Bukit Lawang
geschrieben von Timo
Nach über zwei Wochen auf Pulau Weh gingen wir endlich dem eigentlichen Ziel unseres Sumatra Aufenthaltes nach: Der Suche nach Orang Utans. An sich eine super coole Erfahrung, aber meine Vorfreude war etwas geschmälert dadurch, dass der eigentlich einzige Ort für eine touristische Expedition zu den Menschenaffen in den Dschungel sehr auf der Karte der weißen Touristen liegt, die nach Medan fliegen und sich dann mit einem Shuttle ins etwas 100 km im Inland liegende Bukit Lawang fahren lassen. Auf dem Weg trafen wir immerhin noch keine anderen Touristen, da wir zunähst erneut mit dem Nachtbus von Banda Aceh zurück nach Medan fuhren, wo wir unseren ersten Stuhlgang des Tages in der abartigen Toilette des Terminals verrichten mussten (eigentlich war sie gar nicht so schlimm aber die Mischung aus Hocktoilette und nassem Boden wegen der Popodusche, die hier alle verwenden, ist für mich noch sehr gewöhnungsbedürftig. Ich bin allerdings eher das Problem, da ich mit meinem Klopapier die Toilette diesmal erst verstopft habe.) und danach mit dem öffentlichen Bus, einer kleiner Klapperkiste mit ausschließlich lokalen Menschen, bis nach Bukit Lawang fuhren. Leider lief das nicht so harmonisch wie es vielleicht klingt, da wir uns sehr mit dem Fahrer und dem Verkäufer in die Haare bekommen haben was den Preis anging. Sie verlangten von uns den doppelten Preis für den öffentlichen Bus, da wir Touristen sind. Das wollten wir nicht akzeptieren, da wir es auch darauf bezogen, dass sie nicht mehr verlangten, da wir Touristen sind, sondern weil wir weiß sind. Für einen öffentlichen Bus hatten wir zudem in noch keinem Land mehr bezahlt, als die lokalen Menschen zumindest wenn der Preis fix war oder wir jemanden gefragt haben, was die Einheimischen im Bus zahlen. Aber hier wurde der Fahrer böse, als wir nicht einwilligten das Doppelte zu zahlen gegenüber den anderen Passagieren. Am Ende schlugen wir vor für vier Personen bezahlen, da unser Gepäck auch noch zwei weitere Plätze belegte, aber er wollte den Preis für sechs Einheimische haben. Dann fuhr er los, diskutierte aber während der Fahrt weiter, so das die nette Passagierin, die Englisch sprach uns erklärte, dass wir jetzt zahlen sollen, im Gegensatz zu allen anderen oder sonst ggf. Auf der Strecke rausgeschmissen werden. Mehr oder weniger genötigt gaben wir also die 100.000 Rupien nach vorne, die wir als akzeptabel erachteten. Die nette Passagierin steckte von sich aus 50.000 Rupien dazu, als sie es nach vorne gab. Offenbar war ihr die Diskussion unangenehm und sie beendete sie damit. Wir wollten uns nicht dafür bedanken, da wir uns vom Fahrer rassistisch diskriminiert fühlten, auch wenn seine Diskriminierung womöglich Teil eines Systems ist. Wir hätten es gerne mit ihm zu Ende diskutiert, auch wenn es vielleicht keine Einigung gegeben hätte. Online hatten wir zuvor auch auf Websites von touristischen Organisationen gelesen, dass bis zu 50.000 Rupien in Ordnung seien, man erst am Ende zahlen soll und auf keinen Fall mehr zahlen sollte, als diesen fairen Betrag und auch auf seiner Position verharren sollte. Mit soviel Gegenwehr hatten wir da nicht gerechnet.
