Hoi An
geschrieben von Timo
Hoi An ist eine kleine Stadt, aber hat vieles zu bieten. Heute wimmelt es hier genauso an Menschen wie vor fünfhundert Jahren in den kleinen Gassen der Altstadt. Damals waren es die Händler, die aus China und Japan gekommen waren als die Vietnamesen den Hafen für den internationalen Handel öffneten. Auch die Europäer kamen hier zum Handeln vorbei, ließen sich aber nicht nieder. Heute kommen die Touristen aus der ganzen Welt hierher. Es ist einer der touristischsten Orte, die wir besucht haben in Südostasien und auf jeden Fall in Vietnam bisher. Die komplette Altstadt ist auf den Tourismus ausgelegt. Unser Guide Vinh von unserer Free Walking Tour am ersten Tag erklärte uns, dass man hier die höchste Miete im ganzen Land zahlen kann und dass man sie am Anfang des Jahres für das gesamte kommende Jahr zahlen muss. Die Altstadt ist trotz der Touristenscharen und entsprechender Kommerzialisierung wunderschön und hat Charme, der allerdings durch die teilweise hemmungslosen Verkäufer und Menschenmassen manchmal nicht zu genießen ist. Dennoch war es für Franzi einer der schönsten Orte in Südostasien, an dem wir waren und wir haben es sehr genossen.
Der Besuch in Hoi An war für uns geprägt von Besuchen bei zwei Schneidern von insgesamt über 400 Schneidereien, die es in der kleinen Stadt gibt. Bei der ersten Schneiderei ließ ich mir über vier Tage verteilt drei Anzüge und zwei Hemden maßanfertigen. Insgesamt steckten wir beide über zwei komplette Arbeitstage in das Thema verteilt auf fünf Tage. Zuvor hatten wir uns schon teilweise stundenlang in anderen Schneidereien beraten lassen, da die Wahl der Farbe des Anzugs eine große Herausforderung darstellte. Möglicherweise besitze ich nun bereits den Anzug für unsere Hochzeit! Für Franzi waren die Meetings anstrengender als für mich, da sie wie eine Hochzeitsmanagerin jede Stelle jedes Outfits checkte und bemängelte, wenn etwas nicht perfekt war. Manchmal traf sie auf Zustimmung der Verkäuferin, die auch Näherin ist, aber oft gab es auch lange Diskussionen darüber, ob eine Optimierung aus technischer Sicht möglich ist. Ich sprach meistens nur offensichtlichere Punkte an oder stand Model, was aber auf Dauer auch anstrengend genug war. Franzi war nachdem wir fertig waren so erschöpft, dass sie auch zwei Tage später noch träge wirkte und sich selten richtig wach und fit fühlte. Das war ein hartes Stück Arbeit.

Aber dafür bin ich jetzt für die nächsten festlichen oder geschäftlichen Termine vorbereitet. In allen Schneidereien in denen wir waren, arbeiteten nur Frauen die oft selber ein Arbeitskleid trugen, das für den Laden einheitlich gestaltet war. So trugen an einem Tag alle das türkise Kleid und an einem anderen alle das pink- bunte Kleid. Unsere Verkäuferin Pup war sehr freundlich, aber auch bestimmt und wirkte mit zunehmender Dauer ungeduldiger bei Anpassungswünschen unsererseits, drückte das aber nicht in Worten sondern höchstens in der Tonlage aus. Ihre Chefin war deutlich patziger und sie könnte auf Europäer fast aggressiv wirken. Letztendlich konnten wir aber fast alles inhaltlich klären, auch wenn manchmal eine plausible Erklärung ausblieb trotz mehrfachen Nachfragens. Warum kann die Naht nicht weiter hinten an der Schulter liegen? Warum wirft das Sakko an der Brust Falten? Nicht jedes Detail wurde erklärt oder behoben, aber am Ende waren alle zufrieden mehrere Tage durchgezogen zu haben. Die Anzüge brauchten zwar auch viele Runden bis sie perfekt waren, aber sie waren weniger anstrengend als die Hemden.

