis mit seinem Auto noch einmal nach Trujillo rein. Nach einem langen Tag waren wir zwar eigentlich schon sehr erschöpft, aber es war ein schöner Ausflug. Spannend war das längste Wandgemälde im Stile eines Mosaiks Lateinamerikas, das etwa die Hälfte der Universität von Trujillo umgibt. Danach fuhren wir bis in die Stadt Moche, in der sich einige Keramiken sowie weitere Wandgemälde der Mochekultur bestaunen ließen. Trotz eines vollen Magens probierten wir uns unfreiwillig noch durch einige, fettige Süßspeisen von Straßenständen, die Luis uns besorgte und unterhielten uns ein wenig auf der netten Plaza. Danach fuhr uns Luis trotz später Stunde und Arbeit am nächsten Tag noch komplett zurück durch Trujillo nach Huanchaco bevor er wieder zurück nach Trujillo zu seinem Haus fuhr. Es brachte ihm sichtbar Spaß uns seine Stadt zu zeigen und auch er bedankte sich, dass wir Peru besuchen. Das hatten wir vorher noch gar nicht in Peru erlebt, dass man sich bedankt, dass wir da sind. Nach dem Sonntagsausflug mit Luis trafen wir uns auch am Mittwochabend nochmal und speisten zusammen Fischgerichte und sehr leckere Eiscrème, die ansonsten schwer in Peru zu bekommen ist, und unterhielten uns ausgiebig.
Zwei Tage lang befassten wir uns nur mit der umfangreichen Planung unseres Besuches im schwer erreichbaren Río Abiseo Nationalpark, der zwischen den Peruanischen Anden und dem Amazonasbecken liegt und der zu den am schwersten zu besuchenden Welterben Südamerikas zählt. Vielleicht können wir durch die ausführliche Planung Vorreiter für andere Interessenten der Welterbe Gemeinschaft werden.
Einen Tag schauten wir uns auch die koloniale Stadt Trujillo an, die der Mitstreiter von Franzisco Pizarro, Diego de Almagro mitgründete und nach dem Geburtsort Pizarros in Spanien benannt worden war. Das Zentrum besteht noch heute aus bunten, kolonialen Gebäuden mit schicken Metallgittern vor den Fenstern, die sehr stilprägend sind. In der Casa Urquiaga, in der auch die nationale Zentralbank untergebracht ist, schauten wir uns alte Möbel an, auf denen wohl schon Simón Bolivar gearbeitet hatte, um Peru von Spanien zu befreien. Eine Geschichtsstudentin gab uns eine exzellente Tour in Spanisch und wollte am Ende nicht mal unser Trinkgeld haben nach diesem kostenlosen Besuch. Das war eine eher unübliche Erfahrung für uns. Dennoch konnten wir sie überzeugen es zu behalten. In einem schicken Café an der Plaza verweilten wir gleich zweimal in Trujillo an unterschiedlichen Tagen und schauten dem Treiben auf dem Platz zu. Abends aßen wir in einem sehr teuren aber auch sehr schicken Restaurant auf einem grünen Balkon über der Straße. Ich genoss einige Cocktails sowie ein schön scharfes Ceviche aus Rindfleisch und Franzis Spare Ribs fielen angenehm von den Knochen ab unter einer angenehm süßlichen Barbecue Sauce. Der Kellner und der Türsteher, der vermeintlich der Eigentümer war, unterhielten sich begeistert mit uns und am übernächsten Tag erkannte uns der Mann an der Tür sogar wieder, als wir ein anderes Lokal suchten.
Abgesehen von den Ausflügen, gab es jeden Tag das Sonnenuntergangskino vor unserer Haustür sowie das größte Hotelfrühstück, das wir bisher in Südamerika hatten. Aus fünf Gerichten konnte man auswählen und zwischen 08:30 Uhr und 11 Uhr sogar Lomo Saltado oder gebratenen Fisch mit Yuka essen. Es war also eher ein Bruch als ein reines Frühstück. Allerdings war eine große Portion Essen nach dem morgendlichen Surfen auch sehr wohltuend.
Viermal waren wir um 8 Uhr morgens fast als einzige mit Eric am Strand und hatten diesen nahezu für uns wohingegen sich abends bis zu vierzig Anfänger an derselben Stelle im Wasser tummelten. Aber selbst dann fühlte es sich im Wasser nicht voll an. Die kurzen Momente auf dem Bord auf der Welle begeisterten Franzi, und mich motivierten sie immerhin dahingehend, dass ich am Ball blieb und motiviert war es nochmal hinzukriegen. Zunächst lernten wir am Strand die Technik wie man in drei Schritten auf dem Bord aufstehen kann und versuchten sie zu automatisieren. Danach ging es natürlich im welligen Wasser deutlich schwerer sie umzusetzen. Franzi versuchte sich an Tag drei auf dem wackeligeren Bord sogar schon damit ihre Welle auszusuchen und selber loszupaddeln und aufzustehen. Ich war froh noch Anschub von Eric zu bekommen und gesagt zu bekommen, wann ich am besten aufstehen sollte. Nach der fünften Stunde sagte uns Eric, dass wir selber die von ihm ausgesuchte Welle geritten waren, in dem wir ohne Anschub losgepaddelt waren. So ganz glaube ich das nicht. Aber zumindest haben wir nach den Stunden mit Eric einige Basics draufgehabt, auf denen wir aufbauen können. Auf den Galapagos Inseln soll man wohl auch gut surfen können.
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