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Großstadt mit Narben

Phnom Penh

geschrieben von Timo

Unsere Unterkunft in Phnom Penh war billig und entsprechend schlicht. Auf Nachfrage bekamen wir ein Zimmer mit Stadtblick, für das wir etwas mehr bezahlt hatten, statt durch die Fenster den Blick auf eine Bauruine zu haben. Kurios war das neue Zimmer dennoch, denn vor dem Fenster war ein Balkon mit zwei Stühlen und einem Tisch, die aber zum Nachbarzimmer gehörten. So bestand immer die Möglichkeit, dass eine merkwürdige Situation entstehen könnte. Die Einnahmen, die die Unterkunft beim Hostel nicht erhält, scheinen sie durch die Preise für Touren und Essen wieder reinbekommen zu wollen. Während wir in Siem Reap für 15 Dollar ein extrem leckeres Frühstück, in gemütlichem Ambiente, das den ganzen Vormittag füllte erhielten, bekamen wir hier für den selben Preis neben Kaffee und Saft zwei Scheiben Toast mit Belag serviert. Es schmeckte nicht schlecht war aber lächerlich überteuert.  


Der folgende Teil geht um den Genozid in Kambodscha, der durch die Roten Khmer erfolgte und enthält Schilderungen zu ihren brutalen Machenschaften. Wer empfindlich ist, sollte es vielleicht besser nicht lesen. Ihr könnt bis zum nächsten Trennstrich weiter scrollen, da geht es mit schöneren Themen weiter.

All diese Kleinigkeiten rückten bei dem Besuch des Tuol Sleng Genozid Museums in den Hintergrund. Die ursprünglich als Schule angelegte Anlage war zwischen 1975 und 1979 ein Gefängnis und Folterzentrum der roten Khmer. Der Besuch ähnelte Besuchen in Konzentrations- oder Vernichtungslagern der Nazis. Die Verbrecher, die Kambodscha weniger als vier Jahre regierten und niemals eine angemessene Strafe erhalten können für das was sie getan haben, dokumentierten mit großer Genauigkeit die Vorgänge in Tuol Sleng. Da sie unvorbereitet von den Vietnamesen und den Rebellen in Phnom Penh überrascht wurden, als diese das Land im Januar 1979 einnahmen, konnten sie nur Teile der Beweise vernichten.

In diesen ehemaligen Klassenzimmern fanden die Vietnamesen gefolterte Leichen, als die das Gefängnis 1979 einnahmen (Auf dem Wandbild sieht man ein Foto von 1979).
In diesen ehemaligen Klassenzimmern fanden die Vietnamesen gefolterte Leichen, als die das Gefängnis 1979 einnahmen (Auf dem Wandbild sieht man ein Foto von 1979).

14 gefolterte Leichen, zahlreiche Fotos und Dokumente und die Anlage selber wurden als Belege gesammelt und schnell wurde die Anlage mit der Hilfe eines der wenigen Überlebenden noch im selben Jahr in ein Museum versammelt. Das Museum besteht in abgewandelter Form bis heute und eine sehr gute Audiotour auf Deutsch führte uns in über fünf Stunden durch die Tatorte des Grauens. In den düsteren Räumen wurde gefoltert und eingekerkert. Als ein Geständnis dokumentiert und unterschrieben war, wurde jeder Gefangene, egal ob Frau, Kind oder Mann zu den Killing Fields gebracht, wo alle mit stumpfer Gewalt um Kugeln zu sparen, hingerichtet wurden. Wie bei den Nazis wurde diese Tötungsmaschinerie verschleiert.