Die Hemden würde ich im nachhinein nicht noch einmal hier machen lassen. Zwar passen sie jetzt auch gut, aber mit 50 Dollar waren sie nicht günstig und sie sehen nicht viel besser aus als Hemden aus dem Geschäft. Vermutlich macht die angeblich Ägyptische Baumwolle sie erst so teuer. Die Anzüge waren hingegen mit 270 USD inkl. Weste maßgeschneidert ein sehr guter Deal, da sie damit günstiger sind als die Standardware im Kaufhaus in Deutschland. Die Mischung aus Kaschmirwolle und Seide fühlt sich sehr geschmeidig an und sieht auch super aus. Der zweite Vorteil neben der günstigen Fertigung der Textilien in Hoi An ist die Geschwindigkeit. Einen halben Tag nach der Farb- und Stoffwahl war der erste Anzug und das erste Hemd bereit zur Anprobe. Danach wurde iterativ optimiert und schließlich die anderen Kleidungsstücke kopiert mit den anderen Stoffen. Ich musste feststellen, dass manche Stoffe dehnbarer waren als andere und daher anders geschnitten werden mussten als andere. Zunächst wurde bei der Anprobe das Jackett und die Weste noch mit Nadeln geschlossen, an denen ich zweimal meine Finger verletzte. Ich musste etwas aufpassen meinen Anzug nicht vollzubluten. Bei weiteren Anproben kamen dann Knopflöcher und Knöpfe hinzu. Sehr zufrieden war ich mit der Wahl der Stoffe im inneren des Jacketts und der Weste, die super zum Äußeren passen. Am Ende gab es nochmal eine Enttäuschung als die Initialen in das Hemd genäht worden waren, da es schlechter aussah als wenn ich es selber genäht hätte. Bei einem Hemd ließen wir es wieder entfernen und bekamen dafür noch einen Rabatt auf den Gesamtpreis, den wir schon zu Beginn um 200 Dollar drücken konnten. Schließlich umarmte Pup uns noch mehrfach und wir versuchen nun alles in unserem Backpack nach Hause zu transportieren. Das ist wesentlich günstiger für uns als es schicken zu lassen, da wir nicht nur über hundert Euro fürs Schicken sparen sondern auch noch die 19% Einfuhrumsatzsteuer nach Deutschland, wenn man es selber transportiert (und es einen gewissen Wert nicht überschreitet unter dem wir knapp liegen). Der nette Mann vom Verschiffungsunternehmen hat uns alles sehr transparent erklärt u.a. auch wie er eine zweite, gefälschte Rechnung zum Paket legen würde, damit wir weniger Geld an den Deutschen Staat zahlen müssten. Nicht falsch verstehen- er war wirklich sehr hilfsbereit, nett und vielleicht etwas zu pragmatisch in Anbetracht der vorgeschlagenen Steuerhinterziehung. Tatsächlich war ein weiterer Grund es nicht schicken zu lassen, dass wir keine Erfahrung damit haben wie man den Deutschen Zoll überhaupt bezahlt und wie das Paket dann schließlich bis zu unseren Eltern kommen würde. Jetzt bleibt es stattdessen noch zwei Monate in unserem Backpack und kommt hoffentlich heile zuhause an. Eigentlich hatte Franzi jetzt genug von Schneidern gesehen, aber ihr Bikinitop war gerade endgültig kaputt gegangen und es war hier natürlich die Gelegenheit ein neues schneidern zu lassen. Das klappte in zwei Anläufen sehr gut und war natürlich auch deutlich günstiger als die Anzüge. Franzi ärgerte sich lediglich, dass sie ihren alten Bikini hatte kopieren lassen und ihre neue Designidee wie gekreuzte Träger vorher nicht erwähnt hatte.

Am ersten Tag hatten wir die angesprochene Free Walking Tour gemacht mit dem selben Anbieter wie in Saigon. Auch diesmal war es wieder sehr interessant was der junge Guide zu erzählen hatte, der selber ursprünglich aus dem Süden kommt und bei einer Motorradtour während des Pandemiebeginns zunächst unfreiwillig und später freiwillig in Hoi An blieb. Zunächst besorgte jeder aus der Gruppe sich ein Eintrittsticket für die Altstadt. Für kleines Geld kann man sich nicht nur unbegrenzt in der Stadt aufhalten, sondern auch fünf von 25 Attraktionen besuchen. Da letzteres außergewöhnlich schlecht kommuniziert ist und nicht mal auf dem Ticket drauf steht, gab es am Ende des ersten Tages für uns eine herbe Enttäuschung als wir nicht mehr in einen interessanten Chinesischen Tempel reindurften.
Letztendlich war es nicht schlimm und wir haben uns auch kein zweites Ticket gekauft für weitere fünf Attraktionen, aber auf diesem Wege von dieser Regelung zu erfahren, verwandelte unsere freudige Erfahrung hier und da mal kurz in die Museen und Tempel reinzuschauen in die besagte Enttäuschung um. Gerne hätten wir in den nächsten Tagen den ein oder anderen schönen Ort der verwinkelten Altstadt genauer erkundet, wenn davor kein Ticketkontrolleur gestanden hätte. Mit dem Ticket besuchten wir einen Chinesischen Tempel, der noch deutlich älter war als seine Verwandten in Penang und in Singapur. Letztendlich hat er aber eine ähnliche Funktion. Er dient dazu der Meeresgöttin zu huldigen, dass man die Reise überlebt hat. Es gibt auch andere Götter z.B. für das Kinder kriegen. Vinh beschrieb es als eine Mischung aus Mahayana Buddhismus, Taoismus und Konfuzianismus, die man im Tempel finden kann.