In Bukit Lawang suchten wir uns direkt einen Guide bei der Guide Association. Es wurde Anuar, der uns schon am Terminal abgefangen hatte. Er wirkt sehr sympathisch wenn auch nicht übermäßig kompetent was den Dschungel angeht. Kurz danach sahen wir schon Thomas Leaf Affen, die Franzi ausgiebig fotografierte bis sie sie vom Baum aus anpinkelten. Es stank wohl nicht so schlimm wie befürchtet und konnte mit Taschentüchern behoben werden. Die Preise für die Touren sind teuer für Indonesische Verhältnisse, aber der Ort ist im Prinzip der einige Anlaufpunkt, um als Tourist den Sumatra Orang Utan zu besichtigen, der ja domestiziert auch in Hagenbeck´s Tierpark lebt. Wir hoffen, dass es eine solide Tour wird und sich die 99% erfüllen, damit wir auch einen Menschenaffen im Regenwald sehen. Die Touren um wilde Elefanten oder Nashörner zu sehen gehen ab mindestens einer Woche im Dschungel los. Das war uns dann doch etwas zu viel. Bukit Lawang wirkt wie ein kleines, Indonesisches Dschungeldorf. Viele fahren Moped und viel spielt sich am und im Fluss ab.
Morgens wurden wir tatsächlich um 9 Uhr abgeholt und waren auch wie versprochen nur zwei Touristen in der Gruppe. Außer der Tatsache, dass das Verstauen unseres Hauptgepäcks unerwartet ein wenig Geld kostete, war also alles wie versprochen. Zunächst liefen wir über eine Kautschukplantage aus dem Ort heraus. Auf einer solchen hatte unser Guide Anuar auch bis vor sieben Jahren gearbeitet bis die Preise für den Rohstoff stark sanken und es sich nicht mehr lohnte. Um seine Familie zu ernähren, schulte er um und wurde zunächst Assistenzguide und nach einem Jahr Guide. Heute kennt er viele Wege durch den Dschungel auswendig u.a. auch die Route Bukit Lawang- Kutacane einmal quer durch den Dschungel des Gunung Leuser Nationalparks. In acht Tagen soll man das absolvieren können und dabei hatte er auch schonmal wilde Elefanten gesehen. Selbst wenn wir vorher davon gewusst hätten, hätten wir diese Option wohl trotzdem nicht gewählt. Sie erfordert auch eine 15 stündige Busfahrt über Medan, um vom Start- zum Endpunkt zu kommen. Heute weichen laut Anuar die Gummibaumplantagen den Palmölplantagen, da sich das mehr lohnt. Auf dem Weg von Medan nach Bukit Lawang hatten wir einige davon gesehen. Dort stehen die schönen Palmen im Schachbrettmuster in Reih und Glied. Auch an einer Palmöl Mühle, einer großen, industriellen Anlage, sind wir vorbeigefahren.
Kurz nach der Gummibaumplantage in der Anlage einer der Lodges war es dann auch schon soweit. Eine Orang Utan Mutter hing im Nest und ihr Junges "wanderte" von Baum zu Baum. Es ist sehr beeindruckend zu sehen wie der Orang Utan, was auf Indonesisch "Mensch des Waldes" bedeutet, sich an den Armen festhaltend von einem Ast zum anderen fallen lässt, wenn diese Umknicken. Er arbeitet also im Prinzip mit seinem Gewicht und der Flexibilität der Bäume. Ab und an wurde runter gestrullert oder gekackt, weswegen die hier zahlreichen, weißen Touristen, die die zwei Tiere belagerten, zusahen nicht unter dem Kleinkind zu stehen. In dem Baum waren viele unterschiedliche Nester gebaut. Franzi bewunderte lange die Verwandten von Bella aus Hamburg und grüßte sie von ihr, auch wenn diese das vermutlich nicht verstanden und Bella wahrscheinlich auch nicht kennen, obwohl sie auch hier geboren worden ist. Die Mutter hier war noch im Rehabilitationsprogramm geboren und aufgezogen worden, weswegen sie als "halb-wild" bezeichnet wird, wohingegen das Kind wild ist, da das Programm wegen seines Erfolges eingestellt wurde. Als ein anderer Guide am Baum rüttelte, so dass auch die Mutter erstmals aktiv wurde, gingen wir.
