Phonsavan
geschrieben von Timo
Auf unserer langen Fahrt mit einem Minibus von Vang Vieng nach Phonsavan verließen wir den üblichen Touristenpfad sowie die guten, Chinesischen Schnellstraßen. Ich weiß nicht, ob wir auf der Reise schonmal eine so schlechte Hauptstraße befahren mussten wie auf dieser Strecke. Vielleicht im Osten Boliviens. Alle paar Meter war auf der gut 200 Kilometer langen Strecke, die sich durch die grünen Berge und Hügel schlängelt, ein fettes Schlagloch. Manchmal sogar so fett, dass wir uns bergab ohne Geschwindigkeit in diese hineinfallen ließen, da sonst wahrscheinlich der Bus gekippt wäre. Immer wieder trafen wir Baustellen mit Planierraupen an, die die größtenteils nicht asphaltierte Straße langfristig verbessern wollen, aber kurzfristig verschlechterten.
Unser Fahrer, bei dem ich mich fast nie unsicher fühlte, fuhr meistens mutig durch die Baustelle durch und die Baustellenfahrzeuge wichen aus. Es gab eine Mittagspause in einem Dorf, in dem ich eine Nudelsuppe verspeiste, und dann ging es schon weiter bis nach Phonsavan. Ein kleiner Junge, der vielleicht zehn Jahre alt war und alleine fuhr , tat mir sehr Leid. Immer wieder bekam er eine Plastiktüte gereicht, in die er hinein kotzte. Wir überlegten ihm eine Seekrankheitstablette zu geben, dachten dann aber, dass man fremden Kindern keine Tabletten geben sollte. Abgesehen von den Laoten im Bus, waren noch eine Deutsche und ein Inder mit an Bord, die schließlich auch in unserer Unterkunft übernachten würden. Beide hatten sich erst ein paar Tage zuvor beim Backpacken kennen gelernt. Dadurch dass wir offensichtlich die einzigen, ausländischen Touristen waren, kam man ins Gespräch. In der Unterkunft brachten wir den beiden dann Wizard bei. Zwar war ich erneut etwas gestört von den zwei Kettenrauchern, die jedoch etwas Rücksicht beim Ausatmen nahmen, aber dadurch dass beide sehr nett waren und man sich gut verstand, konnte ich etwas darüber hinwegsehen. Beide verstanden auch das Spiel sehr gut, so dass wir eine nette Runde spielten.
Eigentlich sind wir hierhergekommen, um die Krug Ebene zu besuchen, die sowohl im Lonely Planet empfohlen wird als auch ein Welterbe ist. Am Tag danach genossen wir es aber mal auszuschlafen und gingen dann mit Sack, Pack und Laptop zu einem Lokal, das sehr westlich wirkte und frühstückten und verbrachten auch die folgenden sechs Stunden dort, um das ein oder andere zu erledigen. Tatsächlich war aber schon nach den ersten Minuten klar, dass der Eindruck, den das Hotel erweckt, nicht durch die Bedienungen mit Leben gefüllt wird. Das Essen war zwar lecker, aber der Service war unterirdisch. Beispiele gefällig? Es gab Paninis mit unterschiedlichen Belag Optionen. Franzi fragte nach zwei davon. Beide gab es nicht. Die Antwort jeweils: Ein unfreundliches "Don't have". Dann fragte Franzi welche Panini Option es denn gäbe. Die Antwort: "Don't have". Es gab dann doch das Ham and Cheese Panini. Grundsätzlich zog sich durch den Tag, dass alles was sie nicht verstanden mit "Don't have" beantwortet wurde. So gab es zunächst keine Limonade, auf Nachfrage dann doch und später wieder nicht. Auch das Chicken Teriyaki, das Franzi auf ihrem Panini haben wollte und laut Karte ein "Must Try" ist, gab es erst in einem Salat, den ich später am Tag bestellte. Das Menü war wohlgemerkt ausschließlich in Englisch und das ganze Lokal war auf Englischsprachige Touristen ausgelegt. Franzi wurde auch nicht einmal gefragt, ob sie auch etwas bestellen möchte, obwohl wir die einzigen Kunden waren. So saßen wir die ganze Zeit am Tisch mit den Handys, bestellten ab und an etwas und wurden sonst wie Mobiliar angesehen. Dabei schauten wir ob es eine Möglichkeit gibt unsere Stimme gegen den Rechtsextremismus in Europa bei der diesjährigen Europawahl abzugeben und überlegten auf welcher Route wir weiter durch Laos reisen würden. Auch stand im Raum eine zweitägige Wanderung in der Umgebung zu machen. Auch eine Rechnung meiner Hausärztin, die mich vor der Abreise vor knapp zwei Jahren geimpft hatte, war eingetroffen und wollte bearbeitet werden. Das Zahlungsziel von vierzehn