Oder halt einfach Chinesischer Tempel, da man auch Folklore aus China eingebaut hatte. In unserer Gruppe war auch ein anderes Deutsches Pärchen, das gerade erst aus Nordvietnam gekommen war. Von ihnen erfuhr ich, dass man den Norden gut bereisen konnte, trotz eines heftigen Taifuns (Hurricane im ostasiatischen Raum), der für viel Verwüstung und viele Tote gesorgt hatte. Der Sturm war so heftig, dass wir in Saigon ja sogar bei einem Benefizkonzert für die Opfer teilgenommen hatten. Unser erster Halt war die überdachte, Japanische Brücke, die auch einen Tempel beherbergt. Die kleine Brücke ist aus Holz und rot bemalt und auf vielen Balken findet man Chinesische Schriftzeichen und es hängen Lampions von der Decke. In dem kleinen Raum der Brücke zeigt uns Vinh wie man mit einer ungerade Anzahl Räucherstäbchen die Götter anruft und Wünsche äußert.

Markant für das Städtchen sind die gelben Häuserwände, die kleinen, alten Frauen mit den großen Dreieckshüten aus gelber Naturfaser und die unzähligen Lampions, die überall über den Straßen und an den Geschäften hängen. Im Handwerksmuseum wurde gezeigt wie die Lampions hergestellt werden, die man inzwischen in ganz Vietnam findet, aber nirgends so viel wie hier. Ich habe sogar verstanden, dass die Herstellungstechnik ursprünglich aus Hoi An stammt. Teilweise sind die Abstände zwischen den fast immer zweistöckigen Häuschen so eng, dass man sich fast durch die Gassen durchzwängen muss. In der Monsunzeit kann die ganze Altstadt geflutet sein, dann räumen alle ihre Möbelstücke in den zweiten Stock. Im Erdgeschoss befinden sich heute in fast jedem Haus Verkaufsläden insbesondere die Schneidereien, aber natürlich auch viele Cafés und Restaurants und andere Verkaufsläden. Wir besuchten ein Familienhaus, zu denen der Guide einen persönlichen Draht hatte, das aber auch als Touristenattraktion offen steht. Im Hinterhof bereitete die Familie weiße Rosen vor, eines der Spezialgerichte in Hoi An.

Angeblich stammt es aus dem Rezeptbuch genau dieser Familie und auch die weißen Rosen, die wir am Vorabend in einem Restaurant gegessen hatten, sollen mit der Familie verbunden gewesen sein. Man isst natürlich keine Blumen, sondern lediglich gefüllte Teigtäschchen in der Form von Rosen. Die Tour endete in dem vorher angesprochenen Tempel, aber es gab noch eine kleine extra Führung für alle, die nach dem langen Spaziergang in der Hitze noch Zeit und Energie hatten

. Es ging auf den Markt und Vinh ließ uns bei älteren Händlerinnen das ein oder andere probieren. Da es ganz unverbindlich war, kamen wir gerne mit und die knusprigen Kokoschips waren so lecker, dass sie uns überzeugten eine Packung davon mitzunehmen. Nach der Tour waren wir sehr überhitzt und daher suchte ich mir erstmal den nächsten Coconut Coffee, um meinen mintfarbenen Becher mit einem erfrischenden Getränk aufzufüllen. Hunger hatten wir auch und daher gönnten wir uns auch noch ein Banh Mi.

Im beliebten Imbiss- Restaurant konnten wir anhand von Bildern sehen, dass es mit Banh Mis ähnliche Wettbewerbe zu geben scheint wie mit Hot Dogs. Wir bestellten zwar auch nochmal nach, aber die Baguettes stapelten sich noch nicht auf unserem Tisch. Der Guide einer großen, Amerikanischen Tourgruppe erklärte am großen Nebentisch gerade den Ablauf des restlichen Tages. Ich war froh, dass wir unseren Ablauf selber bestimmen konnten. Wir schauten ein paar kleine Museen in den Häusern der Altstadt an, von denen nicht alle interessant waren. Schließlich besuchten wir noch die Bingovorstellung (Bai Choi) für Touristen in einem kleinen Theater. Jeder zieht ein Holzstück vor der Show und wenn das richtige Zeichen auf dem Holzstück auf der Bühne angekündigt wird, hat man gewonnen. Wir hatten nicht das richtige Zeichen. Dennoch war es interessant zu sehen, da es vor allem um das Gerede der zwei Moderatoren auf der Bühne geht, die auf Vietnamesisch den Prozess in die Länge gezogen hatten. Einige aus der Free Walking Tour sahen wir auch im Publikum wieder.