Der Tag stellte sich als großer Glücksgriff heraus, wie auch unser Guide betonte. Das laufen war sehr anstrengend, da es schwül und heiß war und durch schlammigen Boden immer runter bis zu einem Fluss ging und dann wieder hoch auf einen Hügel, wobei alles extrem rutschig war. Das Gute war, dass wir die ersten Stunden nicht viel liefen, denn es gab immer Tiere bzw. Affen zu beobachten. Zunächst eine weitere Orang Utan Mutter im Baum und ihr Junges, das gerade ein Nest baute. Später kam sie herunter und holte in nächster Nähe der Touristen Essensreste vom Boden ab, ohne diesen jedoch zu berühren. Sie wirkte nicht ängstlich. Hier geht die Geschichte um, die wie eine Legende klingt vom Aufzuchtsaffen Mina, die sehr aggressiv ist und schon über dreißig Menschen gebissen hat. Sie wurde aber seit einigen Jahren nicht mehr gesehen. Nachdem wir Franzi von den Orang Utans loseisen konnten, entdeckten wir noch eine kleine Echse auf einem Ast, die am Hals eine Art Flügel einer Fliege hatte, den sie manchmal aufbließ. Wir wissen nicht welches Tier das war, aber es war auch spannend.
Später sahen wir noch weiße Gibbons und die schwieriger zu findenden schwarzen Gibbons in den Bäumen über uns, für die unser Guide für ein Foto extra zweimal einen Hügel wieder hinabstieg, was wir energetisch nicht mehr schafften. Er war selber sehr begeistert von den Gibbons und wirkte fast so als müsste er uns auch davon überzeugen. Wir konnten die zwei Begegnungen zuvor jedoch besser würdigen. In der Mittagspause in einem kleinen Flussbett im dichten Wald war schon eine Südliche Schweinsaffen Bande zu uns gekommen und danach mehr oder weniger mit uns den Wald aufgestiegen. Vorher hatten wir lecker Nasi Goreng (indonesisch für gebratenen Reis) in Bananenblättern bekommen wie es hier üblich ist. Die Affen sehen aus der Entfernung wegen ihres Ringelschwanzes tatsächlich aus wie Schweine. Mehrere Weibchen hatten kleine, niedliche Babys dabei, die sie beim Laufen auf allen Vieren unter ihrem Bauch hängend transportierten. Alle Affen bemerkten uns zwar, aber gingen ihren üblichen Aktivitäten nach. Das Highlight war dann sicherlich ein Treffen mit einem Orang Utan Pärchen am Nachmittag und nur wenigen anderen Touristen. Das Männchen hatte das typische, platte, umrahmte Gesicht und saß auf einem dünnen Ast über uns, der nicht so wirkte, als könnte er den Affen halten. Die Affen haben aber so ein starkes Feingefühl für die Äste und Bäume, dass sie wohl nie herunterfallen.
Leider kamen wir erst nach dem abendlichen Regenschauer im Camp an, so dass große Teile unserer Klamotten nass waren von Schweiß und Regen. Wir hangen sie zwar über Nacht auf, aber es brachte wenig. Zumindest die Regenklamotten wurden etwas trocken. Wir sprangen dann direkt in den Dschungelfluss, was nach der schweißtreibenden Wanderung sehr erleichternd war. Auch unseren erst siebzehnjährigen Koch lernten wir kennen, der das ganze Essen und Kochutensilien aus Bukit Lawang den Fluss entlang bis zu diesem Camp aus offenen Bambusunterständen geschleppt hatte. Wir waren uns unsicher, ob wir damit Kinderarbeit unterstützen, aber ehrlicherweise hatte ich auch die Schule in dem Alter abgeschlossen. Trotzdem ein ziemlicher Knochenjob für den jungen Mann, der kein Englisch konnte. Im Camp stieg unsere Begeisterung für das Geld, das wir bezahlt hatten dann sehr stark. Zwar ist die Tour mit über 300€ für uns beide für drei Tage für örtliche Verhältnisse teuer, aber wir bekamen auch ein riesiges Buffet an leckeren Gerichten serviert, die der Junge für uns unter aus meiner Sicht schwierigen Bedingungen an einem Gasherd unter einem Unterstand im Sitzen zubereitet hatte. So viel wie gekocht wurde, konnten wir gar nicht essen. Nett war, dass Koch und Guide mit uns mitaßen. Das Kartenspiel danach lehnten wir müde ab und schliefen dann fast zwölf Stunden unter dem Moskitonetz. Zum Pinkeln in der Nacht lief ich nicht aus dem Unterstand heraus, da es schüttete und die giftigen Tiere wie Schlangen und Frösche nachts bei Regen wohl am aktivsten sind. Eigentlich wollten wir auch einen Nachtspaziergang machen wie bisher immer im Dschungel, aber mit den Klamotten bei dem Regen und den steilen Wegen überlegten wir es uns vor Ort anders.