Der Prozess Geständnisse durch krasse Folter zu erzwingen war absurd, da man die Intellektuellen, Brillenträger, Mönche und ihre gesamten Familien ja auch einfach hätte töten können. Stattdessen wurden sie unter falschen Versprechungen und unter Gewaltanwendung ins S-21 Gefängnis, das wie die vorherige Schule auch Tuol Sleng genannt wird, gebracht, wo die "Unnützen" wie Frauen und Kinder fast sofort "verurteilt" wurden und zu den Tötungsfeldern gebracht wurden, während oftmals die Männer unterschiedlich lange Zeiträume gefoltert wurden, bis sie Geständnisse verfassten und unterschrieben, die dem Anstaltsleiter genügten. Dann konnten sie ebenfalls zur Tötung gebracht werden. Es wirkt so, als wäre es dem Anstaltsleiter wichtig gewesen ein Geständnis zu haben, um seine Feinde zu töten, auch wenn diese nicht das Papier wert waren, auf dem sie geschrieben standen, da sie unter Folter zustande gekommen sind und oftmals offensichtlich nicht der Wahrheit entsprachen, da die Opfer eigentlich gar kein Verbrechen begangen hatten. Eins der verschiedenen, perversen Details war, dass die Wächter die folterten, aber auch halfen in dem sie dokumentierten oder auch nur bewachten meistens Kindersoldaten waren, die durch die Führung der Roten Khmer manipuliert worden waren. Die meisten sagten später aus, dass sie nur den Befehlen folgen konnten, da sie sonst selber dran gewesen wären.

Tatsächlich entstand im Laufe der kurzen Zeit an der Macht im eigenen System so viel Misstrauen, dass immer mehr eigene Leute zu Gefangenen wurden und umgebracht wurden. Ein Neuseeländer wurde unglücklicherweise bei seiner Weltumseglung zu dieser Zeit auch in Kambodschanischen Gewässern aufgeschnappt und später ging er durch die selben Prozessschritte eher er mit seinem Britischen Copiloten für immer auf den Killing Fields verschwand. In seinen Unterlagen gab er seine Telefonnummer von zuhause als CIA Codenamen an und den Gründer von Kentucky Fried Chicken als Geheimagenten. Das zeigt wie willkürlich die Geständnisse waren nur um alle über 18.000 Insassen von Tuol Sleng "aus gutem Grund" zu ermorden. Seine Familie erfuhr zwei Jahre später aus der Zeitung von seinem Tod.

Der Stacheldraht vor den Räumen mit Gefangenen diente der Verhinderung von Suiziden durch Springen.
Der Stacheldraht vor den Räumen mit Gefangenen diente der Verhinderung von Suiziden durch Springen.

In der Folge nahm sich sein ihm sehr nahe stehender Bruder wegen Depressionen ebenfalls das Leben. Fast dreißig Jahre später klagte der dritte Bruder im Kriegsverbrechertribunal den Leiter von Tuol Sleng direkt im Gerichtssaal an für den unnötigen Tod seiner beiden Brüder verantwortlich zu sein. Auch ihn quälten krasse Aggressionen gegen den Roten Khmer, die er mit dieser direkten Adressierung an den alten Mann ablegen wollte, wie er selber in seiner Ansprache erklärte. Er erzählte, dass er sich in seiner Wut oft vorgestellt hatte den Bruder Duch, wie der Anstaltsleiter hieß, selber zu foltern und zu töten. Nun wollte er im Gerichtssaal mit dem Thema abschließen, in dem er dem Angeklagten die gesamte Schuld am Tod seiner Brüder und das dazugehörige Leid übertrug, um selber emotional mit dem Thema abzuschließen.

Die primitiv erbauten Zellen in den ehemaligen Klassenzimmern und der durchgehauene Weg, so dass die Wächter alles im Blick haben konnten. Die Gefangenen waren in den Zellen angekettet.
Die primitiv erbauten Zellen in den ehemaligen Klassenzimmern und der durchgehauene Weg, so dass die Wächter alles im Blick haben konnten. Die Gefangenen waren in den Zellen angekettet.

Duch wurde schließlich von dem Kambodschanischen Gericht, das von den Vereinten Nationen unterstützt worden war, zu lebenslanger Haft verurteilt. Während in den vielen anderen Foltergefängnissen des Landes immer wieder Menschen überlebten, so erreichte er eine fast hundert prozentige Tötungsquote in seiner Anstalt. Er wurde nachdem er noch fast zwanzig Jahre im Bürgerkrieg kämpfte erst über zwanzig Jahre nach seinen Verbrechen gefangen genommen. Bis zu seinem Tod blieb er im Gefängnis. Als einer der ganz wenigen Roten Khmer gestand er seine Schuld offen ein, wobei darüber gestritten wird, ob sein Geständnis authentisch ist. Er wurde in Gefangenschaft christlich und sühnte nach eigenen Aussagen für seine Taten. Er beteuerte allerdings auch, dass er ebenfalls nur den Befehlen von oben gehorchte und Angst hatte erwischt und ermordet zu werden, da er "die Revolution betrog".