Ein paar Tage später sahen wir eine ähnliche Show an einem öffentlichen Platz direkt am beliebten Kanal mit offen Holzunterständen, die wohl extra für diese Art der Veranstaltung dort stehen. Auch wenn es nun für Touristen zelebriert wird, hat es hier wohl eine lange Tradition. Ein sehr leckeres Erfrischungsgetränk später schauten wir noch ein beeindruckendes Familienhaus an mit dem Namen Tan Ky. Dunkles Holz geschmückt mit Perlmutt prägten das Innere. Einige Feng Shui Elemente konnte man auch erkennen wie die Anzahl an quer gebauten Holzbalken im Dachgiebel. Wir bekamen eine kurze Gratistour, die dann aber schnell davon geprägt war, dass uns so genannte Konfuzius Tassen verkauft werden sollten. Ein witziger Gag, aber nichts was man braucht. Zum Glück hatte unsere Führerin es eher auf die Asiatische Familie mit Kindern abgesehen statt auf uns.

Als wir wieder aus dem Gebäude raus waren, da es schloss, war es bereits fast dunkel. Am Kanal an der Brücke, wo auch die Anlage für das Bai Coi Spiel steht, konnte man nun hunderte von Ruderbooten beobachten, die die Touristen auf dem kleinen Wasser umherfuhren. Zusammen mit den leuchtenden Lampions war es sehr stimmungsvoll. Die lauten Bars vom nicht so fernen, anderen Ufer waren nur teilweise stimmungsvoll. Schön waren auch die Kerzen auf dem Wasser, die man in offenen Papierboxen kaufen, anzünden und freilassen konnte. Wir beteiligten uns aber nicht an dieser Umweltverschmutzung, auch wenn sie ein schönes Bild abgab. Vinh hatte uns erklärt, dass die Aktion auch einer lokalen Tradition folgt, die aber viel seltener stattfindet und heute täglich für die Touristen angeboten wird. Es war jetzt rappelvoll in der Altstadt, was an den schönen Lichtern und den nun sehr angenehmen Temperaturen liegen wird. Alles war sehr stimmig bis wir feststellten, dass wir keine weiteren historischen Stätten mit unserem Ticket besuchen konnten, wie eingangs erläutert. Auch trafen wir leider nicht erneut das nette, andere Deutsche Pärchen aus dem Nachbarzimmer aus Leipzig, mit denen wir uns sehr gut verstanden hatten und gerne noch eine Runde Wizard gespielt hätten.

Am nächsten Tag stärkten wir uns mit Cao Lao, einem lokalen Nudelgericht, das Vinh uns auch vorgestellt hatte. Wir saßen in eine Ecke gequetscht in einem vollen und lauten Laden. Danach durchquerten wir noch den Rest der kleinen Altstadt und informierten uns in der ersten Schneiderei ausführlich über Anzüge. Ich brauchte eine Pause zwischendurch und so gab es lecker Kaffee und Kuchen gegenüber des großen Ladens, den mir meine Vietnamesische Arbeitskollegin empfohlen hatte, da sie ihrem Deutschen Freund hier auch Anzüge hatte schneidern lassen. Nach anstrengenden Stunden ohne konkretes Ergebnis in mehreren Schneidereien überzeugte mich Franzi noch von einer kleinen Bootsfahrt bei Nacht auf dem Kanal. Es war zwar etwas kürzer als angekündigt, aber ganz nett und auch nicht zu teuer. Wir bekamen ein vollkommen verwackeltes Bild vom Ruderer und mussten uns zweimal ducken als wir jeweils die Brücke passierten.

Das Wasser ist so voll mit Ruderbooten, das man auch von der Brücke runterklettern kann und mit ein paar Sprüngen ohne nasse Füße wieder ans Wasser kommen könnte. An diesem Abend besuchten wir ein vegetarisches Restaurant, mit einer etwas zu langen Speisekarte voller Texte zwischen denen sich die Gerichte versteckten. Darin berichtete die junge Gastronomin davon, dass es nicht einfach war zu wagen in Vietnam ein vegetarisches Restaurant zu gründen. Nun hatte sie sogar schon zwei, aber in Danang, der Großstadt neben Hoi An, und Hoi An selber werden ihr sicherlich genug westliche Besucher mit einer vegetarischen Vorliebe das Gefühl geben, dass es sich gelohnt hat ein vegetarisches Restaurant zu eröffnen. Wir kamen auch mehrfach, auch wenn wir immer einmal um einen See laufen mussten, da der sehr kurze und direkte Weg zu unserem Hostel von zwei abgeschlossenen Zäunen um ein Grundstück versperrt war.

