Nong Khai
geschrieben von Timo
In Nong Khai am Mekong wollten wir erstmals seit unserer Abreise aus Bangkok wieder etwas durchatmen. Zuletzt bestand der Ablauf einer Woche häufig aus ankommen, auspacken, organisieren, besuchen, einpacken, weiter reisen und das innerhalb von 48 Stunden. Das war manchmal etwas anstrengend. Die Unterkunft Mut Mee Garden Guesthouse war ein guter Ort um etwas runter zu kommen. Auch wenn es nicht der perfekte Ort war. Der Eigentümer Julian aus London, der hier seit Ende der 1980er Jahre wohnt, und seine Thai Ehefrau Pao waren beide sehr nett und da tiefste Nebensaison war, hatten sie sogar ein wenig Zeit sich zu unterhalten. Sie haben diese Pension vor langer Zeit übernommen und erweitern sie immer weiter. Sie hat einen schönen Garten, der ein wenig wie ein Urwald ist und in dem man viele, kleine Tiere entdecken kann. Das bedeutet allerdings auch, dass es viele Mücken gibt, so dass wir viele Stiche sammelten.
Insbesondere nachdem ab dem zweiten Tag die Regenzeit endgültig anfing und es jeden Tag teilweise stundenlang regnete und der Himmel stets mit dunklen Wolken verhangen war, schwirrten unzählige Moskitos umher. Das Ehepaar lässt zwar teilweise den Garten mit Gift einsprühen, um die Moskitos zu begrenzen, aber sie wollen auch nicht so viel verwenden, um das Ökosystem in Takt zu lassen. Auch die vielen kleinen Eidechsen, die im ganzen Land an den Wänden und Decken hängen fressen wohl die Moskitos. Wir hatten dieses Mal zum ersten Mal seit Malakka wieder eine Kakerlake im Badezimmer, die dafür sorgte, dass wir dieses heftig mit Giftstoffen einsprühten bis das fitte, schnelle Tier tot war. Leider starb es nicht direkt an dem Moskitospray, das die Unterkunft parat hatte, und so war unser Zimmer eine unangenehme Räucherkammer kurz bevor wir schlafen wollten. Als wir die Tür noch etwas offen ließen, um die Dämpfe ein wenig los zu werden, schlich sich noch eine Hauskatze ins Zimmer und Franzi merkte es als es unter dem Bett miaute. Kakerlaken sind so groß, dass es uns leid tut sie zu töten im Gegensatz zu den kleineren und ob der übertragbaren Krankheiten wesentlich gefährlicheren Mücken, aber gleichzeitig finden wir sie auch so gruselig auf Grund ihres schnelles, hemmungslosen Herumlaufen uns auch weil wir sie nicht berühren wollen, dass es immer ein etwas hilfloser und unwürdiger Kampf ist, wenn uns eine Kakerlake begegnet und sie nicht selber wieder verschwindet.
Julian und Pao haben einen Stamm an Angestellten, die per Hand unsere Wäsche wuschen und von morgens bis abends leckeres Essen à la carte zubereiteten. Auch konnten wir durch unsere abwaschbaren Strohhalme wieder viele Plastikstrohhalme in Plastikpackungen einsparen. Einige Kuriositäten hatte das Menü auch zu bieten. So kochte Pao, die gerne kocht, für uns das Gericht "Pao´s Special". Das waren lecker gewürzte Schweinemedaillons. Witzigerweise wusste Pao aber selber immer gar nicht, dass das ihr Spezialgericht war. Auch witzig war, dass man für den höchsten Preis des Menüs im Getränketeil auch Mekong Flusswasser bestellen konnte. Julian erklärte den hohen Preis durch die Versorgung im Krankenhaus im Anschluss an den Konsum. Auch die Schilder, die vor dem Rauchen in einem der Pavillons auf Grund der Gefahr explodierender Nichtraucher warnten, fanden wir belustigend zumal sie nicht so weit hergeholt waren. Tatsächlich zog die Nikotinfahne aus den benachbarten Pavillons oft herüber und machte mich leider dennoch wütend.