Einer der wenigen Überlebenden von Tuol Sleng war Maler. Er überlebte wegen seines Talents. Nach dem Ende von Tuol Sleng malte er statt Pol Pot Porträts Ölgemälde über das, was er in Tuol Sleng sah und von anderen Gefangenen mitbekam. Hier ein Beispiel
Einer der wenigen Überlebenden von Tuol Sleng war Maler. Er überlebte wegen seines Talents. Nach dem Ende von Tuol Sleng malte er statt Pol Pot Porträts Ölgemälde über das, was er in Tuol Sleng sah und von anderen Gefangenen mitbekam. Hier ein Beispiel

Das zeigt, dass so viel Druck in dem System aufgebaut wurde, dass obwohl der Plan nur von wenigen oder vielleicht sogar nur vom Anführer gestützt wurde, alle bereit waren Befehle umzusetzen egal wie grausam sie sind, weil sie selber um ihr eigenes Leben fürchteten. Solche Systeme zu durchbrechen und zu verhindern, muss das Ziel eines jeden Menschen sein, da sie zu großer Unmenschlichkeit führen können wie in Kambodscha geschehen. Schockierend ist auch, dass die verschleierten Gräueltaten der Roten Khmer 1979 enthüllt wurden als Vietnam das Land einnahm, aber der Westen und auch China noch viele Jahre Pol Pots Regime der Roten Khmer als offizielle Regierung anerkannten, da Vietnam während des Kalten Krieges der eigentliche Feind war. Thailand gewährte den Roten Khmern im Grenzgebiet noch viele Jahre Unterschlupf und die Verbrecher durften unbehelligt ihr Land in New York bei den Vereinten Nationen vertreten, obwohl sie nicht mal mehr die Kontrolle über das Land hatten und obwohl ihre Verbrechen von Vietnam an die Öffentlichkeit gebracht wurden.

Die Stupa mit den Knochen vieler Getöter des Genozids in Choeung Ek
Die Stupa mit den Knochen vieler Getöter des Genozids in Choeung Ek

Völlig zurecht hinterfragt der heutige Audioguide im Museum kritisch, dass es schwer nachvollziehbar ist warum Deutschland, die USA, Großbritannien, China, Frankreich und Co noch so viele Jahre die Schwerverbrecher nicht nur nicht verurteilten, sondern sogar unterstützten. Meiner Meinung nach sollte man immer schauen wie die Menschen behandelt werden und nicht den ideologischen Kampf wie im Kalten Krieg in den Vordergrund stellen. Pol Pot konnte so noch einige Jahre mit seinen Enkelkindern verbringen, während er für den Tod unzähliger Babys verantwortlich war, die teilweise frisch geboren waren. Bei unserem zweiten, schockierenden Besuch in Phnom Penh beim Tötungsfeld von Choeung Ek sahen wir den Ort, an den die Gefangenen von Tuol Sleng hingebracht wurden, um hier in einer Nacht- und Nebelaktion getötet zu werden. Auch hier gab es einen guten Audioguide auf Deutsch. In den ersten Jahren wurde direkt in der Dunkelheit getötet, aber je länger die Regierung andauerte, desto mehr Gefangene mussten "gelagert" werden, da man sie einzeln mit stumpfer Gewalt durch Bauernwerkzeug tötete- einen nach dem anderen.

Das Bild spricht für sich.
Das Bild spricht für sich.

Da es so viele wurden, konnten man nicht alle Gefangenen am selben Abend "abarbeiten". Der Audioguide spielte uns laute Generatorengeräusche und ein revolutionären Lied mit schrecklicher Tonqualität ein. Das waren wohl die letzten Geräusche, die die Gefangenen hörten vor der Ermordung. Die laute Musik lief, um die Schreie zu übertönen, da unwissende Bauern im Umfeld wohl nichts von den Machenschaften auf dem Chinesischen Friedhof wussten. Das vielleicht Schockierendste überhaupt ist ein schöner, großer Baum auf dem heute friedlich wirkenden Gelände. Er ist liebevoll mit unzähligen, bunten Armbändern geschmückt. Früher gab es hier nur den Baum. Die Roten Khmer nahmen die Babys der "Feinde" und schlugen die an den Beinen haltend mit dem Kopf gegen den Baum bis sie tot waren. Eine Parole der Roten Khmer lautete: "Wenn man Unkraut jätet, muss man auch die Wurzeln entfernen". Sie wollten durch die Tötung der Kinder verhindern, dass diese sich eines Tages rächen.