Natürlich mussten wir auch das nahe gelegene Welterbe besuchen. Dafür organisierte uns die Rezeptionistin unseres Hostels einen Fahrer, der uns früh morgens abholte und daraufhin ins Hinterland fuhr. Wir holten uns noch Banh Mi auf dem Weg und beobachteten wie wir lange durch urbane Landschaften fuhren ehe wir uns einer grünen Berglandschaft näherten, die früher mal die kulturelle Wiege dieser Region war. Die Anlage My Son erinnerte uns sehr an die Khmer Tempel von Angkor und auch andere Khmer Tempel Kambodschas und im Süden von Laos. Tatsächlich stammt er wohl von der Cham Kultur, die ebenfalls hinduistisch war und zur selben Zeit existierte wie die Khmer Kultur. Unterschiede zwischen beiden Kulturen werden wohl nur bei intensiverer Studie der Kulturen klar. Während der Fahrer auf dem großen, leeren Parkplatz auf uns wartete, wurden wir mit einem Golfcart innerhalb weniger Minuten näher an die Anlage rangefahren. Wir hatten uns beim Eingang dazu entschieden einen Audioguide mitzubuchen.

Während ich schon nervös darauf wartete, dass wir mit der Audiotour starten, da ich vermutete dass später die Besuchermassen kommen werden, gönnte sich Franzi noch einen Kaffee bevor wir anfingen. Es wurde auch langsam immer heißer, dadurch dass die Sonne immer weiter über die grünen Berge stieg. Wir passierten einen See voller verwelkter Lotusblüten mit einem markanten Berg dahinter, der den Cham heilig war und sie vermutlich dazu bewog hier ihre Anlage zu bauen. Schon bei der ersten Ansammlung von Ruinen scheiterte das gemeinsame Hören des Audioguides auf einem Smartphone. Unsere Bewegungsabläufe passten einfach nicht zueinander. Meine Nervosität wegen der steigenden Besucherzahlen und der Temperatur wegen der steigenden Sonne trugen nicht zu einer Beruhigung bei. Bei der zweiten und größten Ansammlung von Ruinen, bei der ich ebenfalls konsequent versuchte die Reihenfolge der Beiträge am jeweils richtigen Ort zu hören, was Franzi immer wieder sabotierte in dem sie vorschlug einfach den Beitrag zu hören, dessen Nummer wir in der Anlage fänden, trennten wir dann endgültig unsere Wege.

Ich hörte den Audioguide mit Franzis Smartphone und sie streunte selber etwas durch die Anlage. Nach und nach kamen auch erste Besuchergruppen mit Guide dazu. Wir hatten auch Angebote für eine Tour gefunden, uns kam aber die Zeit die in den Ruinen verbracht wird zu kurz vor und daher besuchten wir den Ort lieber selbstständig. So richtig lehrreich waren die Audioguide Beiträge leider nicht, aber verpassen wollte ich sie auch nicht. Man konnte im steinernen Mauerwerk der Ruinen viele hinduistische Götterfiguren erkennen sowie einige Yoni und Lingas, also Fruchtbarkeitsformen in große Steine gehauen wie auch bei den Khmern. Wir beeilten uns noch die letzten Ruinengruppen auf dem Gelände anzuschauen ehe es zu einer bestimmten Uhrzeit eine kulturelle Show geben sollte. Franzi trottete inzwischen geschädigt von unserem Zwist und von der Hitze in ihren aus Respekt angezogenen, langen Klamotten durch das Gelände und hatte nicht mehr viel Spaß. Die letzte Ruinenstätte war geprägt von einigen, riesigen Bombenkraters, die die US Streitkräfte hier abgeworfen hatten.

In der kulturellen Show wurde zu Musik getanzt und die Bewegungen und Outfits der Frauen stellten offensichtlich Apsaras wie in der Khmer Kultur dar. Wie im Zirkus in Siem Reap konnten sie ihre Finger und Arme extrem verbiegen, was ungesund und grazil zugleich aussah. Die überdachte Bühnenanlage war inzwischen sehr gut gefüllt und ich war froh, dass wir nur noch eine Ruinenanlage vor uns hatten und zwar die, wo die Gruppen nicht hingingen. So konnten Franzi und ich uns wieder etwas vertragen und die letzten Beiträge im Audioguide zusammen hören. In zwei Ausstellungsgebäuden kamen auch nur noch wenig zusätzliche Erkenntnisse dazu und so fuhren wir wieder zurück an die Küste nach Hoi An. Auf dem Parkplatz waren inzwischen zahlreiche Reisebusse eingetroffen. Das selbe Welterbe in Kambodscha oder Laos hätte sich sicherlich weit weniger Beliebtheit erfreut.