Tagen bei einer Rechnung die 1,5 Jahre alt ist, war schon relativ dreist. Mal schauen ob meine ehemalige und zukünftige, gesetzliche Krankenversicherung die Kosten übernehmen wird, obwohl ich derzeit kein Mitglied mehr bin. Der Zeit verging schnell, aber wir hatten auch einiges erledigt. Zurück in der Unterkunft war gerade ein alleine reisender Franzose angekommen. Kurzerhand buchten wir eine Tour mit ihm für den nächsten Tag, um drei der 52 Orte anzusehen, an denen die steinernen Krüge gefunden wurden. Vielleicht war unser Gastgeber etwas beleidigt, dass wir die Tour nicht mit ihm machen. Allerdings bot der andere Mann, dem wir über das Smartphone schrieben, einen Preis an der nur halb so hoch war. Trotzdem kostete die Tour noch 60 USD was sehr viel ist für die Preise in der Gegend. Wir hatten keine Erwartungen an den Guide, außer dass er uns an die Orte bringen würde, die vereinbart waren. Damit würden wir auch weniger enttäuscht sein, wenn der Guide so schlecht ist, wie wir vermuteten. Nach der Vereinbarung brachten wir Luc aus Frankreich noch Wizard bei und spielten dann zu fünft eine weitere Runde Wizard. Es war schon erstaunlich welchen Bier- und Tabakkonsum die anderen hinlegten. Angeblich hatte die Deutsche noch keine anderen Reisenden getroffen, die nicht rauchen. Und nun ausgerechnet mich, der Rauch wirklich hasst. Der Bierkonsum lässt sich auch durch den niedrigen Preis erklären, der auch für Zigaretten gilt. Eine Halbliterflasche kostet hier nicht mal einen Euro. Und die abschreckenden Bilder auf der Tabakpackung wären sicherlich abschreckender, wenn die Packung mehr kosten würde. Zum Glück stand der Rauch weiterhin nicht dem Spaß beim Spiel im Wege und so wurde es recht spät, als das Spiel schließlich vorbei war.
Unser Guide machte einen guten ersten Eindruck und hatte tatsächlich das versprochene Wasser dabei. Zwar war es aus Sicht des Plastikverbrauchs eine Katastrophe den ganzen Tag aus Flaschen von einer Größe von 235 Millilitern zu trinken, aber immerhin gab es genug Wasser auf der Tour. Wir hatten die gesamten Regensachen dabei und am Ende des Tages hatte ich einen Sonnenbrand im Nacken. Bei knapp über zwanzig Grad Celsius in über tausend Metern Höhe deutete vieles auf Regen hin, aber schließlich knallte die Sonne einige Zeit auf uns bei einem Spaziergang und man merkte sie richtig auf der Haut. Zunächst besuchten wir die touristische "Site 1" der Krug Ebene, die am besten für Touristen aufbereitet ist. Es gibt ein kleines Museum, in dem beschrieben wird was die Idee ist, warum lauter riesige, steinerne Tonkrüge in der Landschaft stehen. Die Theorie besagt, dass vor über tausend Jahren die Menschen ihre Verstorbenen in den Krügen beerdigten. Das erinnerte natürlich an das Bestattungsritual aus Ban Chiang, das wir erst vor kurzem genauer betrachtet hatten. Noch viel mehr erinnerten die riesigen, tonnenschweren Krüge allerdings an einen anderen, mysteriösen Ort wo ebenfalls in der Antike riesige Steine aus künstlerischen oder religiösen Motiven bewegt wurden, ohne dass es bis heute eine genaue Erklärung gibt warum und wie das ganze vorgenommen wurde.
Die Rede ist natürlich von Rapa Nui, wo die Moais auch aus einem Steinbruch gehauen, geformt und an ihre Zielorte transportiert wurden. Auch hier in Laos ist bekannt, dass das Gestein größtenteils aus einem Berg stammt, der fünfzehn Kilometer entfernt in der Landschaft zu sehen ist. Viel mehr weiß man aber nicht. Trotz dieser Gemeinsamkeiten geht von den Krügen deutlich weniger Faszination aus, als es die Osterinsel bieten kann. Genau erklären kann man das nicht. Es sind diese Vibes auf der Insel, die Entlegenheit und auch die faszinierendere Form der geschnitzten Megalithen, die dazu beitragen. Die Krüge in Laos haben auch ein deutlich schwereres Schicksal hinter sich. Überall an diesem Ort sind große Krater in der hügeligen, grünen Landschaft zu sehen. Sie stammen von US-amerikanischen Bomben, die hier zwischen 1965 und 1973 einschlugen, um die Kommunisten in Laos zu vernichten. Es gibt hier auch Schützengräben und eine Höhle zu sehen, die in den Kämpfen genutzt wurden.