Teilweise wurden ganze Familien ausgelöscht. Frauen mussten sich den Tod ihrer Kinder ansehen, bevor sie selber getötet wurden und in das selbe Massengrab geschmissen wurden. Im Gegensatz zu den Männern waren sie oft nackt, was für Kambodschanische Frauen in jeder Lebenssituation vor Fremden sehr würdelos sein soll. Wenn man sich eine Horrorgeschichte ausdenken müsste, würde sie wohl nicht viel von dem abweichen was hier in der Wirklichkeit geschehen ist. Wie kann es nur so weit kommen? Und wie krank müssen Menschen sein, um anderen Menschen so etwas anzutun? Der Bruder Duch kam im Zuge seines Prozesses noch einmal nach Choeung Ek und kniete ergriffen vor dem Baum nieder, an dem seine Angestellten die Babys "zerschmetterten" wie im Revolutionsjargon gesprochen wurde. Nichts wird jemals gut machen können, was er in seinem Leben angestellt hat. Heute stapeln sich Teile der gefundenen Knochen und Schädel der Opfer in einer riesigen Gedenkstupa auf dem Gelände, die dem Gedenken dienen soll. Nicht alle Massengräber sind ausgehoben worden und so werden immer mal wieder auf den Wiesen und neben dem See Knochen, Zähne und Kleider zu Tage getragen. Generell ist der Ort sehr pietätvoll gestaltet, aber der Blumenverkäufer vor dem Stupa, der nebenbei auf dem Smartphone surfte und einige Knochen bei einer der Stationen des Audioguide, die in einer offenen Tupperdose auf einem geschlossenen Ausstellungskasten standen, waren sehr würdelos. Schwierig fand Franzi auch, dass an beiden Orten jeweils ein Überlebender zu sitzen schien. Es war sehr schlecht kommuniziert, er saß an einem Stand und hatte wohl die Absicht Geld für seinen Lebensunterhalt zu sammeln. Die Überlebenden sprachen aber kein Englisch. Es saßen englischsprachige Assistentinnen daneben und sprachen einen an, während man aber gerade einen Audiobeitrag hörte. Wie gewohnt in Südostasien bei Tuk Tuk Fahrern oder Touranbietern ignorierte ich einfach wer mich ansprach. Im nachhinein kehrte ich nicht zum Stand zurück als ich verstanden hatte, um was es sich handelt. Franzi kehrte zurück, fand es aber ganz merkwürdig und wusste nicht so recht was sie am Stand sollte. Einer der Überlebenden verkaufte ein Buch über das Erlebte. Man kann eine Einbindung von Überlebenden deutlich besser gestalten als hier geschehen, so dass man sich als Besucher nicht so komisch fühlen muss egal was man macht. Natürlich ist ein Besuch dieser beiden Orte auch unabhängig von diesen Details schwer erträglich, anstrengend und belastend. Nichts desto trotz ist es wichtig sich zu informieren, was passiert ist, denn wie schon ein Holocaust Überlebender sagte: "Was einmal passiert ist, kann erneut passieren". Und es ist die Aufgabe von jedem Menschen dazu beizutragen, dass so etwas nicht noch einmal passiert. Am besten verhindert man es schon bevor so ein monströses System die Macht übernimmt und eine Tötungsmaschinerie etabliert. Und es ist egal, ob sich das System gegen Juden, Intellektuelle, Kommunisten oder Ausländer richtet. Jede Gruppe die diskriminiert werden soll ist schützenswert und es muss verhindert werden, dass Menschen an die Macht kommen, die einzelne Gruppen von Menschen diskriminieren wollen, denn wenn sie erstmal an der Macht sind, kann sich das System verselbstständigen und zur Bestie werden. 