Am Nachmittag stärkten wir uns in einem netten Lokal in einer Nebengasse der überdachten, Japanischen Brücke direkt am Straßenrand. Durch die enge Gasse würden nur Mopeds passen. Ich stellte fest, dass ein Streifen des Betonbodens gerade erneuert wurde, in dem ich versehentlich in den nicht abgesperrten Streifen hineintrat. Die Arbeiter begradigten den Fußabdruck später wieder wie ich von meinem Essplatz aus beobachten konnte, aber unter meinem offenen Schuh aus Ko Tao wird wohl noch länger etwas Beton kleben.

Den Samstag verbrachten wir fast den ganzen Tag in der Schneiderei. Franzi hatte allerdings noch einen Herzenswunsch, auf den ich eigentlich wenig Lust hatte. Sie wollte abends noch in die Großstadt Da Nang fahren, die nur etwa eine halbe Stunde mit dem Auto nördlich von Hoi An liegt und die auch die Heimatstadt meiner Nachfolgerin bei Vattenfall ist. Das war aber nicht der Grund für Franzis großes Interesse, sondern die Drachenbrücke in der Stadt, die am Samstagabend wie ein echter Drache Feuer speit und danach – nicht wie ein echter Drache- auch noch Wasser. Ich suchte verzweifelt nach Busverbindungen, aber mit öffentlichen Verkehrsmitteln gab es einfach keine gute, offensichtliche Lösung. Stattdessen buchte Franzi pragmatisch über unsere Rezeptionistin ein Auto mit Fahrer und so fuhren wir abends den Küstenhighway nach Da Nang rein. Die Millionenstadt ist auch bei Expats sehr beliebt. Bei der Drachenbrücke angekommen, stießen wir auf viel Verkehr und viele Menschen. Es fand in unmittelbarer Nähe gerade ein beliebtes Popkonzert auf einem öffentlichen Platz statt. Der Fahrer ließ uns kurz raus, nachdem wir WhatsApp Nummern getauscht hatten.
Dann stiegen wir auf die große Drachenbrücke und liefen unter dem Kopf entlang, der über der Autofahrbahn liegt. An den Seiten auf den Bürgersteigen am Geländer hatten sich auch eine halbe Stunde vor der wöchentlichen Show schon einige Schaulustige positioniert. Wir fotografierten etwas die Brücke und die leuchtende Stadt am Wasser und gingen dann aber wieder runter, da wir unsere Kamera nicht riskieren wollten, wenn der Drache Wasser spuckt. Und außerdem hatte man von unten an der Wasserpromenade auch einen guten Blick auf das Profil des Drachenkopfes. Hier hingen überall leuchtende Herzen, was dem ganzen Ort eine angenehme Stimmung verlieh. Kurz bevor es soweit sein sollte, positionierten sich auch Ausflugsboote auf dem Wasser so, dass ihre Besucher einen besonders guten Blick auf die Brücke haben würden. Franzi war schon voller Vorfreude. Und dann war es schließlich so weit. Parallel zur Musik vom Popkonzert spie der Drache mehrfach einen großen Feuerball in die Luft, dessen Hitze man auch viele Meter weiter bei uns unten am Ufer spüren konnte. Nach einer Pause wiederholte sich noch mehrfach das Feuerspeien und dann kam schließlich auch noch ein riesiger Wasserstrahl aus dem Drachenkopf, der auf die Menschen auf und neben der Brücke herab regnete und selbst bis zu uns noch ein wenig Feuchtigkeit transportierte.

Nach dem Spektakel, das ich ganz nett fand, aber jetzt auch nicht gerade den Aufwand wert hierher zu fahren, erwartete ich eine ähnliche Einschätzung dazu von Franzi. Allerdings war sie hellauf begeistert, denn "die Brücke hat Feuer und Wasser gespuckt. Wie cool ist das denn?". Na gut da fiel mir dann auch kein Gegenargument mehr ein. Wir gingen Tacos essen in einem schlecht organisierten Laden. Die Zutaten mussten erst eingekauft werden und wurden von zwei gestressten, jungen Damen, die auch für das Kochen verantwortlich waren, Stück für Stück mit dem Moped in Tüten am Lenkrad geliefert. Neben den anderen, ausländischen Kunden im Laden schienen auch die Kunden von Lieferdiensten noch abgearbeitet zu werden. Unser Fahrer hatte uns hier abgesetzt und wartete nun bis wir ihm das Signal gaben, dass wir zurück nach Hoi An wollen. An der Wand hingen Fotos von Rekordessern der Tacos. Nach den Tacos gingen wir noch an den Strand. Der Sand hier ist sehr schön und es reiht sich ein Hochhaus an das andere am endlos erscheinenden Strand. Es war schon lange dunkel und mit dem Abendspaziergang rundeten wir einen netten Tagesabschluss ab ehe uns unser Fahrer an der Promenade abholte und nach Hause fuhr.