Dabei wurde natürlich auch Archäologie zerstört und es dauerte Jahre, um die Orte frei von Blindgängern zu bekommen, so dass Archäologen und später Touristen sie heute besuchen können. Über die Arbeit von MAG, einer Organisation aus Großbritannien, die Laoten und Laotinnen anstellt, um die Blindgänger im ganzen Land zu entfernen, lernten wir später mehr in Phonsavan, wo es eine kleine Ausstellung zu dem Thema von der Organisation gibt und man etwas für diesen wirklich sinnvollen Zweck spenden kann. Aus meiner Sicht müssten die Vereinigten Staaten aber das Geld in die Hand nehmen und dafür sorgen, dass Laos aufgeräumt wird und die Menschen hier wieder in Frieden leben können. Schließlich haben die Amerikaner den Schaden auch verursacht. Teilweise werden sie heute auch ihrer Verantwortung gerecht, aber die Aufräumarbeiten könnten schneller laufen und mehr Menschenleben retten, wenn mehr Ressourcen vorhanden wären.
In der "Site 1" fuhren Golfcarts Touristen, die hauptsächlich aus Laos kamen, zu den Krügen, wo die lokalen Touristen eine Art Picknick abhielten und manche auch in traditionellen Hmong Kleidern posierten. Die Schilder, dass man nicht auf den Krügen herumklettern soll, wurden teilweise ignoriert. Immerhin hatten die Krüge ja auch schon die Bomben und viele hundert Jahre überstanden. Mir gefiel, dass es sich um ein rauchfreies Welterbe unter freiem Himmel handelt und ich fragte mich, ob das daran liegt, dass man sich doch noch nicht so sicher ist, dass alle Blindgänger bereinigt wurden. Man sah Tonkrüge in unterschiedlichen Größen und Formen. Wir schauten in viele hinein, aber überall sah man nur moderndes Regenwasser mit Laub, Spinnenweben und in manchen Plastikmüll. Keine Spur mehr von Knochen historischer Bewohner der Landschaft. Es hätte uns aber auch gewundert. Den Kindern hier in Laos erzählt man, dass es sich um Becher von Riesen handelt, die aus ihnen getrunken haben. Beim Bildungsniveau im Land besteht natürlich die Gefahr, dass sich diese unwahrscheinliche, alternative Wahrheit bei der lokalen Bevölkerung durchsetzen könnte. Unser Guide erzählte uns das ein oder andere und führte uns herum, was er wesentlich besser machte, als wir es erwartet hatten. Luc beschrieb die Landschaft als ähnlich zu der Landschaft bei den Teletubbies. Später fuhren wir noch zu den Orten 2 und 3, wo wir erneut Tonkrüge entdeckten. Diese abgelegeneren Orte wurden nur von uns und keinen anderen Touristen besucht.
Im Wald bei Ort 2 wurde nicht mal Geld kassiert, da niemand dort war. Nur einige Pilzpflückerinnen trafen wir in der Nähe der Krüge an, die zwischen einigen Bäumen im Boden lagen. Ein Krug wurde im Laufe der Zeit sogar von einem Baum, der in ihm wuchs, gesprengt. Am dritten Ort liefen wir an einem Reisfeld entlang und da der Guide beim Auto blieb, fragten wir einige Reisbäuerinnen nach dem Weg. Diese ignorierten uns aber rigoros. Wir fanden die Krüge dann aber auch alleine. Wir stellten fest, dass die Faszination für die Krüge schon stark abgenommen hatte und wollten danach keine weiteren Krüge mehr sehen. Daher sagten wir auch die mehrtägige Wanderung ab, die uns zwar auch zu einem Hmong Dorf und einem Wasserfall gebracht hätte, aber uns das Geld und die Zeit nicht wert war. Wir hatten zwar den Preis schon von 280 USD auf 180 USD gesenkt bekommen, aber wir haben auch nur dreißig Tage im Land und es war uns einfach nicht wichtig genug.
Zurück in der Unterkunft warteten Akash und Lisa schon auf uns drei und diesmal mischten wir noch die Sonderkarten mit ins Set. Leider fehlt ja inzwischen ein Narr und so spielen wir mit der Fee als Narr, wenn wir ohne Sonderkarten spielen. Auch diesmal gewann wieder jemand anderes als bisher. Schließlich verabschiedeten wir uns von den beiden anderen, da sie den Nachtbus zurück nach Vientiane nahmen. Hoffentlich konnten sie auf der Löcherpiste etwas schlafen! Auch wir gingen bald ins Bett, da am nächsten Tag die lange Busfahrt nach Xam Neua für uns anstand und auch Luc fuhr den ganzen Tag nach Vang Vieng. Wir hatten noch einen kleinen Streit mit unserem Gastgeber, da wir versucht hatten den Tuk Tuk Preis zum Busterminal zu drücken, da wir ihn schon bei der Hinfahrt als zu hoch empfanden. Der Streit war wohl darauf zurück zu führen, dass der eigentlich ganz nette und hilfsbereite Mann offensichtlich alkoholkrank ist. Zumindest wirkte er dauerhaft betrunken und wirkte häufig unnötig angespannt in Gesprächen. Auch er qualmte und trank fast den ganzen Tag. Nur Karten spielte er nicht mit uns. Das kann in Laos auch gefährlich sein, da Polizisten es als Glücksspiel auslegen könnten, was illegal ist. In der Unterkunft war es aber kein Problem.
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