Genug zu der schlimmen Vergangenheit Kambodschas mit der auch heute, keine fünfzig Jahre später, noch alle Bewohner des Landes etwas zu tun haben. Auch wenn viele Traumata von Familien, Überlebenden oder auch Tätern unbehandelt sind, leben die Menschen heute in einem Land zusammen und für Außenstehende wie uns wirkt es wie ein harmonisches Zusammenleben, in dem wir uns auch wohlfühlen. Alle Menschen sind sehr herzlich egal, ob sie Englisch sprechen können oder nicht. Wir hatten uns Kambodscha ähnlich zu Laos vorgestellt (vielleicht weil es die zwei unbekannteren und kleineren Länder auf der Ecke sind und sie ähnliche Farben in der Flagge haben), aber für uns ist gerade das Gefühl willkommen zu sein extrem unterschiedlich in beiden Ländern. In Kambodscha fühlen wir uns ähnlich behandelt wie in Thailand, wohingegen ein angenehmer Empfang und Umgang in Laos alles andere als selbstverständlich war.

Verstopfte Straßen sind hier normal. Im Hintergrund das Unabhängigkeitsdenkmal
Verstopfte Straßen sind hier normal. Im Hintergrund das Unabhängigkeitsdenkmal

Heute ist Phnom Penh eine südostasiatische Großstadt, wie wir es zuletzt in Bangkok erlebt hatten. Die Hitze ist drückend, alles ist zugebaut, es gibt kaum grün und zwischen wimmelndem Verkehr aus Autos, Tuk Tuks, unzähligen Mopeds und Bussen und Lastwagen und den teilweise hohen, modern aussehenden Gebäuden gibt es keinen Platz für Gehwege. Tuk Tuk fahren ist hier anstrengend, da das leicht geschlossene Gefährt auf den breiten, vollgestopften Straßen so stickig wird, dass man beim Anhalten kurz vorm Kollaps steht. Fraglich ob man solche Momente in der Hochzeit der Trockenzeit im Mai und April überleben kann.

Wir bevorzugten die offenere Motorradrikscha, wie schon zuletzt in Angkor, die wesentlich luftiger ist. Natürlich atmet man immer noch die vielen Abgase ein, die man teilweise sogar sehen kann, aber immerhin erstickt man nicht. Auto sind wir tatsächlich nicht gefahren, da man für die Tuk Tuks und Remorks deutlich weniger zahlt. Beide konnte man sowohl über die verbreitete App Grab buchen, in der man auch mit Karte zahlen kann, oder mit der schon aus Siem Reap bekannten App PassApp. Wir sind mehr zu Fuß gelaufen als es in Phnom Penh zumutbar ist. Jede Auffahrt gehört offensichtlich dem Grundstück und nicht der Stadt und daher gleicht es einer Wanderung durch ein Mittelgebirge von einem Abschnitt des Weges zum nächsten zu gehen. Zudem verhindern Stromkästen, herabhängende Kabel, parkende Autos oder Mopeds manchmal jegliche Option zu flanieren. Ich entschied mich relativ schnell nur noch auf der Straße zu laufen zwischen dem Mopedwirrwarr, während Franzi versuchte den Platz zwischen Haus und Straße zu nutzen. Alle Verkehrsteilnehmer sind sehr aufmerksam und keiner hat uns angefahren, auch nicht beim Überqueren der scheinbar unüberquerbaren Straßen. Ich fühlte mich innerlich dennoch wie ein Protestierender für grüneren Verkehr als ich recht mittig zwischen lauter Autos durch die Hauptstraße lief. Natürlich konnte das keiner außer mir und Franzi wissen.  

Auf der Antenne im Hintergrund landete beim zweiten Besuch ein Orienthornvogel.
Auf der Antenne im Hintergrund landete beim zweiten Besuch ein Orienthornvogel.

Die ersten paar Tage fühlte ich mich nicht so wohl in Phnom Penh. Außer den sehr gut gestalteten Erinnerungsstätten für den Genozid gab es nur Gewusel, Hitze und gefühlt Orte für Party. Unseren letzten, ganzen liefen wir nochmal länger durch die Stadt und entdeckten vor allem viele kulinarische Orte und Cafés und Bars mit nettem Ambiente. Am besten gefiel uns die Bar auf dem Penh House Turm, die gar nicht so riesig hoch war, aber dennoch einen schönen Blick über die Stadt mit den Wats, Hochhäusern, dem Unabhängigkeitsdenkmal und sogar bis zum Mekong hatte. Die Malerin Tamara Venn aus Siem Reap hatte sie uns empfohlen, weil manchmal der so fantastisch aussehende Orienthornvogel vorbeikommen soll.