Den Sonntag machten wir zu unserem Strandtag. Die Nachbarn unserer Unterkunft verliehen uns für fast kein Geld zwei klapprige Drahtesel, die uns bis zum knapp zehn Kilometer entfernten Meeresstrand brachten. Dort stellten wir sie geschickt an einem Zaun ab neben dem offiziellen Fahrradparkplatz. In der Kultur hier zahlt man nämlich für das Parken von Mopeds und sogar einen Kleinbetrag für das Parken von Fahrrädern. Das sahen wir nicht ein und schlossen es an der Straße neben dem Fahrradparkhaus an. Am Strand war einiges los- wir sahen viele Touristen, Strandverkäufer und runde Fischerboote wie in Bai Xep, die wohl weniger fischten als dass ihre Eigentümer die Aufmerksamkeit der Touristen für Fotos auf sie lenken sollten. Nach links guckend konnte man in der Ferne die Hochhäuser von Da Nang sehen, das vermutlich sogar über den Strand in einem Tagesmarsch zu erreichen ist. Es dämmerte schon langsam als wir angekommen waren.

Die Sonne geht hier ja bereits gegen fünf sehr schnell unter, nachdem sie morgens ebenfalls um fünf aufgegangen war. Ich fragte in einem der Läden hinter dem Strand, ob ich mich umziehen könne, aber das ging nur gegen den Erwerb eines Getränks. Daher lief ich etwas den Strand entlang bis zu einer Düne hinter der sich die Reste oder Anfänge einer Bauruine befanden. Hier konnte ich unbesehen meine Badehose anlegen. Franzi war zu dem Zeitpunkt schon lange im Wasser gewesen und freute sich, dass ich doch noch dazukam. Mit dem Sonnenuntergang leerte sich der Strand immer mehr. Auch wir gingen langsam aus dem flachen Wasser, das vermutlich erst hinter der Badeabsperrung richtig tief wird. Plötzlich verspürte ich den dringenden Bedarf einer Toilette. Die Not nahm mir die Fähigkeit zu denken. Ein erneuter Gang zur sturen Kellnerin, die erst ein Getränk bereitstellen wollte, bevor man ihre Toilette benutzen kann, erschien mir zu kompliziert. Ich ging erneut ins Meer in der Hoffnung es würde sich wieder legen.

Leider legte sich der Durchfall nicht und konnte nicht mehr verhindert werden. Gott sei Dank war es schon recht dunkel. Kaum jemand war noch im Wasser. Ich hatte ursprünglich die Idee gehabt mit einer Packung Taschentücher erneut hinter die Düne zu gehen. Das hatte leider nicht mehr geklappt. Ich versuchte das Gros auszuwaschen und ging dann mit meiner Boxershorts und den Taschentüchern erneut hinter die Düne, um das Schlimmste zu beheben. Vermutlich hatte die Aktion niemand außer Franzi mitbekommen, aber es war mir natürlich trotzdem unfassbar peinlich. Mein Darm schien sich aber wieder beruhigt zu haben. In Iquique hatte Franzi ein Jahr zuvor ähnliche Probleme an einer Strandpromenade gehabt und konnte das Schlimmste in einer nahe gelegenen, öffentlichen Toilette beheben. Ich musste den Fahrrad Heimweg nun leicht gereinigt und mit der Sehnsucht nach einer Dusche zurücklegen. Der Fahrrad Parkplatz war fast leer und die Betreiber hatten wohl ihre Jacken in unsere Fahrradkörbe gelegt vermutlich, um uns aufzuhalten. Wir waren aber vorbereitet und lösten schnell das Schloss und fuhren ohne die Jacken los. Es wurde noch auf uns geschimpft, dass wir bezahlen sollen, aber wir sahen nicht ein für das Anschließen der Fahrräder in der Öffentlichkeit Geld zu bezahlen. Nach der Dusche und dem intensiven Waschen der Badekleidung ging es wieder in die Schneiderei, wo die Anzüge langsam Form annahmen.

Abends ging es noch in unser neues Lieblingsrestaurant direkt am Ufer über dem Bingoplatz in der Altstadt und gegenüber von den bunten Bars, aus denen etwas zu aufdringliche Rockmusik tönte. Franzi sicherte sich hier mehrfach vor der Hauptspeise bereits beim Betreten des Lokals einen leckeren und vor allem mächtigen Schokokuchen für die Nachspeise. Das Streunen durch die bunte, belebte Altstadt nach Hause genossen wir nun trotz der vielen Touristen ausgiebig. In einer Straße gab es einen Nachtmarkt mit lauter Zeugs, das man sowieso nicht braucht und Verkäufern die natürlich jeden Blick als heftiges Interesse an ihrem Produkt interpretierten und einen dementsprechend ansprachen.