Ich war schon um sieben Uhr wach und schrieb und fotografierte etwas am Fluss. Gegen neun weckte ich Franzi aber erst gegen 11 Uhr waren wir startklar. Es wirkte fast so als hätten wir uns selber mehr beeilen müssen, wenn wir früher hätten losgehen wollen. Anuar sagte nämlich nie etwas dazu. Aber so kamen wir am Abend wieder in den Regenschauer. Zum Frühstück gab es wie beim Abendbrot bereits einen riesigen Fruchtteller bestehend aus Bananen, Ananas, Wassermelone, Maracuja und der lokalen Kobrafrucht, die ein wenig wie Knoblauch wirkt, aber nicht so schmeckt. Ungeschält hat sie eine Haut und Form wie ein Kobrakopf oder sie sieht auch einer dunklen Erdbeere ähnlich. So viel Obst auf einmal fand ich schwer zu essen. Es gab auch ein Dreifachdecker Sandwich dazu.
Nach ein paar Metern in Flip- Flops durch den Fluss ging es erwartungsgemäß steil und lange bergauf, so dass die teilweise frischen Klamotten nun endgültig vollgeschwitzt waren. Wir sahen den ganzen Tag nur Wald und hörten höchstens Affen. Auch Motorräder und den Ruf des Muezzins konnte man in der Entfernung hören, solange wir oben auf einem Hügel waren.
Erst nachmittags an einem kleinen Bach begab es sich, dass wir eine private Begegnung mit zwei Orang Utans hatten. Das junge Pärchen saß bzw. hing im Baum wobei sie deutlich näher ans uns dran war als er. Sie futterte irgendwelche Früchte und beobachtete uns mit ihrem grauen Gesicht entspannt. Ich finde, dass das Gesicht der Tiere aussieht wie ein altes Menschen Gesicht wegen der vielen Falten. Die Früchte waren wohl Überreste der vorherigen Touristen. Spektakulär war wie sie mit Armen und Beinen den Baum runterkletterte, um noch eine Frucht aufzuheben. Als nur noch ein Bein am Baum hing und der Rest schon stand wie ein Mensch und sie dann noch das Bein vom Baum löste und quasi auf beiden Beinen auf dem Boden stand, hätte es auch ein sehr haariger und kleiner Homo Sapien sein können, der hier vor uns steht. Allerdings duckte sie sich einen Wimpernschlag danach nach vorne und lief ein paar Schritte auf allen Vieren bis zur Fruchtschale auf dem Boden, nur um dann zügig wieder zurück auf den selben Ast zurückzukehren, auf dem sie vorher saß. Diesen Moment könnt ihr euch hier auch nochmal im Video ansehen. Als wir dann für ein Foto ein wenig den Hügel hochgingen und unsere Rucksäcke unten beim Bach liegen ließen, wurde der zuvor träge wirkende Orang Utan auf einmal ganz schnell. In wenigen Augenblicken war sie vor unserem Gepäck und griff nach etwas. Da Anuar schnell runterlief, flüchtete sie aber ohne etwas mitgenommen zu haben wieder auf einen Baum. Anuar behauptete danach, dass der Affe unseren Regenponcho greifen wollte, da er an Essen denkt, wenn er Plastik sieht. Wir vermuteten, dass sie die Früchte in Anuars Rucksack gerochen haben könnte. Unabhängig davon blieb die Tatsache, dass die unnötige Provokation unserseits den Moment ein wenig kaputt gemacht hatte.