Von der Dachterrasse konnten wir auch den Mönchen beim Workout zusehen. In Thailand ist Workout für Mönche verboten. Haben wir hier ihr Geheimnis gelüftet?
Von der Dachterrasse konnten wir auch den Mönchen beim Workout zusehen. In Thailand ist Workout für Mönche verboten. Haben wir hier ihr Geheimnis gelüftet?

Tatsächlich kamen wir wegen des schönen Ambientes zweimal auch wenn beim ersten Mal kein Vogel vorbeischaute. Der Swimming Pool mit Blick über die Stadt, der nur für Bewohner des Turms war, die luftige aber überdachte Bar und die leckeren wenn auch teuren Getränke waren Grund genug wieder zu kommen. Erstaunlich war auch das geschulte Personal, dass NICHT aufs Smartphone schaute und dazu noch laute, störende Videos hört, wenn es nichts zu tun hat, sondern stets aufmerksam von links nach rechts und zurück blickte, ob ein Gast etwas möchte. Es gab ein schönes Schachbrett mit einen Weinkorken statt des weißen Turmes und Franzi konnte einmal aus aussichtsloser Lage heraus "Schachmatt!" rufen bei drei Partien.

Unser bestes Bild des tollen Orienthornvogels
Unser bestes Bild des tollen Orienthornvogels

Bei der letzten schien sie erneut zu gewinnen, aber dann rief ich mit meiner letzten Chance, die sie nicht kommen sah: "Schachmatt!". Beim zweiten Besuch sahen wir auch Orienthornvögel auf den fernen Dächern der Wats sitzen und ab und an fliegen. Und einmal landete einer auf einer großem Antenne nicht weit weg von unserem Sitzplatz. Der große, gelbe Schnabel und das fast genauso große gelbe Horn darüber sehen wirklich beeindruckend aus. Auch der Flug mit den schwarzen Flügeln und wenig Schlägen erinnerte an einen kleinen Condor. Als es Nacht war, flogen auch dunkle, große Wesen über uns. Tatsächlich stellten wir erst tagsüber fest welche Tiere das gewesen sein könnten. Beim Spaziergang roch Franzi Kot unter einem großen Baum mitten in der Stadt. Dann hörten wir ein Gezirpe aus dem Baum und sahen auch, dass alles unter dem Baum zugekackt war.

Ein Baum voller Fledermäuse- man sieht es nicht gut, aber man roch es gut.
Ein Baum voller Fledermäuse- man sieht es nicht gut, aber man roch es gut.

 Schließlich sahen wir, dass im Baum Hunderte großer Fledermäuse wie riesige Früchte herabhingen. Es waren bestimmt die größten Fledermäuse, die ich jemals in freier Wildbahn gesehen habe und es waren auch die ersten Tiere dieser Art, die wir tagsüber außerhalb einer Höhle antrafen. Es gab die Tiere auch wirklich nur in diesem einen Baum und wir sind viel rumgelaufen. Ebenfalls an Kot mussten wir an der Betonpromenade am Tonlé Sap denken. Hier konnten wir laufen, ohne dass Autos und anzufahren drohten. Weiter unten am von Japan gebauten Flutschutzufer war auch noch ein Weg, aber wir entschieden uns oben zu laufen. Eine gute Entscheidung, denn der Weg unten wurde immer kleiner und an einer stelle hockte ein scheinbar nackter Mann minutenlang und schien seine Notdurft in den Fluss zu verrichten. Das ist natürlich praktisch, da er dann ja auch direkt Wasser zum Reinigen hat. Franzi hoffte noch auf eine kakifarbene Hose, aber als wir seine Höhe erreicht hatten und nochmal zum Fluss blickten, sahen wir den nun aufgerichteten Mann von vorne- er trug keine hautfarbene Hose! Ich habe schon viele Obdachlose gesehen, aber ein nackter Mann am Kacken war bisher nicht auf der Liste gewesen.

Bootsstadtteil gegenüber vom Königspalast- hier leben offensichtlich mittellose Menschen.
Bootsstadtteil gegenüber vom Königspalast- hier leben offensichtlich mittellose Menschen.