Auch gab es außer den gemütlichen Korbstühlen im Essensbereich kaum andere Verweiloptionen, so dass man den ganzen Tag am selben Fleck saß. Ein paar mehr Hängematten hätten geholfen. Auf dem kurzen Weg zum Flussufer, hinter dem abends die Sonne in rosa Tönen unterging, gab es auch einen Weg, den wir erst nach einiger Zeit als öffentlichen Weg erkannten, da es zunächst so wirkte als würde das Grundstück bis zum Ufer reichen. Julian präsentierte uns auch in seiner Architektur Freeware auf dem Computer den Entwurf eines weiteren Hauses für Gäste und seinen Sohn, das im Laufe der nächsten zwei Jahre auf dem Grundstück entstehen soll. Daher habe ich Lust ein anderes Mal nochmal vorbei zu kommen, um zu schauen was aus dem Plan werden wird. Auch im Innendesign merkte man Julians Kreativität. Mir gefielen die Duschen, die wie gewohnt offen im Badezimmer angebracht waren, aber bei denen man auf einigen Steinplatten innerhalb eines Beets aus mittelgroßen Steinen stehen konnte zwischen denen das Duschwasser versickerte. Natürlich versickert hier generell alles an Wasser auch mit Reinigungschemikalien im Boden, was besser sein muss, aber ein Problem im gesamten Land ist.
Wir nutzten die Zeit um das Gepäck etwas auszumisten und zu reinigen, etwas am Blog zu arbeiten und Reviews für die Welterbe Gruppe zu schreiben und auch um das ein oder andere Heimat Telefonat zu führen und zu entspannen. Außerdem nutzte mein Fuß die Zeit um etwas abzuschwellen. Seit dem Ban Chiang Ausflug hatten die offenen und teilweise eiternden Wunden, die vermutlich durch Mückenstiche entstanden waren und schon seit Wochen in unterschiedlicher Intensität bestehen, nämlich dafür gesorgt, dass mein Fuß angeschwollen war und ich nur noch humpeln laufen konnte. Zwar waren die Wunden am Ende des Aufenthaltes nicht verheilt, aber nach zwei ganzen Tagen Fuß hochlegen und mit einem Lappen aus dem Eisfach kühlen, konnte ich zumindest wieder vernünftig laufen.
Im Lonely Planet wird vom berühmten Raketenfestival berichtet, dass es in Nong Khai gibt und tatsächlich wussten auch die Betreiber unserer Unterkunft davon. Allerdings schien es deutlich weniger populär zu sein, als es im Reiseführer dargestellt war. Wir erhielten sehr variierende Informationen zu Veranstaltungsort und Zeit. Letztlich steckte in allem etwas Wahrheit. An einem buddhistischen Feiertag wurden in einer Straße von Nong Khai große, bunte Raketen in einer Zeremonie durch die Straße geführt. Wir fanden den Ort und setzten uns wie alle anderen auf rote Plastikstühle in den privaten Vorgarten einer Person, deren Toilette ich sogar nutzen durfte und die selber an einem Stand im Garten etwas Essen verkaufte. Wir waren schon an den Wagen mit den Raketen vorbei gelaufen, aber es dauerte noch über eine Stunde bis die Parade begann. Die Informationslage über die Startzeit war ähnlich vage wie wir das schon an anderen Orten auf der Reise erlebt hatten, aber schließlich zogen bunte Tänzer, Wagen mit Raketen und Pick-Ups mit dicken Boxen und Musik an uns vorbei.
Die Tänzer arbeiteten viel mehr mit den Armen und Händen, als bei Deutschen oder Lateintänzen, bei denen es primär um die Beinarbeit geht. Interessant war auch, dass viele männlich aussehende Frauen in der Parade dabei waren, was für die Offenheit beim Thema Geschlechteridentität in Thailand spricht, und auch viele Gruppen bei denen Frauen und Männer das gleiche Kostüm trugen, das dann häufig ein feminines Kostüm war mit Rock, Strumpfhosen, langer Perücke und Ähnlichem. Ältere Teilnehmer wirkten oft sehr viel motivierter als einige jüngere. Spannend waren auch einige, große Pferdefiguren auf Pick-Ups mit einem riesigen Penis und jeweils einem hübschen, jungen Pärchen in attraktiver Kleidung auf dem Rücken der Pferde, die wie gute Monarchen oder der Papst über einem saßen und winkten oder lächelten. Nach etwas über einer Stunde war die Parade vorbei und alles löste sich auf.