Daraufhin verließen wir den Ort, da es schon spät am Nachmittag war. Vor dem finalen Abstieg setzte leider bereits der starke Nachmittagsregen ein. Das war insbesondere deswegen schlecht, da nur der anspruchsvollste weil steilste Abstieg bevorstand. Zusätzlich hatten wir keinen guten Regenschutz für die Rücksäcke, so dass Franzi zwei Regenjacken Anzog- eine über ihren Rucksack- und ich den Poncho aus Kueláp trug, der aber vorne inzwischen ein großes Loch hatte. Der erdige Boden verwandelte sich schnell in einen sehr seifigen Boden und man musste Füße gezielt auf Wurzeln und Steinen platzieren und sich an Seilen bzw. Lianen festhalten, um nicht abzurutschen. Trotz Wanderschuhen nahm ich auch erstmals Franzis Angebot an und nutzte einen ihrer Wanderstöcke. Am Ende kamen wir völlig verschwitzt und nass, aber mit trockenem Gepäck am Camp am Bohorok Fluss an, der ein reißender Dschungelfluss ist. Es ging wieder direkt in den Fluss zum abkühlen und Reinigen, wobei man aufpassen musste nicht mitgerissen zu werden.
Nach einem Abendessen, das diesmal schaffbarer und wieder sehr lecker war, spielten wir noch das einfach zu lernende Kartenspiel "Karo 7", das mit einem Poker Set ohne Joker gespielt wurde und Solitaire in gegeneinander ähnelt. Später sahen wir am Busterminal von Bukit Lawang wie ältere, rauchende Männer an drei Tischen es um Geld spielten. Glücksspiel ist im Islam ja eigentlich verboten, es soll aber auch Christen hier geben. Ob es aber so viele sind? Das Spiel war sehr unterhaltsam und alle stimmten final der Regel zu, dass der Verlierer einer Runde etwas singen muss. Anuar hatte die Regel selber vorgeschlagen, war aber auch entsprechend vorbereitet. Gemeinsam mit dem jungen Koch, der netterweise auch mitspielte, stimmte er den lokalen Klassiker für Touristen an, der aber tatsächlich sehr unterhaltsam ist und wir noch nicht kannten. Im "Jingle Bells" Rhythmus wurde klatschend gesungen:
"Jungle Trek, Jungle Trek in Bukit Lawang
See the monkeys, see the birds, see Orang Utan"
Mit Strophen wie:
"Walking together, laughing together, everything together in Bukit Lawang"
Und als Abschluss gab's passend zur lokalen Touristengeschichte:
"See the monkeys, see the Mina- everybody run!".
Unterbrochen wurde der Kartenspaß, als ich mir juckend in den Nacken fasste und danach etwas auf dem Ärmel sitzen hatte, das aussah wie ein großer Staubflusen. Leider war es eine Raupe, die giftige Haare hat und mir meinen gesamten Nacken verbrannt hatte. Es juckte mich den Rest des Abends trotz Abwaschen im Fluss und mein einziges, trockenes Oberteil juckte auch unangenehm. Oben ohne zu Sitzen war bei den Mücken aber natürlich auch keine Option. Trotz des Zwischenfalls spielten wir noch einige Runden weiter bis ich die Runde auf Grund der Uhrzeit beendete. Sehr schön noch etwas gemeinsam mit dem Koch zu machen, und Spaß zu haben, da er ja kein Englisch sprach. Auch sehr respektvoll, dass er nie in unserer Nähe rauchte, obwohl er das wie gefühlt alle Indonesischen Männer ansonsten gerne machte. Anuar rauchte übrigens garnicht. Er hat damit aufgehört, da er mal einen Monat lang husten musste, und ihm das half. Seitdem wird er von seinen Freunden als "Ladyboy" bezeichnet, was hier wihl eher eine Beleidigung als eine gesellschaftliche Gruppe ist. Das zeigt auch nochmal wie sozial verankert die ungesunde Unsitte hier ist.