Tatsächlich sahen wir am Ufer des Tonlé Sap noch wesentlich mehr Armut. Ich hatte die gute Idee statt für viel Geld eines der Partyschiffe am Abend zu nutzen, einfach mit der billigen Fähre auf die Landzunge zwischen Tonlé Sap und Mekong zu fahren. Tatsächlich gab es hier viele, schöne Frangipani Bäume, aber auch viele bettelnde Kinder, die vielleicht auf den zahlreichen zu einer Kleinstadt zusammengebundenen Holzbooten wohnten, die hier direkt am Ufer standen. Viele Menschen kochten, schliefen und aßen hier ohne Strom und fließend Wasser. Auf dem Rückweg in die Innenstadt mit dem Tuk Tuk sahen wir eine ähnlich wirkende, einfach zusammengebaute Wellblechstadt auf Pfählen direkt am Ufer unter der großen Brücke. Die bemerkenswerte Besonderheit des Tonlé Sap fiel uns auch noch auf. Er fließt zu dieser Jahreszeit entgegen seiner Flussrichtung, da der Mekong in Phnom Penh sein ganzes Wasser in den kleineren Fluss hineindrückt. Das würde auch seine braune Farbe erklären, wobei wir nun auch noch eine zweite Erklärung dafür haben. Baden sollte man jedenfalls lieber im Swimming Pool.  

Das Foto der Inder oben links ist angeblich in Chile entstanden- das konnten wir widerlegen.
Das Foto der Inder oben links ist angeblich in Chile entstanden- das konnten wir widerlegen.

Sehr lecker fanden wir noch ein Indisches Restaurant, deren Eigentümer angeblich fünfmal die Welt umrundeten wobei sie es einmal mit dem Fahrrad taten. Es gab viele Fotos aus der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts mit zwei Männern mit Schnauzbart und stets im Partnerlook. Alle waren mit einem Text beschriftet, der den Ort in einer Ecke des Fotos erklärte. Es gab auch Zeitungsartikel zu den Reisen u.a. aus der Berliner Post. Allerdings enttarnte Franzi das Foto aus Chile wegen der durianförmigen Gebäude im Hintergrund als ein Foto aus Singapur. Uns kamen also Zweifel ob der Glaubwürdigkeit der Geschichte, die auch der Kellner nicht ausräumen konnte. Im strömenden Regen gab er uns zwei Regenschirme für den kurzen Weg vom Restaurant zum Tuk Tuk. 

Im Botanico gab es IPA, ebenfalls Schach und später das Pubquiz.
Im Botanico gab es IPA, ebenfalls Schach und später das Pubquiz.

Da es hektisch war und keiner nachdachte und wir die Schirme wieder zurückgeben wollten, waren am Ende trotzdem alle nass. Es erinnerte mich an die Knobelaufgabe mit dem Boot, dem Wolf und dem Schaf.  

Nachdem ich zuletzt in Laos auf meine Ballonfahrt mit Champagner angestoßen hatte, trank ich in Phnom Penh erstmals wieder etwas Alkohol. Zunächst besuchten wir ein Deutsches Kulturzentrum das sich Metahouse nannte. In der Berlin Bar gab es passable, wenn auch sehr teure Würstchen mit Kartoffelsalat. Dazu gönnte ich mir ein Erdinger, das ungefragt ein dunkles Weizen wurde, da es kein helles mehr gab. Wir waren nicht so begeistert vom Besuch, dass wir noch bis abends warteten, als die Künstler einiger Fotografien aus Kambodscha vorbeikommen sollten, stattdessen nahmen wir an einem Pub Quiz in einer Brauerei mit dschungelartigem Biergarten teil, bei dem wir glorreich Letzte wurden. Als Vorletzte hätten wir zumindest die Getränke umsonst bekommen.

Das "The Library" in der Bassac Lane
Das "The Library" in der Bassac Lane

Wir konnten kaum einen der Englischsprachigen Popsongs benennen und auch beim Kambodscha Abschnitt schienen die Fragen eher etwas für die anscheinend zahlreich anwesenden Lokalmatadoren zu sein, die hier wohl hauptsächlich als Expats arbeiten. Das lokale IPA mundete allerdings. Am letzten Abend testeten wir noch etwas unfreiwillig die Partyszene von Phnom Penh aus. Wir wussten, dass die Bassac Lane coole, kleine Bars beherbergen sollte. Allerdings wussten wir nicht, dass die Hauptstraße daneben eine Fußgängerzone ist, die an Reeperbahn oder Ballermann erinnert. Auf der Terrasse eines guten Pizzaladens versuchten wir bestmöglich Rauch- und Lärmbelastung auszublenden. Danach testeten wir noch die Bar, die "The Library" heißt und in der Bassac Lane liegt.