Einige Pick-Ups sammelten alle roten Plastikstühle wieder ein. Wir fragten mit etwas Vorwissen herum wo denn die Raketen, die den Beginn der Regenzeit einläuten sollen, und die selber gebaut wurden und auf die gewettet werden kann wie hoch sie es schaffen, abgefeuert werden würden. Angeblich sollte es zwischen neun und fünfzehn Uhr am nächsten Tag neben einer Schule in einem Dorf, das zwanzig Kilometer entfernt ist, geschehen. Eigentlich wollten wir das Abenteuer mit einer Grabfahrt auf uns nehmen, doch als es den ganzen Morgen schüttete, entschieden wir uns doch dagegen.
Statt nach Raketen zu suchen, machten wir eine Fahrradtour an das Ende von Nong Khai, wo ein mysteriöser Park mit religiösen Figuren erkundet werden wollte. Er ist wohl die größte Touristenattraktion der Stadt, da es auch keine andere gibt, und daher wollten wir es nicht verpassen. Auf der anderen Seite des Mekong in Laos gibt es einen sehr ähnlichen Park des selben Künstlers. Als wir ankamen, wirkte alles schon recht verlassen. Eine große Statue eines Buddhas, die bestimmt 15 Meter Maß und aus Ziegelsteinen gebaut war, guckte uns schon aus einiger Entfernung an. Wir fanden das Kassenhaus zunächst nicht, aber eine alte Frau zeigte es uns und eine andere alte Frau kassierte ab. Als wir in den Park hinein gingen, kamen die letzten, anderen Besucher heraus. Der Park steht voll mit großen bis sehr großen Figuren von hinduistischen Göttern und Buddha aus Stein, die alle schon recht verwittert aussehen.
In einem See im Park schwammen sehr viele Fische und vor allem die großen Welse sprangen förmlich aus dem Wasser als wir kamen. Vermutlich wollten sie von uns gefüttert werden. Neben dem Teich führte uns ein Weg mit gleich aussehenden Buddha Statuen zu einem abgezäunten Bereich mit eingetöpferten Kakteen und hinter einem anderen Zaun auf der anderen Seite bellten uns drei Hunde aggressiv an, so dass ich nicht weitergehen wollte, da ich eine Lücke im Zaun befürchtete. Wir konnten aber vorbei gehen, ohne dass wir angefallen wurden. Wir liefen an vielen Statuen vorbei und kamen zu einem weiteren See, in dem wir noch mehr Fische entdeckten. An einem verlassenen Stand am See vermuteten wir Fischfutter zum Verkauf, aber der Fund war wesentlich schockierender. Hier schwammen in kleinen Plastikschalen, in denen nur ein paar Zentimeter hoch Wasser stand, kleine Fische. Wir übersetzten ein Schild und stellten fest, dass man für 100 Baht einen Fisch freilassen durfte, damit er im See schwimmen kann. Wir überlegten die Fische alle zu "befreien", da es uns nach Tierquälerei schien, was wir sahen, überlegten dann aber, dass die kleinen Fische im großen See vielleicht gleich gefressen werden würden oder dort verhungern. Daher ließen wir alles wie gehabt und gingen etwas verstört weiter.