Einen sehr schönen Ort besuchten wir an einem der letzten Tage in Hoi An. Der Französische Fotograf Réhahn ist einst in Vietnam kleben geblieben und zeigt in seinem bunten Atelier die Vielfalt der Ethnien, die Vietnam zu bieten hat. Er besuchte viele der knapp hundert ethnischen Gruppen im Land mit seinem Motorrad auf teilweise waghalsigen Touren und knüpfte teilweise enge Beziehungen zu den Dorfbewohnern. Insbesondere alte Frauen scheinen es ihm angetan zu haben. Beeindruckende Porträtfotos zieren die Wände des Ateliers, das eigentlich ein informatives Museum geworden ist. Franzi las stundenlang zu jeder ausgestellten, ethnischen Gruppe alle Texte. Ich war nicht so geduldig, auch wenn ich es mega interessant und gut dargestellt fand. Ein fast einstündiger Film zeigte mehrere Besuche Réhahns in Dörfern und wie diese abliefen. Teilweise besuchte er Jahre später die selben Dörfer wieder. Ein Foto zeigte einige Dorfbewohner, die Réhahn eines Tages mit ans Meer Vietnams brachte, das sie von ihrem Dorf in den Bergen aus noch nie zuvor gesehen hatten. Auf dem Bild sieht man faszinierte, junge Menschen die in ihren Klamotten in der Brandung toben.

Ich gönnte mir nebenan einen Kaffee während Franzi sich die Ausstellung zu Ende anschaute. Am Ende kauften wir einige Postkarten mit tollen Porträtfotos, von denen man sicher sein kann, dass die Subjekte auf dem Bild vorher nach ihrer Erlaubnis gefragt worden sind. Abends machten wir noch einen Spaziergang auf die gegenüberliegende Insel An Hoi, die nahtlos übergeht von der Altstadt und auf der sich unter anderem auch das Barufer befindet. Ich versprach mir viele spannende, handwerkliche Geschäfte hier und war frustriert, dass es so spät geworden war und es schon dunkel wurde. Tatsächlich waren hinter der Partymeile aber eher Wohnhäuser und Hotels zu finden und nach der Umrundung der Westspitze kehrten wir zurück in unser Lieblingsrestaurant auf der anderen Wasserseite, um den letzten Abend zu genießen.

Bevor es nach Hue mit dem Bus weiterging, statteten wir aber nochmal dem Meer einen zweiten Besuch ab. Diesmal fuhren wir in ein bei Europäern beliebtes Frühstückslokal direkt am Wasser nur einen Kilometer entfernt vom Strand, wo wir letztes Mal gewesen sind. Hier konnten wir unsere Fahrräder kostenlos und sorgenfrei abstellen und drinnen gab es lecker aussehende Croissants, Getränke und Kaffee. Der Tresen war in einem offenen Pavillon, der von einem netten Garten umgeben war und wir gingen direkt weiter bis auf eine Düne, wo wir uns einen Platz im Freien aussuchten. Von dort sahen wir das windige Wetter und große Wellen, die an den Strand schlugen. Mir war es zu stürmisch, um ins Wasser zu gehen, aber Franzi wagte ein paar Schritte hinein, ohne aber darin zu schwimmen. Dafür waren die Wellen einfach zu stark. Ich setzte mich stattdessen auf eine der Strandliegen vom Café, das auch gleichzeitig ein Hostel war, und die man mitnutzen konnte und bereitete unseren nächsten Besuchsorte vor.

Auf dem Rückweg mit dem Fahrrad fand Franzi dann sogar noch ihren Lippenpflegestift wieder, den sie auf dem Hinweg verloren haben musste. Nun war es an der Zeit sich endlich von Hoi An zu verabschieden. Es hat uns hier sehr gut gefallen und wir hatten drei neue Anzüge im Gepäck für mich dabei sowie einen neuen Bikini für Franzi. Das Gepäck kam in ein Busgepäckfach auf dessen Ladeluke in den Staub der Zielort der Fahrt gemalt worden war. Um nach Hue zu kommen, mussten wir erneut durch Da Nang fahren. Ich hatte es in dem Bus, der erneut aus Liegesitzen bestand, geschafft mich anzuschnallen, in dem ich die Anschnallbox mit einem Taschenmesser aus dem Ledersitz ausschnitt, um den Gurt hineinzustecken. In Da Nang schrieb ich dann ganz aufgeregt mit Franzi, die hinter mit saß, dass wir uns erneut der Drachenbrücke nähern würden. Tatsächlich fuhren wir schließlich sogar über sie rüber und verließen sie wieder am Schwanzende. Schließlich erreichten wir Hue, wo es regnete, weswegen wir mit einem Grab zu unserer Unterkunft fuhren, die nahe gelegen war.
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