Günstiges, kaltes Frühstück am beliebten Straßenlokal der Einheimischen
Günstiges, kaltes Frühstück am beliebten Straßenlokal der Einheimischen

Wir saßen quasi am geöffneten Fenster außerhalb der Bar, die einen Tresen umgeben von lauter Bücherregalen umfasste. Alkoholfreie Getränke waren nicht vorgesehen, daher gönnte ich mir einen Negroni, während Franzis Versuch einen Mango Mojito zu bestellen, in einem einfachen Fruchtsaft mündete. Es gab in der Stadt viele Angebote für Europäische Gebäckstücke und fast überall Siebträgerkaffeemaschinen selbst an Straßenständen. Sich so zu ernähren sowie in den schicken Restaurants war allerdings auch entsprechend teuer. Einmal testeten wir ein Ecklokal neben unserer Unterkunft, wo die Einheimischen aßen. Wir zeigten wie bei einem Buffet auf das was lecker aussah und zahlten am Ende nur halb so viel wie in den Bäckereien. Allerdings war das Essen um 08:30 Uhr morgens auch schon recht kalt. Ebenfalls günstig war der Laden neben unserer Unterkunft, in dem frische, heiße Pho Suppe serviert wurde.  

Das Nationalmuseum und den Königspalast besuchten wir absichtlich nicht. Beides sollte mit zehn Dollar Eintritt überteuert sein. In Angkor haben wir im anderen Nationalmuseum schon viel Khmer Kunst gesehen und der Königspalast soll dem in Bangkok ähneln. Daher sparten wir Zeit und Geld und besuchten diese typischen Attraktionen nicht. Wir standen aber vor dem Königspalast, wo uns ein nerviger Tuk Tuk Fahrer seine Tour verkaufen wollte und dafür wie schon in Bangkok anschwindelte, dass der Palast bereits geschlossen sei.  

Blick aus unserem verdunkelten Zimmerfenster: Auf der Antenne gegenüber turnte manchmal ein Affe, im Hintergrund pustet ein Schornstein ungefilterten Dreck in die Luft.
Blick aus unserem verdunkelten Zimmerfenster: Auf der Antenne gegenüber turnte manchmal ein Affe, im Hintergrund pustet ein Schornstein ungefilterten Dreck in die Luft.

So richtig wohl fühlte ich mich in Phnom Penh auch nicht wegen unserer Unterkunft. Das Hostel in einer großen Villa war vielleicht mal cool mit der Sportsbar im Erdgeschoss, wo auch ein Swimming Pool umgeben von schicken Graffitis ist. Das Treppenhaus wirkt dann aber schon eher verlassen und ungepflegt und auch das Zimmer machte einen tristen Eindruck. Getönte Scheiben sorgten für eine düstere Atmosphäre, die Vorhänge gingen nur schwer zu und ließen immer Lücken, so dass man theoretisch von draußen, auch vom Balkon direkt vor dem Fenster, in unser Zimmer gucken konnte. Aus dem Fenster hatte man den Blick auf ein schönes Wat, ein paar Hochhäuser und auf den Schornstein eines Krankenhauses aus dem morgens stets schwarze Abgase herauskamen. Manchmal kletterte ein Langschwanzmakake auf dem Haus auf der gegenüberliegenden Straßenseite den Turm mit der Antenne hoch und chillte oben für einige Stunden- ein echter Stadtaffe. Es lag noch Dreck von den Besuchern zuvor auf dem Boden unseres Zimmers und der Seifenspender im Bad war leer. Zwar wurden ein paar Themen auf Nachfrage behoben und das Personal war immer recht freundlich und hilfsbereit, aber jede Unterkunft vermittelt eine Stimmung und die Stimmung hier war unangenehm. Immerhin gewöhnte ich mich halbwegs an die Stadt und konnte so meinen Aufenthalt trotz schwieriger Themen und ungemütlichem Hostel insgesamt genießen. 

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