Am nächsten Morgen lief alles noch gemächlicher als am Vortag, so dass wir erst nach elf Uhr starteten. Wir hatten das Gefühl, dass wir etwas sagen mussten, damit etwas passiert. Zunächst liefen wir auf Flip- Flops am Fluss entlang und durch den Fluss, was mir sehr wenig gefiel, da im Wasser wegen der Strömung die Lasche meines Flip-Flops anriss und wir danach auf rutschigen Steinen ohne adäquates Schuhwerk kletterten. Nach kurzem Weg aber war es geschafft und Anuar zog uns an einer ruhigeren Stelle mit einem der Rafting Ringe, die der Koch hierher geschleppt hatte, durch den Fluss. Auf der anderen Seite erreichten wir nach kurzem Marsch einen schönen Wasserfall, unter dem man baden konnte und der einem an der richtigen Stelle den Rücken massierte. Später stellten wir jeweils einen offenen Blutfluss an unterschiedlichen Körperstellen fest- unser erster, intensiver Kontakt mit Blutegeln. Tatsächlich merkten wir nichts von ihnen bis man anfing nachhaltig zu bluten. Zuvor hatten wir diese kleinen Würmer schon das ein oder andere Mal rechtzeitig entdeckt.
Zurück beim Camp wurde aus zwei kleinen Rafting Ringen und dem großen, den wir schon genutzt hatten, eine Art Rafting Boot gebaut. Unser Gepäck wurde in Plastiksäcke gepackt und zugeschnürt und zwischen dem mittleren und dem vorderen Ring befestigt. Vorne saß Anuar mit Holzstock, in der Mitte wir und hinter uns der Koch mit Holzstock. So ging es den Fluss runter und es war nicht so wild, sondern eher lustig, wenn es mal durch Stromschnellen ging, da man von unten und von oben nass wurde. Vorsorglich waren wir nur in Badekleidung und ohne Brille eingestiegen. Wir vereinbarten noch einen Stopp, wo wir nochmals Orang Utans suchten und fanden. Gut eine halbe Stunde beobachteten wir zu dritt die Mutter und Kind Gruppe. Dann hieß es für Franzi Abschied nehmen von den Orang Utans. Am Strand gab es noch Mittagessen und wir zogen uns wieder schiffstauglich um, ehe es das letzte Stück auf dem Fluss bis zurück nach Bukit Lawang ging. Hier wurden wir von Badenden Touristen und Locals begrüßt, als wir ankamen. Wir verabschiedeten uns vom Koch, der die Reifen wegbrachte und als wir unser Gepäck hatten kurz danach auch von Anuar. Er hatte uns wirklich positiv überrascht und uns eine schöne und sorgenfreie Tour beschert.
Unsere neue Unterkunft, die für die letzten zwei Nächte etwas schicker war, lag etwa 2 km entfernt an einer Straße, durch die kein Auto fahren konnte, wie wir bereits wussten. Das Hotel schickte zwei englischsprachige und tatkräftige Jungs auf Mopeds, die feststellten, dass sie uns auf zwei Mopeds mit Gepäck nicht mitbekommen werden. Daher holten sie noch einen dritten dazu und unser großes Gepäck kam in den Fußraum und hinten auf ein Moped, während wir auf den anderen mitfuhren. Eigentlich will ich es möglichst vermeiden ohne Schutz Moped zu fahren, aber ich akzeptierte es für den kurzen Weg. Wir fuhren durch eine enge Fußgängerzone und unser Fernglas fiel aus der Außentasche meines Rucksacks, aber zum Glück hörte ich es. Vor Ort hatten wir die preiswerte Luxus Suite gebucht, die eine Hälfte eines großen Doppelhauses am Hang war und hübsch gestaltet wenngleich total schlecht geschnitten. Unter anderem gab es im Badezimmer eine komplette Ecke aus Stein, die aussah wie ein Saunasitz, die keine wirkliche Funktion hatte. Das Badezimmer war mit schönen Steinmosaiken verziert und das große Doppelbett aus Bambusstangen gebaut, aber das Wasser floss im Waschbecken nicht ab und der Strom fiel regelmäßig aus. Dennoch genossen wir einen ganzen Tag hier, an dem wir einiges erledigten und immer mal wieder den Blick vom Balkon auf den gegenüberliegenden Dschungel, den Fluss und den Garten schweifen ließen. Mein neues Lieblingsgetränk, ein Kokosnussmilkshake, war auch hier sehr lecker.