Es gab einige Verkaufsstände die verlassen waren, als hätte der Park seit Jahren nicht mehr geöffnet gehabt. Es wirkte wie ein Lost Place. Schließlich gingen wir in die "Sala", also das Gebäude der Anlage. Eine weitere ältere Frau kam auf uns zu als wir unsicher hinein gingen und bat uns die Schuhe auszuziehen, nachdem wir selber das Tor aufgeschoben hatten, dass nicht abgeschlossen war. Da sie uns nicht hinderte, gingen wir hinein. Auf drei Stockwerken wurde in einem wenig beleuchteten Betongebäude mit quietschendem, türkisen Linoleumbodenbelag weitere, kleine Götterstatuen ausgestellt. Im dritten Stock standen Badewannen, ein Plantschbecken aus dem die Luft rausgelassen war, viele Bilder von dem Künstler des Parks der bereits 1996 gestorben war, ein Bild von einem Taschentuch mit Blut und am Ende des Ganges im obersten Stock war ein kleiner Altar auf dem Boden mit einem weiteren Bild des Künstlers sowie den üblichen rot-gelben Utensilien einer buddhistischen Andachtsstelle vor einer Glaswand aufgebaut. Hinter der Glaswand in einer Glaskuppel war gut beleuchtet der Schädel des Künstlers zu sehen, dessen Leiche orthogonal zu uns aufgebahrt lag
Wir waren im Reiseführer auf eine solche Situation hingewiesen worden, ich hatte sie mir allerdings wesentlich weniger unangenehm vorgestellt. Ich hielt den Blick nicht lange aus und checkte stattdessen ein paar Fakten bei Wikipedia. Franzi stellte unterdessen fest, dass man noch Haare und Teile des Gesichts des Künstlers auf dem Schädel sehen konnte. Das deckte sich mit der Information, die ich gerade las, denn angeblich ist sein Körper mumifiziert worden. Außerdem erfuhr ich, dass er in der Folge eines Sturzes von einer der Figuren eine Krankheit erlitten hatte und wenig später daran starb. Zusätzlich stand bei Wikipedia, dass er wie ein Guru verehrt wurde und über hundert Leute ihm freiwillig beim Erstellen des Parks geholfen hatten. Er hatte wohl sein Projekt auf der anderen Flussseite in Laos angefangen und es in Thailand fortgeführt, nachdem das politische Klima in Laos zu kommunistisch geworden war. Ich sehnte mich danach das Gebäude wieder zu verlassen und so gingen wir schnell zurück ins Erdgeschoss. Das Eisengitter war wieder geschlossen. Ich betete, dass es nicht abgeschlossen war. Franzi hatte schon Zombie Szenarien ausgemalt, die nicht zu meiner Beruhigung beitrugen. Zum Glück war es nur zugezogen worden und wir konnten austreten. Es war auch schon kurz vor sechs Uhr und der Park sollte jetzt schließen. Die drei Hunde, die vorher hinter einem Zaun gewesen waren, begrüßten uns vor der Tür und guckten uns wartend an. Konnten Sie die Uhr lesen und ersetzten sie hier die Wächter, die einen rausschmeißen? Als wir langsam los gingen Richtung Ausgang fingen sie plötzlich an zu bellen und sperrten den Weg ab. Wir gingen mutig weiter und schafften es raus und waren froh, dass wir es lebend geschafft hatten den Ort zu verlassen. Eine unfreundliche Frau, die neben dem riesigen und ungepflegten Toilettengebäude zu wohnen schien, bedeutete uns dass wir aus dem Seitentor rausradeln sollen. Zum Glück war es offen und wir machten uns vom Acker. Am nächsten Tag erzählte Julian uns, dass es mal einen politischen Mord in dem Park gegeben haben soll. Wir glaubten es ihm sofort und wissen schonmal welche Touristenattraktion in Laos wir auf gar keinen Fall anschauen werden.
Als wir wieder in der Unterkunft waren, stand ein Fernsehteam in unserem Nichtraucherpavillon und filmte eine blonde Europäerin und einige ältere Thaimenschen beim Essen und Tanzen. Es gab sogar einen Live Sänger. Eine Frau erklärte uns, dass wir uns doch bitte woanders hinsetzen sollen, da wir im Bild sitzen würden. Tatsächlich hatten wir rücksichtshalber vorher Pao gefragt, ob wir im Pavillon sitzen dürfen und da die Gruppe nicht angemeldet hatte, dass sie filmen werden, sondern nur die Zimmer gebucht hatte, hatte Pao auch nichts dagegen, dass wir im Bild sitzen. Die andere Frau erklärte uns, dass sie in ganz Thailand Europäische Filmprojekte unterstützt und so wohl schon in Südthailand den dritten Teil von Fuck ju Göthe mit Elyas M´Barek betreut hat wie sie nicht ohne Stolz erzählte. Wir waren etwas genervt von unserer Deportation, guckten dann aber interessiert bei den Tänzen der anderen zu, die danach auch beim Essen gefilmt wurden. Später fragte Franzi die junge, blonde Belgierin was denn gedreht wird. Es ist wohl eine Dokumentation über eine berühmte Thai-Belgierin und geht um die Identitätsfrage der Person. Noch gibt es keinen Titel und es soll im Januar im Belgischen Staatsfernsehen ausgestrahlt werden. Pao erklärte uns noch, dass die Musik typisch für den Isan war, die wir gehört haben und auch die Tänze hier sehr üblich seien. Auch dieses spontane Erlebnis war sehr kurios aber auf eine nette Art und Weise.
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