Am letzten Tag in Bukit Lawang machten wir noch eine Tour auf Motorrädern zu einem etwas entfernteren Ort am Nationalpark. Dort besichtigten wir die höchste Blume der Welt. Sie ist sehr groß und auch hoch und wirkt etwas deplatziert im sonst sehr grünen Dschungel, da sie bunt ist. Unser Guide zeigte uns auch wie die Blume, die nur alle sieben Jahr blüht, aussieht wenn sie verwelkt ist. Dann wachsen nämlich lauter rote Früchte an ihrem mächtigen Stengel. Um dort hinzukommen, trug er uns Huckepack durch zwei Flüsse durch. Beim zweiten Mal setzte er mich allerdings im Fluss ab, weswegen ich auf dem Rückweg mit Trail Running Schuhen und Socken durch den Fluss lief. Nach der Tour, die Anuar uns verkauft hatte, aber bei der er nur einer der Motorradfahrer war, gab es dann noch Unstimmigkeiten was den Preis anging. Dabei lernten wir eine Britische Forscherin als Schlichterin kennen, die seit 28 Jahren Orang Utans erforscht und nicht zufrieden mit den Guides in Bukit Lawang ist, da diese für die Touristen Essensreste zurücklassen, um die Tiere anzulocken. Gleichzeitig kann sie es auf Grund der persönlichen Lage der Menschen verstehen, die eher ihr eigenes Leben im Blick haben als das der Tiere. Tatsächlich entschuldigte Anuar sich am Ende und wir einigten uns auf einen Preis zwischen unseren bisherigen Vorstellungen und gingen im guten Auseinander. Bisher auf der Reise war es immer so gewesen, dass durch solche Momente die Beziehung so beschädigt war, dass man nicht mehr auf einen grünen Zweig mit der Person kam. Schön dass es auch anders geht.
Anuar half uns noch einen Bus für die Rückfahrt nach Medan zu finden. Die Fahrt dauerte doppelt so lange wie auf dem Hinweg, da die erste Stunde extrem langsam gefahren wurde auf der Suche nach Kunden. Als der kleine Bus dann völlig überfüllt war wie ein südamerikanischer Trufi mit gebückt stehenden Gästen, musste der Reifen gewechselt werden. Danach ging es schneller bis nach Medan. Der hibbelige, Kette rauchende Fahrer wollte aber erst am Ende Geld, weswegen wir auf dieser Fahrt wesentlich entspannter waren. Auch diesmal einigten wir uns nicht, aber er verfolgte uns auch nicht, um mehr Geld zu erhalten. Wir hatten mit 70.000 Rupien weniger gegeben als auf der Hinfahrt, diesmal belegte unser Gepäck aber auch keinen Sitzplatz, da wir unsere Füße darauf abgestellt hatten. Trotzdem wollte er einen unlogischen Betrag für das Gepäck haben, der sich auch während seiner Forderung änderte.
Mit vielen schönen Erinnerungen verließen wir den Gunung Leuser Nationalpark, allerdings waren wir auch froh, dass unsere Wäsche jetzt wieder sauber war und die Stiche und Wunden heilen können.
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